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Ausgabe:

1987

Spalte:

919-921

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Auer, Alfons

Titel/Untertitel:

Umweltethik 1987

Rezensent:

Wiebering, Joachim

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Seite 1, Seite 2

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919

Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 12

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liehen Sehriften spielt sie noch keine Rolle. Beide Beobachtungen zeigen
, wie hier das katholische Geschichtsbild und die Kanonfrage Vorentscheide
getroffen haben.

Die Rezension hat bewußt die Gesamtkonzeption des Werkes in
den Mittelpunkt gerückt und Einzclfragen der Fachdiskussion zurückgestellt
. Darum sei ausdrücklich betont, daß auch der. der diese
Konzeption nicht zu teilen vermag, weil er für das Urchristentum eine
mehr geschichtlich orientierte Darstellung bevorzugt und bei den
systematischen Fragen die Probleme neuzeitlichen Christentums und
der gesamten Ökumene gern energischer bedacht sähe, in den Einzel-
ausführungen manche hilfreiche Anregung erhalten kann. Doch mag
es abschließend gestattet sein, auch für diese Einzclausführungen
wenigstens eine immerhin nicht unbedeutende kritische Anfrage zu
erheben: Wenn es ein zentrales Anliegen des Buches ist. in bezug auf
Tod und Auferstehung die anthropologische Dualität von Leib und
Seele zu bedenken, dann ist es sachlich unerklärlich, warum die in
Lk 23t" erkennbare Anthropologie nicht eigens entfaltet wird. Aber
natürlich, wer vorab (S. 10-12) die Auferstehung Jesu von der Auferstehung
verstorbener Christen nur unterscheidet, wird es sich verwehren
, eine bei der Darstellung von Tod und Auferstehung Jesu verwendete
allgemeine anthropologische Autlässung ausfindig zu machen.

Kiel Jürgen Heeker

Systematische Theologie: Ethik

Auer. Alfons: l nivultcthik Ein theologischer Beitrag zur ökologischen
Diskussion. 2. Aull. Düsseldorf: Patmos 1985. 326 S. 8.
Kart. DM 32.-.

Bisher ist die theologische Auseinandersetzung mit der ökologischen
Problematik weitgehend in Aufsätzen und Sammelbänden geführt
worden. Daß ein theologischer Autor versucht, allein in einem
Buch den gesamten Umfang der Themen zu erfassen und deren theologisch
-ethische Relevanz zu untersuchen, ist ein mutiges Unternehmen
, weil es zwangsläufig Kritik provoziert. Wer kann dieses immer
weiter ausufernde Gebiet sachgemäß aufgreifen und eine alle Interessen
befriedigende Antwort formulieren?

Alfons Auer, emeritierter Professor für Theologische Ethik an der
Katholisch-Theologischen Fakultät in Tübingen, nennt sein Buch
einen ..theologischen Beitrag zur ökologischen Diskussion" und verweist
darauf, daß sieh philosophische und theologische Ethik noch
„im Frühstadium der Problembewältigung" befinden. Er erinnert an
die Tradition der Weisheitsliteratur, der ..Ordnung in den Dingen"
(von Rad) nachzugehen und sie in den Horizont des Gottesglaubens
zu stellen. Heute ist dieses Sachwissen nur im Dialog mit anderen
Wissenschaften zu gewinnen. Daher entwickelt der Autor zuerst das
Modell eines ökologischen Ethos, bevor er nach der Bedeutung des
christlichen Glaubens dafür fragt. Er rechtfertigt diese Methode mit
der neuzeitliehen Autonomie der Wissenschaft, die nicht eine Ableitung
aus vorgegebenen Glaubenssätzen erlaubt. So vermittelt die
Theologie keine matcrial-ethischen Normen für das ökologische
Handeln, sondern neue Motivationen und „den kritischen und stimulierenden
Effekt der christlichen Botschaft".

In der Beurteilung der Situation lehnt Auer sowohl eine pessimistische
wie eine optimistische Prognose ab. Notwendig sind ein ökologisches
Bewußtsein und ein entsprechendes Handeln, durch die der
Mensch seine spezifische Verantwortung wahrnimmt, die ihm seine
Sonderstellung in der Natur verleiht. Nachdrücklich setzt sich Auer
für eine Anthropozcntrik im Verhältnis von Mensch und Natur ein:
„Die Natur kommt zu sich selbst nur im Menschen, nur in ihm erfüllt
sich ihr Sinn" (55). Das gestattet kaum, die Natur als Objekt anzusehen
oder sie als bloßes Mittel für die Zwecke des Menschen auszunützen
. „Wo der Mensch das Maß der Natur mißachtet, wird sein
Handeln nicht nur unnatürlich . . .. sondern auch unmenschlich"
(64).

Nach einem knappen Uberblick über die individuellen und sozial-
ethischen Handlungsfelder im Umweltschutz werden zwei exemplarische
Bereiche ausführlicher behandelt, die Gewinnung von Kernenergie
(105-135) und Vorstellungen von einer alternativen Wirtschaft
(136-187). Auer schließt sieh an C. F. von Weizsäckers Option für
einen vernünftigen Gebrauch der Kernenergie zu friedlichen Zwecken
an. Eine totale Sicherheil sei nicht zu erreichen, aber bei einer
Abwägung zwischen den schädlichen Auswirkungen und Risiken und
den zu erwartenden Gütern komme enteren geringeres Gewicht zu.
wenn die Verpflichtung zur Minimierung der Risiken eingehalten
wird. Für die Zukunft seien das Verfahren der Kernfusion und die
Gewinnung solarer Energie im großen Stil zu befürworten. Bei der
Erörterung von alternativen Wirtschaftsformen gehe es nicht um ein
„gegenökonomisches Konzept", sondern um die Aufwertung des vierten
und fünften Sektors, d. h. des informellen Bereichs der Wirtschalt
einschließlich der Hausarbeit mit ihrem stärkeren Maß an Eigenverantwortlichkeit
. Freilich wird dabei festgehalten, daß das nur innerhalb
der arbeitsteiligen Industriegesellschaft heute möglich ist und auf
deren Vorgaben angewiesen bleibt. Auer greift hier auf das traditionelle
Prinzip der Subsidiarität zurück, das aus der katholischen
Sozialethik bekannt ist.

Im letzten Drittel des Buches wendet sich der Autor der Relevanz
iles christlichen Glaubens für das ökologische Ethos zu. Der Analyse
der Umweltfragen wird nun im Sinne einer „Korrelation" mit den
Aussagen der Offenbarung Gottes begegnet. Das geschieht in einer
dreifachen Differenzierung: Der Glaube an die Erschaffung der Well
impliziert den Auftrag zum verantwortlichen Herrschen über die
Natur, der Glaube an die christozentrische Sinnbestimmung der
Schöpfung zielt auf die Verheißung für die Welt, die l ehre von der
Sünde impliziert die Warnung vor der Überschreitung des dem Menschen
gesetzten Maßes. So werden Schöpfungslehre, Christologie,
Eschatologie und Sündenlehre vom Autor entfaltet und aus ihnen
Gründorientierungen für das Handeln im ökologischen l eid abgeleitet
. Ans tiein Schöpfungsauftrag ergibt sich, daß „alle technische
Beherrschung der Natur im Dienste menschlicher Selbst Verwirklichung
stehen" muß (290). Die Verheißung in Jesus Christus gibt
dem Glaubenden Kraft, „den Auswirkungen menschlicher Torheit
und Überheblichkeit gegenüber gelassen zu bleiben" (294). Die Warnung
vor der Sünde macht dem Menschen deutlich, „daß ihm eine
Grenze gesetzt ist, und er muß in nüchterner Selbstbescheidung versuchen
, sie /u erkennen" (295).

Leider vermag der Autor mit diesen Ergehnissen nicht die Erwartungen
der Leser zu erfüllen, daß der christliche Glaube eine w irklich
stimulierende Kraft für das ökologische Ethos nachweisen könne.
..Daß das christliche Proprium in der ethischen Motivation wie in der
Entscheidung ethischer Sachfragen nur kümmerlich effizient wird"
(31). findet sich eigentlich auch in dieser Darstellung bestätigt. Vielleicht
sind von Auer zu hohe Erwartungen geweckt worden, und es
muß vom Theologen einfach zugegeben werden, daß das Prin/ip der
Verantwortung mit seinen Konsequenzen von der Theologie nur
unterstrichen, aber nicht überboten werden kann. 1 nu r neuartigen
Sicht von Schöpfungsglauben und Eschatologie steht zudem im Wege,
daß der Autor so nachdrücklich an der Anth'ropozentrik festhält und
das Reden von „Partnerschaft" oder „Kooperation" mit der Natur lür
sachlich unangemessen hält. Könnte nicht der von ihm stets verteidigte
Ansatz bei der Autonomie, „daß Gott die Kreaturen in ihr
Eigensein hinein freigesetzt hat. damit sie selber wirksam werden können
" (226). dahin ausgezogen werden, daß die Natur ein eigener Partner
im Handeln Gottes mit der Well ist? Dann ließen sieh eventuell
stärkere Argumente von der Theologie für ein ökologisches Ethos
gewinnen, als sie im letzten Teil dieses Buches geäußert werden.

Nach diesen kritischen Rückfragen soll jedoch ausdrücklich bemerkt
werden, daß vor allem der erste Teil des Buches in seiner Darstellung
der Situation und der ethischen Handlungsfelder von großer
Sachlichkeit und abgewogenen Stellungnahmen etwa im Streit um die
friedliche Nutzung der Kernenergie oder um alternative Wirtschalts-