Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1987

Spalte:

94-96

Kategorie:

Religionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Christliche Begegnung mit Hinduismus, Buddhismus und Taoismus 1987

Rezensent:

Kirste, Reinhard

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

93

Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 2

94

Abgesehen davon ist dem Vf. für die äußerst sorgfältige Zusammenstellung
der Texte, die in der griechisch-römischen Literatur von der
Sintflut handeln oder sie erwähnen, zu danken. Sie ist eine unentbehrliche
Voraussetzung für den Vergleich in der Sintflut-Forschung der
Orientalistik, der alttestamcntlichcn und der ethnologischen Forschung
.

Zum zweiten Teil. Quellenanalyse: Auf die Frage eingehend, ob es
sich bei den Fluterzählungen um allgemein-griechische oder Lokaltraditionen
handelt, weist der Vf. in eingehender Untersuchung nach,
daß es sich um Lokaltraditionen handelt; die Deukalion-Sage war
wahrscheinlich eine Stammessage der Lokrer (S. 88); in der Genealogie
ist Deukalion sowohl mit Lokris (Parnaß) wie auch mit Thessalien
verbunden. Eine Ausdehnung auf ganz Griechenland erfolgte erst
damit, daß Deukalion eine gesamtgriechische Bedeutung erhielt: Der
Sohn Deukalions. Hellen, wurde zum Stammvater der Hellenen. Von
einer weltweiten Flut spricht erst Ovid in seinen Metamorphosen. -
Ein orientalischer Ursprung der Flutsagen ist nicht auszuschließen:
..Bei allen Verschiedenheiten bleibt als frappante Übereinstimmung
die Rettung des Fluthelden im Holzkastcn" (S. 129). Eine Berührung
mit orientalischen Traditionen ist schon bei Hesiod anzunehmen.
Literarisch nachgewiesen ist sie bei Berossos um 300. - Hierzu ist der
Vf. zu fragen: Wie verhält sich der orientalische Einfluß zu der Erklärung
der griechischen Flutsagen als Lokaltraditioncn mit der Fülle
der lokal bedingten Varianten? Gerade wenn der Ursprungsort eingegrenzt
wird auf den Raum Parnaß-Lokris und sekundär Thessalien?
(S. 122)

Am Anfang des dritten Teils. Interpretationen, stellt der Vf. fest:
..Ausführliche Schilderungen des Flutgeschehens sind selten, fast ganz
auf die Sage von Deukalion beschränkt." (S. 200) Gerade deswegen
wäre es eine Hilfe, wären diese wenigen Texte synoptisch verglichen
worden: Welche Elemente sind für den Ablauf der Erzählung
konstitutiv? Welche sind auswechselbar? Welche sind Fremdkörper?
Eine Erzählung stellt einen Gcschchensbogen mit Anfang - Höhepunkt
- Abstieg dar: es kommt darauf an. ob und wie die einzelnen
Motive in diesem F.rzählbogen ihren Ort haben. Erst so wird es
möglich. Typen von Fluterzählungen zu erkennen und zu sondern
(z. B. Rettung auf eine Berghöhe und Rettung in einem Holzkasten).
Motive zu erkennen, die der Erzählung erst nachträglich zugewachsen
sind. Der Vf. überschreibt den Abschnitt S. 225-228: ..Deukalion als
Menschcnschöpfcr". Was hier beschrieben wird, ist keine Menschenschöpfung
im eigentlichen Sinn, es ist eine magische Handlung, geht
also auf ein primitives Stadium zurück, vgl. S. 227 ein Beispiel bei
Indianerstämmen. Das Motiv erweist sich auch darin als Fremdkörper
, daß die Rettung von Mann und Frau darauf zielt, daß sie die
Litern der Menschen nach der Flut werden wie in der biblischen Fluterzäh
lung.

In ähnlicher Weise gilt dasselbe für die Aitiologien und die
Genealogien. Beide gehen auf die mündliche Traditionsphase zurück
und sind aus ihr erwachsen.

Wichtig und ertragreich ist der Teil V ..Flutsagen als Aiticn von
Ritualen", in dem der Vf. viele kultische Handlungen zusammenträgt,
die mit der ITut in Zusammenhang gebracht werden. Sie dienen meist
der Neubegründung der Gemeinschaftsordnung nach der Flut. So
wird in Delphi beim Opfer nach der Flut das erste Feuer entzündet.
Gicßritualc erinnern an das Versickern der Flut. Aber mit einer einseitigen
Erklärung dieser Riten nach der myth-and-ritual-Schulc ist
der Vf. zurückhaltend.

Den Sinn der Flutsagen sieht er in der ..Vcrbildlichung menschlichen
Selbst Verständnisses**: ..sie versichern die Menschen einer
bestimmten Ordnung ihres Lebens als Teil eines größeren Ganzen"
(S. 275) und sind Ausdruck eines bestimmten Weltbildes: Welt und
menschliche Gemeinschaft können nur Bestand haben, wenn ihre
Elemente die ihnen gesetzten Grenzen nicht überschreiten.

Im ganzen ist es eine wertvolle, die Mythenforschung fördernde
Arbeit.

Heidelberg C laus Westermann

Strolz. Walter: Heilswege der Weltreligionen. 2: Christliche Begegnung
mit Hinduismus. Buddhismus und Taoismus. Freiburg-
Basel-Wien: Herder 1986. 255 S„ 1 Taf. 8*. geb. DM 38-.

Dem vorangegangenen Band I über die christliche Begegnung mit
Judentum und Islam, rezensiert in ThLZ 110, 1985, 347-349, folgt
nun das Gespräch mit drei Hauptströmungen asiatischer Religionen,
nämlich dem Hinduismus, dem Buddhismus und dem Taoismus.
Dieses Gespräch ist das zusammenfassende Ergebnis besonders zweier
Religionsgespräche, die in Sri Lanka 1978 und in Japan 1984 stattgefunden
haben. Darüber hinaus kommen die weiteren religiösen Erfahrungen
und Begegnungen des Verfassers zum Tragen. Im Blick auf
die Zielsetzung geht Strolz von der Tatsache aus, daß das christliche
Gespräch mit den religiösen Überlieferungen Asiens gerade begonnen
hat. Dieses ist für den deutschsprachigen Bereich sicher richtig,
während die englischsprachige Literatur eine schon über mehrere
Jahrzehnte dauernde Begegnung ausweist. Walter Strolz hat jedoch
bei seiner Absicht, ein offenes Religionsgespräch zu führen, auch das
Interesse, der entscheidenden Frage nachzugehen, ,,ob das Christentum
kraft seiner Offenbarungsbotschaft fähig bleibt, den von Asien
erhobenen Vorwurf, es sei dualistisch, durch eine fundamentale Neubesinnung
auf die Zusammengehörigkeit von Schöpfung und
Geschichte zu entkräften" (S. 5). Diese Fragestellung bestimmt auch
den Aufriß des Buches. Bei der Darstellung werden in kleineren
Schritten immer wieder die verschiedenen asiatischen religiösen
Tendenzen mit denen des Christentums bzw. des Judentums verbunden
. Mit seiner Einführung stellt Walter Strolz noch einmal
sicher, daß er eine Verchristlichung des Andersartigen ausschließen
möchte (S. 13), ja. daß es ihm vielmehr um ein Verständnis des
Andersartigen und um dessen Wahrheit geht, die nicht als Rivalität
zur christlichen Wahrheit, sondern im Sinne eines Ergänzungsverständnisses
anzusehen ist. „So könnte mit der Zeit durch die
ehrfurchtsvolle Anerkennung «m/r/rr Offenbarungswege das Geheimnis
der geschichtlichen Gegenwart Gottes in allen Völkern und
Sprachen Christen. Hindus. Buddhisten und Taoisten wechselseitig
erleuchten" (S. 14). Auch muß der Vf. berücksichtigen, daß es Theologie
im westlichen Sinne letztlich in den asiatischen Religionen nicht
gibt und darum die religiöse Erfahrung und meditative Besinnung den
Vorrang haben muß. Allerdings bedient sie sich auch der Sprache als
Vcrmittlungstendenz. Dies spielt im Blick auf die abschließende
Würdigung des Dargestellten eine erhebliche Rolle. Ahnlich wie
schon im I. Band versucht Walter Strolz eine innere Systematik der
einzelnen Kapitel aufzubauen, indem er von den Schwerpunkten
Schöpfung und Kosmos, (Jberwindung des Leidens. Erleuchtung und
Arbeitswelt. Natur und Geschichte, auf die unterschiedlichen Zeitver-
ständnissc im Christentum und den asiatischen Religionen hinführt.
Dies geschieht jedoch so. daß Gemeinsames betont. Trennendes nicht
verschwiegen, aber die Offenheit des Dialogs nicht durch Absolut-
heitsansprüchc eingeengt wird(S. 220).

So stellt er im /. Kapitel den crlösungsbedürftigcn Mensch und
seine Wege dar. indem er einen Durchgang vom biblischen Schöpfungsmythos
bis hin zum Zen-Buddhismus leistet, um dann in einem
2. Kapitel den christlichen Schöpfungsglauben an den kosmischen
Vorstellungen des Hinduismus und Buddhismus zu spiegeln und
dabei besonders auf den Gedanken der Nichtzwcihcit und der Aulhebung
des Dualismus einzugehen (S. 55 IT).

Das .< Kapitel wiederum, Buddhismus und jüdisch-christliche
Tradition gegeneinander spiegelnd, geht von der Geschichte des
Menschen zwischen Vertreibung aus dem Paradies und Befreiung
vom Leiden bzw. aus der Unwissenheit aus. um die aufgeworfenen
Problemkrcise im 4. Kapitel unter den Stichworten von Vergänglichkeitserfahrung
. Nirwana und Erleuchtung neu zu durchdenken und
die Veränderungen im Blick auf die Verpflanzung des Buddhismus
nach China weiterzuführen. In diesem Zusammenhang kommt er in
interessanten Entsprechungen auf Plotin (griechische Tradition) und
auf Bodhidarma (/.en-Buddhismus) zu sprechen.