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Ausgabe:

1987

Spalte:

917-919

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Titel/Untertitel:

Resurrectio mortuorum 1987

Rezensent:

Becker, Jürgen

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Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 12

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manchen Thesen einer politischen Theologie und exemplifiziert an
der Friedensdiskussion). Vielmehr befreit der Glaube, wie er speziell
auch in der Bergpredigt angesprochen und artikuliert wird, zu nüchternem
Besorgen des Heute - mit dem Wissen um die Zweideutigkeit
unserer ethischen Entscheidungen (1480, und gleichzeitig dazu, „die
endlichen Freuden" in ihrem Recht wahrzunehmen (148).

Ein Vergleich dieses schöpfungstheologischen Ansatzes mit
D. Solle und J. Moltmann liegt nahe. Verbindend dürfte die Einsicht
sein, daß Schöpfung ein gegenwärtiger Vorgang ist und daß sich in
diesem Vorgang Gottes Liebe und Barmherzigkeit erweisen; Heil ist
also nicht in einem personalistisch verengten Sinne auf die Christusverkündigung
beschränkt zu sehen. Die Differenz könnte durch die
Stichworte „zugesagte Welt" und „Welt, durch den Geist erneuert"
angezeigt werden. Mit Recht unterstreicht B„ daß der vom Zusagewort
Gottes erweckte Glaube die nichtmenschliche Welt staunend als
Gabe des errettenden barmherzigen Gottes entdeckt. Aber wird B. der
Tatsache ganz gerecht, daß Gottes Heiliger Geist eine die Welt verwandelnde
Macht ist, die bereits jetzt Inseln des Neuen entstehen läßt,
gewiß beim Menschen und seinem Glauben ansetzend, aber ausgreifend
auch auf seinen Umgang mit der nichtmcnschlichen Kreatur?
Ganz gewiß gibt es keine Evolution hin zu einer neuen Erde und
einem neuen Himmel. Der faktischen Warnung des Vf. vor falscher
Utopie im Blick auf die dunklen Seiten der Welt ist nur zuzustimmen.
Aber hat nicht unser ethisches Bemühen immer auch etwas mit dem
geistgewirkten Neuen zu tun, das Gott in dieser zu Ende gehenden
Welt, uns zu Trost und Heil, schaffen will? Im Sinne des geistgewirkten
Gehorsams kann die Sorge um die Schöpfung wohl nicht nur zur
Ebene des Gesetzes geschlagen werden. Das Reich Gottes ist nicht nur
im Glauben an das zugesagte Wort präsent, sondern auch in Zeichen
und Vorgängen, die sich der verwandelnden Macht des Geistes verdanken
und die in dem, was Luther das Regiment zur Linken nennt,
virulent sind (zu den Thesen 151 0-

Indem dies gesagt ist, bleibt indes dem Vf. zu danken für den Mut,
das weithin fremde Wort Luthers (und seiner Nachfolger) neu und
aktuell zu Gehör gebracht und in den verschiedenen Textinterpretationen
einen großen Reichtum an Einsichten erschlossen zu haben. Es
ist in der Tat ein entlastendes und Freude bereitendes Wort, das es da
zu hören gibt. Es kann uns helfen, Abstand zu nehmen von verunstaltendem
Mißbrauch der Schöpfung, und es kann uns in den Stand einer
Gelassenheit setzen, die das Staunen über die Güte Gottes, die trotz
aller verbreiteten und naheliegenden Skepsis alle Morgen neu ist,
wieder lernt.

Leipzig/Wien Ulrich Kühn

Greshake. Gisbert, u. Jacob Kremer: Resurrectio Vlortuorum. Zum

theologischen Verständnis der leiblichen Auferstehung. Darmstadt:
Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1986. XI. 399 S. 8*. Lw.
DM 59.-.

Wenn Excgeten und Systematiker aufeinander zugehen und gemeinsam
ein theologisches Problemfeld bearbeiten, erweckt das
immer besonderes Interesse. In diesem Fall sind der Neutestamcntler
J. Kremcr und der Dogmatiker G. Greshake nicht nur lange Zeit in
Wien Kollegen gewesen, sondern auch durch verschiedene Veröffentlichungen
zum Thema der Auferstehung bereits ausgewiesen. So darf
man erwarten, daß das vorliegende Werk ein reifes Produkt eines langen
Nachdenkens und eines um gegenseitiges Verstehen bemühten
Dialoges ist.

Zunächst beginnt J. Kremcr mit der Darstellung der „Auferstehung
der Toten in bibelthcologischcr Sicht" (S. 7ff). Er ordnet den StofT
dabei systematisch aufgrund von drei konstitutiven Aspekten des dogmatischen
Problems, nämlich unter dem Stichwort der „leiblichen
Auferstehung" (S. 1611), als Aspekt der „Errettung aus dem ewigen
Tod durch Jesus Christus" (S. 83IT) und als Frage nach dem „Zeitpunkt
der Auferstehung" (S. 11211). Innerhalb dieser drei großen

Abschnitte wird der Stoff gleichsam in konzentrischen Kreisen dargeboten
: Die dogmatisch „ergiebigen" Stellen werden zuerst als wichtiger
Innenkreis behandelt, dann sonstige neutestamentliche Stellen
mehr pauschal gesammelt (mittlerer Kreis) und als Außenkreis endlich
auf das Judentum und Israel geblickt (so besonders eindrücklich
der Aufbau von Kap. 2, S. 16ff). Solcher Aufriß verrät systematische
Vorentscheide. Denn es werden ja z. B. nicht etwa zunächst religionsgeschichtlich
die Bedingungen geklärt, unter denen das Urchristentum
redet (und zwar die israelitisch-jüdischen und die hellenistischen
!), damit danach die urchristlichen Aussagen als eigene konzeptionelle
Leistung aufgrund dieses Bedingungsgeflechts beschrieben
werden können. Sondern es wird auf die dogmatisch wichtigen Text-
stellcn unmittelbar zugegangen und alles weitere diesen abgestuft und
überblicksweise angefügt. Wer aber garantiert, daß damit das dem
Urchristentum selbst Wichtige angemessen zur Sprache kommt?
Warum wird im zweiten Hauptteil die Tradition chronologisch behandelt
, die Entwicklung im Urchristentum im ersten Teil aber nicht
in den Blick genommen?

G. Greshake strukturiert seine Ausführungen analog zum neutesta-
mentlichen Teil, fügt n ur ein Kapitel ein, nämlich zum Thema
„Glaube und Vernunft". So ergeben sich für seinen systematischen
Teil vier Abschnitte: Resurrectio mortuorum im Spannungsfeld von
l. Auferstehung des Leibes und Unsterblichkeit der Seele, 2. Glaube
und Vernunft, 3. Universalität und christologischer Vermittlung und

4. von Gegenwart und Zukunft. Wie bei Kremer, so ruht auch hier das
Gewicht auf dem Thema der leiblichen Auferstehung. Auch Greshake
tritt mit eindeutigen Vorgaben an das Thema heran. Es sind - auf
einen Nenner gebracht - klassisch katholische: Dazu gehört, daß die
Offenbarung des Neuen Testaments zum Stichwort „Auferstehung
der Toten" als noch polysemantisch verstanden ist und erst durch den
katholischen Traditionsprozeß evaluiert wird. Dieser Traditionsprozeß
wird als organologischcr Wachstumsprozeß verstanden (z. B.

5. 257; 2720, der zu diesem Thema im „Römischen Lehrschreiben
über einige Fragen der Eschatologie" vom 17. 5. 1979 seihen bisher
letzten Markierungspunkt besitzt (S. 255). Weiter erreicht er bei
Thomas von Aquin seinen Höhepunkt (S. 223ff; 258-260.267; 273).
Die Geschichte vor ihm läßt sich als „Vorgeschichte" auf ihn hin
ordnen und die spätere Geschichte nach ihm kann an ihm gemessen
werden. Konsequent wird außerdem die Reformation an den Rand
gedrängt und die Neuzeit durch globale Aburteilungen (S. 240-244)
qualifiziert. Einer der ganz wenigen Protestanten, die positiv zur Geltung
kommen, ist W. Pannenberg (S. 309f). Sonst sind nichtkatho-
lischc Äußerungen für die Darstellung überhaupt nur Randphänomene
. Natürlich verhalten sich dann auch Theologie und Philosophie
nach der Lehre von der analogia entis (S. 283f; 302ff; 369) zueinander
. Dies alles zeigt, daß Greshake betont eine gut katholische Position
vertreten will. Wer also eine weniger vorab positioneil festgelegte
Erörterung erwartet und z. B. auch eine gründlichere Aufnahme neuzeitlicher
philosophischer Strömungen und a/ithropologischer Konzeptionen
wünscht, wird nur sehr bedingt beim Autor etwas Entsprechendes
finden.

Wer so betont das Gespräch zwischen dem Neutestamcntler und
Systematiker fördern will wie dieses Buch, wird sich der Frage stellen
müssen, wie konkret und im einzelnen beide Forschungsgebiete verzahnt
werden. Dabei fällt generell auf. daß nirgends urchristliche
Äußerungen auch einmal so bedacht werden, daß sie die spätere
kirchliche Tradition kritisieren. Neues Testament und kirchliche
Tradition sind also einander harmonistisch zugeordnet. Wer sich dem
Urchristentum historisch nähert, wird zudem die sog. apostolischen
Väter nicht einfach zur kirchlichen Tradition zählen und aus der neu-
testamentlichen Erörterung ausschließen dürfen (vgl. S. 176IT), sondern
ihnen bei der Darstellung des Urchristentums neben den neu-
testamentlichen Schriften aus der nachapostolischen Zeit ihren Platz
einräumen müssen. Eine zweite Beobachtung analoger Art schließt
sich an: Die Gnosis ist nur als von den Kirchenvätern bekämpfte
Häresie aus der Alten Kirche erfaßt <S. 175tT). Für die neutestament-