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Ausgabe:

1987

Spalte:

92-93

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Caduff, Gian Andrea

Titel/Untertitel:

Antike Sintflutsagen 1987

Rezensent:

Westermann, Claus

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 2

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Gemeinsamkeit der Geschichte und Gegenwart wird so zum Ausdruck
gebracht. Die Reden und Grußworte der Festversammlung sind
aufgezeichnet, ehe dann in großer ökumenischer Breite Ansprachen,
Gebete und eine Vielzahl von offiziellen Grußworten der geladenen
Kirchen abgedruckt werden. Unter den Leitworten ,,Erinnerung und
Verpflichtung"' wird ein weiteres Kapitel geboten, an dessen Anfang
das „Wort an die Gemeinden" der EKD und des Bundes der Ev.
Kirchen in der DDR gestellt wurde. Ansprachen anläßlich der Eröffnung
von zwei Ausstellungen schließen sich an, und Erlebnisberichte
kommen zu Wort. Ein letzter Abschnitt ist der auswahlweisen
Wiedergabe von Texten gewidmet, die ein Schüler-Lehrer-Tag und
ein Schülerwettbewerb hervorgebracht haben; ersteht unter der Überschrift
„Wenn dich nun dein Sohn fragen wird". Ein Anhang bringt
das gesamte Veranstaltungsprogramm, die Liste der Gäste, Prediger
und Referenten sowie ein Personenregister. Eine große Anzahl von
Photographien bereichert den Band an vielen Stellen.

Nicht dokumentiert werden konnten die außerordentlich
interessanten „Gespräche mit Zeitzeugen, ökumenischen Gästen und
Referenten zur Aktualität der Barmer Theologischen Erklärung" in
einer Forumveranstaltung und die Diskussionen mit den Schülern.

Das Buch vermittelt mehr als nur Textwiedergaben. Es ist tagungsorganisatorisch
, ökumenisch, pädagogisch, kirchenpolitisch, kirchengeschichtlich
und theologisch aufschlußreich. Der Leser wird eine
Auswahl nach eigenen Gesichtspunkten treffen. Freie Hinweise seien
im folgenden gegeben. - Der letzte Abend der sehr bedeutsamen und
gewichtigen theologischen Auslegungsvorträge stand unter dem
Thema „Barmen und die Juden - eine nicht geschriebene These?" -
Ein Vergleich der vielen Grußworte nach Form und Inhalt könnte
eine repräsentative kritische Erhebung ergeben für die Art und Weise,
,wie' auf dieser Ebene .was' gesagt wird. - Die Stimmen der Ökumene
in Ansprachen und verschiedensten Adressen lassen Akzentuierungen
mit klarem Schwerpunkt auf dem Bekennen erkennen. - Eindrücklich
und historisch wie aktuell sehr hilfreich sind die Erlebnisschilderungen
von Casalis und Hamel, besonders aber das Schüler-
Interview mit Stephanie von Mackensen. - Möglicherweise erschließt
sich dem Leser, was der Teilnehmer eindeutig erlebte: das starke Vorwiegen
des Interesses an der Sache von These V in Beiträgen aller Art
und in den Diskussionen, d. h. am Verhältnis von Staat und Kirche
und in diesem Zusammenhang an der Friedensdebatte. Im ganzen wie
im einzelnen ist dem Herausgeber recht zu geben: „Freilich zeigt die
Mannigfaltigkeit der Stimmen, die zu Wort kamen, auch, wie unterschiedlich
Barmen heute ausgelegt wird."

Berlin Rudolf Schulze

[Pelikan, Jaroslav:]: Schools of Thought in the Christian Tradition.

Ed. by P. Henry. Philadelphia: Fortress Press 1984. XIV,
193 S. 8°.

Der Band stellt eine kleine gediegene Festschrift zum 60. Geburtstag
von Jaroslav Pelikan dar, Sterling Professor of History, Yale
University. Er ist der Verfasser des inzwischen vierbändigen Werkes
"The Christian Tradition: A History of the Development of
Doctrine" (Chicago 1971, 1974, 1978 und 1984). Die im Anschluß an
zehn Beiträge abgedruckte ausgewählte Bibliographie der Werke Pelikans
(Jane R. Baun, 177-188) vermag den Forschungshorizont des
Geehrten gut darzustellen. Folgende "Schools of Thought" kommen
unter die Lupe:

Albert C. Outler, The Idea of "Development" in the History of Christian
Doctrine: A Comment. 7-14; Robert L. Wilken. Alexandria: A School for
Training in Virtue, 15-30; William S. Babcock, Christian Culture and
Christian Tradition in Roman North Africa, 31-48; Francine Cardman.
Fourth-Century Jerusalem: Religious Geography and Christian Tradition,
49-64; John Meyendorff, Byzantium as Center of Theological Thought in
the Christian East, 65-74; Patrick Henry, The Formulators of leon Doctrine.
75-89; E. Ann Matter, Exegesis and Christian Education: The Carolingian
Model, 90-105; Marcia L. Colish. Teaching and Learning Theology in

Medieval Paris, 106-124; Melvin B. Endy, Jr., Theology and Learning in
Early America, 125-151; John M. Stroup, The Idea of Theologieal
£duca tion at the University of Berlin: From Sehleiermacher to Harnaek.
152-176.

M. I>.

Religionswissenschaft

Caduff, Gian Andrea: Antike Sintflutsagen. Göttingen: Vandenhoeck
& Ruprecht 1986. 308 S. gr. 8- = Hypomnemata, 82. Kart.
DM 68,-.

In einem ersten Teil stellt der Vf. die Quellen zusammen (S. 16-72),
zur Fluterzählung von Deukalion S. 16-38, von Dardanos S. 39-43,
von Ogygos S. 44-52. Es folgen systematische Fluterzählungen
S. 53-59, Götterstreitmythen und Exkurse S. 60-72.

Der zweite Teil, Quellenanalyse (S. 73-109), wertet aus, was sich
aus den im ersten Teil zusammengestellten Quellen für die griechischlateinischen
Fluterzählungen ergibt. Es handelt sich hauptsächlich
um die drei oben genannten Fluterzählungen (Abschnitt I—IV); dazu
kommen literarisch sekundäre Weiterbildungen in philosophischen
oder chronographischen Flutsystemen. Der Abschnitt V handelt von
der Beziehung der Götterstreitmythen zu den Fluttraditionen, VI von
Naturaitiologien im Zusammenhang mit der Flut.

Der dritte Teil, Interpretationen (S. 200-281), faßt die Ergebnisse
zusammen in den Themen: Auflösung des Kosmos als Demonstration
göttlicher Macht, Flutsagen und Theodizee, Das Opfer auf dem Berge,
Der Flutheros in der Rolle des Prometheus, Flutsagen als Aitien von
Ritualen. Die Jenseitsreise des Flutheros, Die Sintflutmythen als Verbildlichung
menschlichen Selbstverständnisses. - Am Schluß Literaturverzeichnis
, Namen- und Sachregister.

Zur Einleitung: Es geht dem Vf. darum, zu erfahren, was diese
Mythen ihren Erzählern selbst bedeuteten als Ausdruck eines besonderen
Welt- und Menschenverständnisses. Er beschränkt sich dabei
auf die griechisch-römischen Traditionen unter gelegentlicher Einbeziehung
der orientalischen (sie sind im ersten Teil „Quellen" nicht
aufgeführt) und unter Ausschluß der Sintfluterzählungen der Naturvölker
(abgesehen von seltenen Erwähnungen) einmal, weil die Untersuchung
sonst zu umfangreich geworden wäre, aber auch, weil die
Sagen der Naturvölker zum guten Teil auf Aufnahmen von Missionaren
beruhen, deren Absicht es war, „den biblischen Sintflutbericht
durch möglichst viele Parallelen zu stützen". Dies kann schon deswegen
nur zu einem geringen Teil stimmen, weil die Sintflutsagen der
Naturvölker überwiegend nicht mit dem Bericht der Bibel übereinstimmen
, wie es das vom Vf. angeführte Beispiel S. 227 zeigt.

Zum ersten Teil, Quellen: Man staunt zunächst, wenn man feststellt
, daß der Vf. unter „Quellen" 159 Texte zusammengestellt hat;
welche Fülle von Texten zur Flut, und das allein griechisch-römische
Texte! Dann findet man allerdings bald, daß nur ganz wenige dieser
159 Texte vollständige Darstellung einer Fluterzählung sind; die weitaus
meisten sind nur Erwähnungen in einem Satz, Fragmente,
einzelne Motive in anderen Zusammenhängen, manchmal nur ein
Name, besonders oft Wiederholungen dessen, was ein anderer gesagt
hat, was der dies Schreibende vom Hörensagen weiß usw.

Beim Durcharbeiten dieser Texte ist mir aufgefallen, daß in diesen
unübersehbar immer wieder darauf aufmerksam gemacht wird, daß
das hier Geschriebene auf mündlicher Tradition beruht: „man sagt,
daß . . ." oder ähnlich. Das Verhältnis von mündlicher und schriftlicher
Tradition zueinander wird vom Vf. nicht erörtert. Es muß aber
einen Weg gegeben haben von der einen zu der anderen. Dieser
traditionsgeschichtliche Aspekt begegnet nicht. Ich mache dem Vf.
deswegen keinen Vorwurf, sondern stelle nur fest, daß in verschiedenen
Wissenschaftszweigen nach dem gleichen Gegenstand mit verschiedenen
Methoden gefragt wird.