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Ausgabe:

1987

Spalte:

100

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Saga, legend

Titel/Untertitel:

tale, novella, fable 1987

Rezensent:

Bernhardt, Karl-Heinz

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Ausschlicßlichkeitsanspruch Resultat eines langen historischen
Prozesses. In diesem Diskussionskontext leistet die Arbeit Stählis
einen wichtigen Detailbeitrag.

Stähli setzt mit einer Übersicht über solare Elemente (insbesondere
ikonographischcr Natur) im antiken Judentum (vor allem: Mosaikboden
von Beth-Alpha mit Sonnenwagen- und Tierkrcisdarstellung
und ähnliche Motive, S. 1-5) ein. Die zentrale Frage lautet: Handelt
es sich ausschließlich um die Übernahme fremden Symbolmaterials
(sol invictus), oder spielen solare Elemente in der israelitischen
Kulttradition selbst eine (weitgehend untergründige) Rolle?

Nach einem Überblick über die Diskussionslage hinsichtlich des
solaren Kultes im alten Israel (S. 5—12) geht Stähli den ..autochthonen
solaren Kulten in Israel" nach (S. 12-17). Neben der Analyse von
Ortsnamen wird insbesondere der Jcrusalemer Tempel mit seiner Ost-
West-Orientierung und dem ihm zugehörigen, die Sonne nennenden
Tempelweihspruch (1 Reg 8,12)betrachtet.

Sodann behandelt Stähli die „Subordination der Sonne unter
Jahwe" (S. 17-23). In welcher Weise wird die „kosmische Macht
Sonne" in die Herrschaft Jahwes integriert? Es zeigt sich ein Prozeß
der fortschreitenden „Subordination und Entmythisicrung" des
Gestirns bis hin zu den kosmischen Konzepten der Priesterschrift und
der Apokalyptik; dieser Unterordnung entsprechen einerseits
Gesetzesvorschriften, welche die Verehrung der Sonne verbieten, und
andererseits das Lob des Schöpfers der Sonne und durch die Sonne
(vorallem Ps 19A).

Unter dem Titel „Solare Wendungen" geht Stähli verschiedenen
Funktionen der Sonne als einer kosmischen Größe nach, welche den
Zeitraum strukturiert, durch ihre Wärme das Leben ermöglicht und
schließlich mit ihrem Licht das chaotische Dunkel erhellt, darnit dann
auch Gerechtigkeit durchsetzt (S. 23-30). Eigentliches und
metaphorisches Reden gehen dabei - wie in der altorientalischen
U mwelt - ineinander über.

Diese Beobachtungen leiten dann zu den Kapiteln „Jahwe -
Sonne" (S. 30-39) und „Jahwe als ,Sonne"' (S. 39-45) über, welche
darstellen, inwiefern Jahwe in verschiedenen Redeweisen durch
diesen Sprachgebrauch charakterisiert wird. Es eröffnet sich ein nuanciert
abgestuftes Feld von semantischen Beziehungen, welche beschrieben
werden (ohne jedoch theoretisch systematisiert zu sein).

In einem Schlußkapitcl über die „Strittigkeit der Interpretation
solarer Elemente im Jahwcglauben" zieht Stähli Bilanz (S. 45-51):
Der Jahweglaube hat das selbstverständliche Erbe des Solarkultcs und
der zugehörigen menschlichen Grunderfahrungen angetreten und verarbeitet
; freilich ist diese Verarbeitung nicht unproblematisch, sie
wird zum Feld von Konflikten: Ob ein solares Element in der sprachlichen
, bildlichen oder rituellen Praxis der Religion angemessener
Ausdruck der Darstellung Jahwes oder Idololatric ist. ist nicht von
vornherein ausgemacht, sondern erweist sich immer wieder als Streitpunkt
, für den neue Lösungen gefunden werden müssen.

Eine Hauptfrage bleibt auch nach der eingehenden Untersuchung
Stählis offen: Inwieweit ist die Unterordnung der Sonne unter Jahwe
strukturell in dem Sinn zu interpretieren, daß dieser als stimmte, dem
einem Pantheon vorsteht, und inwieweit tritt ein Ausschlicßlichkeiis-
anspruch in Kraft, welcher der Sonne ihre numinosc Potenz nimmt?
Das Hauptproblem der Evolution des Ausschlicßlichkeitsanspruchs
Jahwes und des daraus folgenden Monotheismus müßte sich auch
anhand von numinosen Figuren wie der Sonne abhandeln lassen.

Die Frage, was aus der „Person" im Kreis eines Pantheons beim
Aufkommen des Monotheismus wird, in welcher Weise sich Sprach-
und Vorstellungskonzepte, welche die Vielheit des Göttlichen und
seine Analogie zur Vielfalt der Welt zum Ausdruck bringen, modifizieren
und ähnliches mehr wäre noch eingehender Reflexion wert -
bis hin zur Frage, wie „rein" ein Monotheismus eigentlich sein kann,
um praktikabel zu bleiben.

Zürich Fritz Stolz

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Coats. George W. [Ed.]: Saga, Lebend, Tale, Novella, Kable.

Narrative Forms in Old Testament Literature. Sheffield: JSOT
Press 1985. 159 S. 8'= Journal Ibr the Study ofthe Old Testament.
Suppl. Series 35. Kart. £ 6.50; Lw. i 14.50.

Gemeinsam mit vier Mitarbeitern hat G. W. Coats den gelungenen
Versuch einer Einführung in die Gattungsforschung am Alten Testament
und speziell in die erzählenden Gattungen unternommen. Das
eingänglich geschriebene Büchlein ist für den Hochschulunterricht
gedacht, mit reichhaltigen Anmerkungen versehen und berücksichtigt
insbesondere die deutschsprachige Fachliteratur in großem Umfange.
Zur Veranschaulichung und Vertiefung werden jeweils nach der allgemeinen
Charakterisierung der fünf Erzählungsgattungcn Einzelbeispiele
genauer behandelt. Der Erläuterung von 'Saga' dient eine
Würdigung der Mose-Erzählung von "Heroic Saga" (G. W. Coats).
Für 'Legend' bietet die Bilcamspcrikope das Beispiel (G. W. Coats).
Zur Gattung 'Novella' liefert W. Lee Humphrcys eine ausführliche
Interpretation der Geschichte von Esther und Mardochai. Die Fabel
des Königs Joas vom Rechtsstreit zwischen Dornstrauch und Zeder
illustriert die theoretische Erörterung der Merkmale der Gattung
'Fable' (Ann M. Vater Solomon). Die veranschaulichenden Beispiele
werden ohne allzu schwerfälliges gelehrtes Rüstzeug geboten.
Geeignete Beobachtungen aus neuer und neuester Zeit wurden ein-
gcflochten, um das Interesse des Lesers zu wecken und das Verstehen
des Anliegens der Gattungsforschung zu erleichtern.

K -II B.

Judaica

Schelkle, Karl Hermann: Israel im Neuen Testament. Darmstadt:
Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1985. XIX, 136 S. 8 Kart.
DM 39.-.

Wer sich einen gründlichen Überblick verschallen will über die
Vielfalt der Beziehungen des Neuen Testaments zu Israels Geschichte.
Institutionen und theologischen Überzeugungen, kann jetzt auf das
Buch von Schelkle zurückgreifen. Versteht man dessen Thema „Israel
im Neuen Testament" in einem engeren Sinne, so ist der Titel des
Buches in jedem Fall eine Untertreibung. Tatsächlich skizziert
Schelkle umfassend die unterschiedlichsten Aspekte der impliziten
und expliziten Bezugnahmen des NT auf „Judaica". Schon ein kurzer
Blick auf das Inhaltsverzeichnis des in vier Kapiteln gegliederten
Werkes macht deutlich, wie breit der Vf. selbst das Thema verstanden
wissen will: 1. Israel in antiker Umwelt (S. 3-1 I); II. Schrillen des NT
als Quellen (S. 12-55); III. Gruppen der Juden (S. 56-62); IV.
Glauben und Lehre (S. 63-132). Der Aufbau des Buches gelallt durch
seine Übersichtlichkeit: hilfreich sind die jedem Abschnitt und
manchmal auch Unterabschnitt vorangestellten Verzeichnisse ausgewählter
Literatur. Die Diktion ist klar und prägnant.

Im I. Kapitel erörtert Schelkle überblicksartig das Selbstverständnis
des Judentums nach dem Zeugnis des AT. der zwischentestament-
lichcn Zeit (einschließlich antik-heidnischer Einschätzung des Judentums
) und (prinzipiell) des NT. Mißverständlich ist m. E. hier die Einschätzung
des Judentums als einer „erlaubten Religion" nach dem
römischen Recht (S. 10). Mindestens für frag-würdig halte ich auch
die Meinung des Vf.. wonach das Judentum zur Zeit Jesu eine
intensive Mission betrieben habe. Die dazu herangezogenen Texte
(Horaz. Juvenal) sind m. E. polemisch gemeint und nicht Ausdruck
einer objektiven historischen Erfahrung. Im II. Kapitel wertet S. die
ntl. Schriften als Quellen für die Anfänge der geschichtlichen
Beziehungen zwischen Juden und Christen aus. Dabei geht er nicht
streng von der jeweiligen Endgestalt der Schriften aus, sondern will
offenkundig den Kanon historisch erschließen. So beginnt er etwa mit
der Spruchquelle der Evangelien. Allerdings Führt Schelkle sein Vorhaben
nicht konsequent durch. Denn aus historischer Sicht wäre es
zweifellos günstiger gewesen, Paulus vor den Evangelien zu behandeln
. In Schelkles Überblick über das Markusevangelium wird dar-

Thcologische Literaturzeitung I 12. Jahrgang 1987 Nr. 2