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Ausgabe:

1987

Spalte:

921-923

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Homiletisches Lesebuch 1987

Rezensent:

Voigt, Gottfried

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Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 12

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formen bestimmt wird. Der Leser wird durch die klare Sprache gefesselt
und findet in den umfangreichen Anmerkungen genug Material,
um andere Auffassungen kennenzulernen. Insofern ist diese Umweltethik
ein gutes Angebot für Studien und Diskussionen innerhalb und
außerhalb der christlichen Kirchen.

Rostock Joachim Wiebering

Praktische Theologie: Homiletik

Beutel, Albrecht, Drehsen, Volker, und Hans Martin Müller [Hg.]:
Homiletisches Lesebuch. Texte zur heutigen Predigtlehre. Tübingen
: Katzmann 1986. 351 S. gr. 8' Kart. DM 38,-.

Kein homiletisches Lehrbuch aus einem Guß, sondern ein „Lesebuch
", das repräsentative Abhandlungen zum weiten Gebiet der
Homiletik darbietet, aus zwei Jahrzehnten (1963-1983: Ausnahmen
sind die Beiträge von K.Barth, 1922. und E.Hirsch, 1954), sehr
unterschiedlich in der theologischen Position (von K. Barth bis zu
M. Mezger und E. Lange), weitgespannt in der Thematik. 21 Haupt-
beiträge werden zu 8 Kapiteln gebündelt: jedem der Kapitel wird ein
kürzeres Vorwort beigegeben, das das Verständnis erleichtert. Grundlegend
die beiden ersten Kapitel: „Aufgabeder Homiletik" und „Aufgabe
der Predigt", wobei von Anfang an einem vom Leitwort „Verkündigung
" sich herleitenden „überschwenglichen Prcdigtbcgriff"
gewehrt und über die „wirkliche" Predigt geredet wird. „Die Predigt
ist Dienst am Wort. Ob sie darüber hinaus dann zum Wort Gottes
wird, das steht nicht in unserer Macht" (Trillhaas 14 und 20). Was
nützt der „alles übersteigende Anspruch", wenn nichts davon im
Horizont der Erfahrung des Predigers Wirklichkeit wird? (D. Röss-

Icr 27). Es bedarf „einer anderen Homiletik----einer zweiten Prcdigt-

lehre" (ders. 35). „Der andere Einsatz, bei der Erfahrung, bei ihren
Gesetzen und Regeln, ist für eine Homiletik, die ihre Aufgabe nicht
nur dem Anspruch, sondern auch der Sache nach erfüllen will, unabdingbar
." Die Beiträge von Barth, Hirsch und Ebcling erörtern die
Grundsatzfragen. Die folgenden drei Kapitel behandeln die „Eckpunkte
des sogenannten homiletischen Dreiecks": Predigttext und
Predigtthema / Person des Predigers / Predigtsituation und Predigthörer
. In den letzten drei Kapiteln geht es um: Wirkungen der Predigt
I Gestaltung der Predigt / Predigt als Teil des Gottesdienstes.

Das Lesebuch will /ureigenen Urteilsbildung anregen, in Seminarübungen
und in der Praxis des Amts. Es fordert also zum Gespräch
heraus. Nicht nur ein Autor, auch nicht nur eine Schule: Vielfalt
(auch einander Widersprechendes) bringt Gewinn. Dankbar wird sein,
wer die Texte an ihren originalen Fundorten nicht zur Verfügung hat.
Man würde gern ..nacherzählen", nicht selten auch sofort das
Gespräch aufnehmen, doch ist uns Kürze geboten.

Die durch die Dialektische Theologie herbeigeführte Wende von
der (auch in der Predigt intendierten) Darstellung des frommen Menschen
zum Hören auf das Wort des redenden Gottes hat dazu geführt,
daß die Empirie der Predigt unterbelichtet blieb und somit auch die
kritische Vermittlung zwischen Prinzip und Erfahrung (Rösslcr38)
nicht genügend vollzogen wurde. Dieses Defizit erfordert eine neuerliche
„Wende"; sie wird im vorliegenden Buch bedacht. Gefragt wird
also nicht nur „Wie kann man das?" - Barths vordringliche und
eigentliche Trage -, sondern tatsächlich: „Wie macht man das?" Hier
stehen die hermeneutischen Überlegungen über Predigttext und Predigtthema
vornan. Meiner: Ernstnehmen des Textes, so wie er
dasteht, ohne mogelndes Umdeuten, aber dann mutiges und redliches
Fragen nach dem. was „drin" steht, und - Mezgers Ceterum-censeo -
übersetzendes Hineinsprechen in die Lebens- und Denksituation der
Hörer. (Hinsichtlich seines Umgangs besonders mit der ntl. Eschato-
logic und des Bestehens auf der einen Wcltwirklichkeit wird M. auf
Einsprüche gefaßt wän.)JÜHgels Anliegen: In der Predigt gelangt Gott
selbst, menschlichem Wort zuvorkommend, zur Sprache und schafft
so. die heillose Situation überwindend, die neue Situation der Versöhnung
. Preiiß zeigt, in Auseinandersetzung mit mehreren Konzepten
atl. Hermeneutik, die Hauptthemen der Glaubenserkenntnis des AT
auf: Schöpfung, Geschichte. Präsenz und Weltwirksamkeit Gottes -
wer ist der Gott, der der Welt sein Evangelium anbietet, wer ist der
Mensch, dem es angeboten wird? Eines der Programmworte: „exi-
stentiale Typologie". Seilz versteht Predigtmedilation wesentlich als
„Reflexion eines exegetisch erarbeiteten Textes auf Anrede hin"
(147).

In der Spannung „zwischen theologischer Aussage und empirischer
Auswirkung" (154) steht auch die Frage nach der pastoralpsychologischen
Problematik des Predigers (Riess), nach seiner Autorität (H. M.
Müller) und seiner theologischen Kompetenz (Herms). Seine Person
gilt es zu erforschen (Haendler!); das psychotherapeutische Instrumentarium
hilft, ihn zu entneurotisieren (Riess). Das herkömmliche
Amtsverständnis trägt nicht mehr, meint Müller, der Prediger muß im
Gewissen überzeugen, es bedarf der „Anstrengung des eigenen Herzens
und Gewissens" (186); so kann die Predigt Autorität haben, ohne
autoritär zu sein. Kompetentes Handeln ist nach Heims selbstbewußtes
, phantasicvolles, realistisches, kritisch-konstruktives und kreatives
Handeln (1921); theologische Kompetenz verlangt Vertrautheit mit
der Sache in Relation zu den Strukturmomenten der Lebenswirklichkeit
(1971). fetter beschreibt (geistvoll und quellfrisch) die Predigt als
Gespräch mit dem Hörer; die (in der Regel monologische) Predigt soll
dialogisch gemeint und angelegt sein. Als „Herold" verstanden stünde
der Prediger zu einseitig am Ufer Gottes. //. Luther sieht die „Predigt
als Handlung": sie ist Einladung, der man sich nicht ohne Folgen entziehen
kann (227). sie hat also „interaktive Struktur", sie will wirken
und etwas bewirken. Die Wirkungen der Predigt sucht das nächste
Kapitel mit humanwissenschaftlichen Methoden in den Blick zu
bekommen. Dahin untersucht den Kommunikationsprozeß. Weiche-
Menge von Signalen kann der Hörer überhaupt aufnehmen? Wonach
richtet sich die Auswahl des Aufnchmcns? Die empfangene Nachricht
verstärkt meist schon Vorhandenes (z. B. fundamentale Grundüberzeugungen
). Stärkster Wirkungsgrad im Bereich der existentiell-
cmotionalcn Balance (251). Auf eine „Felduntcrsuchung" stützt sich
Schreuder in seinem Beitrag: überraschenderweise beurteilen die
Kirchgänger die gehörte Predigt meist positiv und erweisen sich damit
leider als ..schweigende Mehrheit". Hier geht der Blick auf den kirchlichen
Innenbereich. Drehsen zieht den Kreis weit und ist beunruhigt
über „das öffentliche Schweigen christlicher Rede". Ursache ist nicht
so sehr die gemeinhin übliche Gottesdienstgcstaltung(263). wohl aber
die „mangelnde psychologisch-einfühlsame Realphantasie gegenüber
dem Kreis der Angesprochenen" (267), die „Kluft zwischen gottes-
dicnstlichcr Feier und normal gelebtcm Alltag", aber auch „die
Unverständlichkeil. Blutleere und .Abgedroschenheit' agendarischer
Formeln und überkommener liturgischer Lieder" (268). Es ist freilich
zu beachten, daß D. von der Volkskirche her denkt, die er als „soziales
Kommunikationsgeschehen" versteht: das „zentrale Problem" der
Praktischen Theologie sieht er darin, die Volkskirche als die Kirche
des Volkes zu begreifen, das nicht zur Kirche geht (286).

Die beiden letzten Kapitel haben es mit mehr Handwerklichem zu
tun. versteht sich: immer im Blick auf die Sache. Rhetorik (Josullis)
ist wichtig, weil Predigt selbst auf die Kongruenz zwischen Inhalt und
Form zielt (299): zur Erniedrigung des Wortes Gottes gehört es auch,
daß Predigt, als Werk des Menschen. Kunst sein kann. Lischer macht
am Beispiel der Predigt weise Luthers die Bedeutung des Narrati ven
klar: der Mensch eignet sich Wahrheit in zeitlicher Abfolge an; darum
will, was Gott getan hat. erzählt und die Predigt will dramatisch strukturiert
sein. - Gottesdienst ist nach Lange Idcntitätssuchc. Distanzerfahrung
, Feier und Spiel (man staune: das Abendmahl ist „das
gewaltigste Spiel, das je erfunden wurde". 336). T. Bonhoeßer gibt
Hilfen zur Gottesdienstvorbereitung. Wie er das Sakrament als Wort
versteht, so betont er den sakramentalen Charakter, den Wundercharakter
und den Ereignischarakter der Predigt (345).

Die dargebotenen Splitter ergeben natürlich kein ausgeführtes Bild.
Da Cioltes Wort an uns in. mit und unter menschlicher Kommunika-