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Ausgabe:

1987

Spalte:

96-98

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Soderlund, Sven

Titel/Untertitel:

The Greek text of Jeremiah 1987

Rezensent:

Thiel, Winfried

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung I 12. Jahrgang 1987 Nr. 2

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Das 5. Kapitel, Umkehr im biblischen Glauben und buddhistisches
Erwachen, ist sozusagen eine Aktualisierung und ein weiteres Nachzeichnen
der buddhistischen Entwicklung etwa im Hinblick auf die
Erlösung durch die andere Kraft, also dem sogenannten Amida-Bud-
dhismusfS. 124 ff).

Im 6. Kapitel widmet sich Strolz am ausführlichsten dem Tao, indem
er seine buddhistische Verwandtschaft und die Veränderung des
Buddhismus durch den Taoismus bedenkt, dabei gleichzeitig auf
europäische Entsprechungen zum Tao bei Goethe und Heidegger verweist
.

Das 7. Kapitel ist eine Art systematisches Zentrum des Buches, weil
es hier bei der Besprechung der seinsgeborgenen Alltagswelt um die
Aufhebung des Dualismus geht, in das menschliches Leben immer
wieder gerät. Offensichtlich hat das Christentum hier die Trennungen
verschärft, statt die Einheitserfahrung zu verstärken. Darum fragt
Strolz: „Was ist geschehen, daß die kosmische Einbettung des
Menschseins im Denken und Handeln so zurückgetreten ist und verdrängt
wurde, daß die stürmische Entfaltung von Wissenschaft und
Technik zur Aufspaltung von Gott und Welt, Natur und Geist, Natur
und Geschichte, Subjekt und Objekt geführt hat?" (S. 147). Selbstverständlich
werden Entsprechungen der christlichen Tradition aufgeführt
, so besonders die Gedankenverbindung bei Paulus von Weltverantwortung
und Gelassenheit, sowie der Befreiungserfahrung nach
Meister Eckart, die aus der Tiefe heraus, aus der Tiefe grundlosen
Gleichmuts, Unbegründbares neu werden läßt (S. 165).

Taoistisches Erbe und buddhistische Tendenzen, die in China eine
neue Einheit eingehen, fuhren Strolz im 8. Kapitel dazu, die
Buddhaschaft der Natur gerade gegenüber dem westlichen Zweckbestimmungsdenken
herauszuheben und die Absichtslosigkeit der
Natur und ihre vermittelnde Erlösungsqualität auf diese Weise besonders
den Christen ins Gedächtnis zu schreiben.

Daraus entwickelt sich das 9. Kapitel, Weltverantwortung und
Weltentsagung, indem sozusagen das Tao auf der einen Seite und
Hegel auf der anderen Seite extreme Denkpole bilden.

Im 10. Kapitel geht es um die Zuspitzung im Zeitverhältnis, das zu
einer Polarisierung von christlicher Zukunftshoffnung und buddhistischem
Nirwana führen könnte, aber dank des offenen Dialogansatzes
von Walter Strolz nur eine gewisse Gegenüberstellung von
meditativer und messianischer Religion bewirkt. Damit soll ausgedrückt
werden, daß dem Buddhismus eine geschichtliche Heils-
bewegung, die nicht umkehrbar ist, im Grunde fremd ist. Erfrischend
ist in diesem Zusammenhang die Formulierung: „Der Buddhismus ist
die messianisch entspannteste Religion" (S. 218). Strolz kann diese
Formulierung aber nur so wagen, daß er die Unterschiede und nach
seiner Meinung auch scharfe Trennung beider Religionen so
konstatiert, daß er die Antworten im Gespräch nicht vom Missionsproblem
abhängig macht (S. 219). Wem an dieser Stelle noch
Zweifel gekommen sein sollten, dem wird im //. Kapitel die Offenheit
der Religionsgeschichte vorgeführt, weil Strolz der Christusoffenbarung
die bleibende Vielfalt der Religionen gegenüberstellt. So
erwartet er von einer Theologie der Religionen nicht, daß sie die
Glaubensunterschiede verwischt und das Nichtvereinbare
zusammenbindet, vielmehr hebt er die wahrheitsbezogene Sphäre
jeder Religion heraus. Unter Berufung auf Johannes Paul I. und
dessen Hinweis, daß der Dialog der Religionen zum Heilsplan Gottes
gehört, kann Strolz schließlich auf die sprachtheologische Dimension
einer Ökumene der Religionen verweisen, ohne daß der Begriff „Ökumene
der Religionen" fällt. Er geht davon aus, daß der in der Sprache
sich artikulierende Dualismus vorübergehend ist, und daß er letztendlich
aufgehoben werden kann. Die Offenheit und Unabgeschlossen-
heit der Religionsgeschichte (S. 228 u. 231) zeigt das Geschick der
Vergänglichkeit der Religionen, ohne daß man von einem solchen
Vergänglichkeitssyndrom der Religionen auf eine dahinterstehende
Urreligion schließen könnte. Unter universaler Aufnahme von I Kor
12,4-1 1 (die Unterschiedlichkeit der Charismen) und der bruchstückhaften
menschlichen Erkenntnis, verbunden mit der Unzulänglichkeit
der Sprache (I Kor 13,9-12) macht Strolz Mut, diesen verbindenden
Spracherfahrungen, die auch die Grenzen des Dialogs aufzeigen
können, nachzugehen. Immerhin gelten Gottes Vaterschaft und seine
Bundesschlüssc allen Menschen (zur universalen Vaterschaft Gottes
siehe Seite 224, zum Noahbund siehe S. 226).

Damit führt Strolz das fort, was er im ersten Band begonnen hat.
nämlich, deutlich nichtaufhebbare DilTcrcnzen oderz. Z. nicht aufzulösende
Differenzen zu artikulieren, aber dennoch auf eine größere
Gemeinsamkeit der Religionen hinzugehen. In der Darstellung führt
das, wie schon beim ersten Band, nur auf kurze Einführungen in das
jeweilig andere religiöse Denken. Betonung (christlicher) Offenbarung
führt implizit immer wieder zu einem Gegensatz zum zyklischen Zeitverständnis
asiatischer Religion. Dem lutherischen Leser wird auffallen
, daß bei der Darstellung christlicher Positionen die Entscheidungsfreiheit
so stark herausgehoben wird (z. B. S. 1 13 u. S. 204), daß
man einigermaßen Schwierigkeiten hat. die Rechtfertigungslehre als
einen Kernpunkt christlichen Glaubens in diesem Kontext einzuordnen
. Es bleibt von daher auch offen, wie etwa gerade die Recht-
fertigungslehre durch ihre strikte Betonung der alles wirkenden
Gnade, einen weiteren Zugang zum Gespräch zwischen den Religionen
bieten könnte. Diese Frage stellt sich um so mehr, weil Strolz
heraushebt, daß es in den asiatischen Religionen nicht um Selbsterlösung
, sondern um Befreiung und um eine neue Dimension geht,
die die Christen mit Heil bezeichnen. Im Blick auf den ersten Band
fallt auch auf, daß die dort sehr intensiv hervorgehobene
Abrahamitische Ökumene bei der Diskussion mit den asiatischen
Religionen überhaupt keine Rolle mehr spielt, daß zwar Judentum
und Christentum genannt werden, aber mit dem Islam gemeinsame
Anschauungen nicht in das Gespräch mit Hinduismus, Buddhismus
und Taoismus einfließen. Diese Fragen und Problemkreise, die hier
nur ausschnittweise angesprochen werden können, machen jedoch
gleichzeitig die hohe Anregungskraft des zweiten Bandes deutlich und
nötigen den Leser direkt in eine existenzbezogene Dialogsituation
hinein.

Nachrodt-Wiblingwerde Reinhard Kirste

Altes Testament

Soderlund, Sven: The Greek Text of Jeremiah. A Revised Hypothesis.
Sheffield: JSOT Press 1985. XI, 304 S. 8' = Journal for the Study of
the Old Testament, Suppl. Series47. Kart. £ 8.95; Lw. £ 18.50.

Der Vf., Professor für Altes Testament in Vancouver, legt hier seine
Dissertation1 in leicht überarbeiteter Form vor. Ergreift damit in eine
offene Diskussion ein und führt sie ein beträchtliches Stück weiter.

Der LXX-Text des Jercmiabuches ist erheblich kürzer als der
Masoretische Text (MT). Nach einer neueren, computergestützten
Untersuchung, die S. anführt, beträgt die Differenz 3097 Worte, also
etwa ein Siebentel des Textes.2 Die Erklärungen für dieses Phänomen
teilt S. in vier Modelle ein: I. "The 'abbreviation' theory" (Graf. Keil,
von Orelli) betrachtet die LXX-Version als eine verkürzte Textform.
2. "The 'editorial' theory'" (Eichhorn, van Selms, Overholt) erklärt
die Differenz aus der Existenz zweier verschiedener Ausgaben oder
Rezensionen des Buches, die sich in den beiden Textzeugen widerspiegeln
. 3. "The 'expansion' theory" (Movers, Scholz, Workman,
Streane) beurteilt die LXX als besten Textzeugen, den MT aber als
Ausweitung einer kürzeren Textform. 4. "The 'mediating' theory"
(Duhm, Volz, Rudolph. Bright, Thompson) erkennt weder der einen
noch der anderen Textform generelle Priorität zu, sondern fordert
eine Prüfung jeder Lesart. Während diese letztere Erklärung lange das
Feld beherrschte, gewann neuerdings die dritte Theorie an Boden,
besonders durch die Arbeit von J. G. Janzen3.

Diesen Stand der Dinge zu überprüfen, setzt sich das vorliegende
Werk zur Aufgabe. Dabei stellt sich der Vf. drei Einzelziele: Erhebung
der Handschriften-Evidenz als Grundlage für eine kritische LXX-