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Ausgabe:

1987

Spalte:

912-914

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Parker, Thomas H. L.

Titel/Untertitel:

Calvin's Old Testament commentaries 1987

Rezensent:

Neuser, Wilhelm H.

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Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 12

912

theologischen Denkens in unverkennbarer Affinität zum „christlichdeutsch
", neokonservativ interpretierten Nationalsozialismus wird
kritisch entfaltet. Vergleiche u. a. mit Tillich und die Kontroversen
beider um den Kairos-Begriff im Blick auf 1933 werden angestellt. In
diesem Zusammenhang wird die historiographische Tragfähigkeit des
Begriffes „politische Theologie", die von K. Scholdcr für die theologische
Rezeption des Nationalsozialismus verantwortlich gemacht
wird, von Ericksen als inhaltsindifferente Hülse in Frage gestellt
(2520- Nicht immer ganz stringente Vergleiche der drei Theologen
Kittel, Althaus und Hirsch (z. B. 163, 256f, 270ff) kommen zu dem
Schluß, daß ihre - allerdings differente - antiaufklärerische Haltung
und Absage an die Moderne bei unterschiedlicher theologischer Position
im einzelnen der gemeinsame Nenner ihrer Demokratiekritik
und nationalkonservativen Parteinahme gewesen seien, wobei Hirsch
seine politische Haltung klarer durchdacht und der Krise der Moderne
philosophisch-geistesgeschichtlich mehr Reflexionen gewidmet
habe als Althaus und Kittel (241). Das hängt natürlich auch mit
Hirschs stärker geschichtsphilosophisch ausgeprägter Arbeitsthematik
zusammen. Ein Vergleich von Theologen - lebens- und werkgeschichtlich
im Blick auf Einstellungsverhalten und Reflexionsgestalt
ihrer Gegenwartsorientierung unter dem NS-System vorgestellt
- kann durchaus ertragreich sein, obwohl wirkliche Kongruenz
der Fragestellung wegen der differenten jeweiligen Lebenssituationen
und der wissenschaftlichen Prägung der einzelnen Exponenten
und ihrer verschiedenen Bestätigungsformen hier nicht voll erreicht
werden kann. Unausgeglichenheit der Beurteilungsmaßstäbe
vermittelt hin und wieder den Eindruck mangelnder Eindeutigkeit des
analytisch Ermittelten. Der pauschalisierende Untertitel, der offensichtlich
leserstimulierend gedacht ist, kann die fehlende Repräsentanz
der drei Theologen, die exemplarisch für die systematisch-theologische
Disziplin stehen, nicht ersetzen. Kittel war außerdem Neu-
testamentler, wenngleich zugestanden werden muß, daß der Autor
sich auf seine grundsätzlichen theologischen Gesichtspunkte aktualisierender
Geschichtstheologie stützt (bes. Judenfrage).

Ericksen, der Geschichte am Olympic College in Bremerton (USA)
lehrt, hat sich arbeits- und zeitaufwendig bei mehreren Forschungsaufenthalten
in der Bundesrepublik auch im Gespräch mit Theologen
und Zeitgeschichtlern um Klärung der theologie- und lebensgeschichtlichen
Sachverhalte von Kittel, Althaus und Hirsch bemüht.
Er versteht sein Buch auch als Gesprächsbeitrag zu der Frage, wie
theologische und politische Existenz sinnvoll in Beziehung gesetzt
werden können. Aktualisierende Fragestellungen machen das immer
wieder deutlich. Die drei behandelten Universitätstheologen genügen
sicherlich nicht, um die gesamte deutsche Universitätslheologie zu
verorten (vgl. 270). Insofern signalisiert die Arbeit eine Intensivierung
der Forschungsaufgabe im universitätstheologischen Bereich
schlechthin.

Leipzig KurtMcicr

Dogmen- und Theologiegeschichte

Schenke, Gesine [Hg.]: Die dreigestaltige Protennoia (Nag-Hammadi-
Codex XIII), hg., übers, u. kommentiert. Berlin: Akademie-Verlag
1984. XVII, 177 S. gr. 8- = Texte und Untersuchungen zur Geschichte
der altchristl. Literatur, 132. Kart. M 38,-.

Gesine Schenke ist schon im „Berliner Arbeitskreis für koptisch-
gnostische Schriften" bei der Veröffentlichung einer Übersetzung und
eines kurzen Kommentars zur Dreigestaltigen Protennoia in der
ThLZ99, 1974, 731-746 „federführend" gewesen. Sie hat diese
Studie zur Erlangung des theologischen Doktorgrades an der
Wilhelm-Picck-Universität Rostock im Jahre 1977 fortgeführt. Die
vorliegende Edition ist die überarbeitete Fassung dieser Dissertation.
Die Autorin bietet uns unter anderem eine Beschreibung des Manuskripts
in Übereinstimmung mit dem "Coptic Gnostic Library
Project" von Claremont (sie hat ihren Text mit dem der noch nicht
publizierten „Claremont-Fassung" vergleichen können und ihn „soweit
wie möglich dem amerikanischen" angeglichen) - was „Veränderungen
in der Übersetzung und im Register" nach sich gezogen hat.

Der fragmentarische Zustand der Handschrift nimmt dem Codex
XIII nichts von seinem Interesse. G. Schenke unterstreicht in ihrer
„Einleitung", daß sich die „Bedeutung speziell für die neutestament-
liche Wissenschaft an Rang mit dem Thomasevangelium durchaus
messen kann" - was nicht wenig besagen will! „Aufgabe und Ziel der
vorliegenden Arbeit ist es, diese Schrift durch eine kritische Textausgabe
nebst Übersetzung, ausführlichem Register und fortlaufender
Kommentierung des gesamten Wortlauts - bei der es darum geht, das
näher zu erläutern, was der Erklärung aus exegetischen Gründen
bedarf, und Bekanntes nur zu streifen - für die wissenschaftliche Verwendung
zu erschließen" (S. 3). Dieses Ziel hat sie vollständig erreicht
. Sie hat das Studium dieses Textes, der so wichtig für die neu-
testamentliche Exegese und insbesondere für die des vierten Evangeliums
ist, in erwägenswerter Weise vorangebracht.

Was den Text angeht: „Die Herstellung einer zuverlässigen
koptischen Textfassung wurde ermöglicht durch eine eingehende
Kollation des Originals in Kairo, die H.-M. Schenke in intensivem
Gedankenaustausch mit Ch. Hedrick besorgte" (ebd.). Kühner als wir
(vgl. unsere Editio prineeps in: Lc Museon 78, 1974, verbessert in der
Sammlung Bibliotheque de Nag Hammadi, Section Textes 4, 1978)
hat sich G. Schenke zahlreiche Konjekturen erlaubt. Wir sind im allgemeinen
sehr zurückhaltend im Blick auf Konjekturen, die oft sehr
gewagt sind! Aber man muß anerkennen, daß die Konjekturen der
hier besprochenen Edition solide begründet sind und einen großen
Schritt hin zum Verständnis der Dreigestaltigen Protennoia zulassen.
Die Autorin beweist viel Scharfblick und bezeugt eine profunde
Kenntnis der koptischen Sprache. Der Text ist gewissenhaft vervollständigt
und so viel lesbarer gemacht worden. Nur gegen Ende hin
bleiben einige große Lücken (S. 46 ff).

Im Hinblick auf den koptischen Text nimmt G. Schenke eine Übersetzung
A vor, die so wortgetreu wie möglich ist. Eine Übersetzung B-
sie ist mehr literarisch - geht einem äußerst reichhaltigen und sorgfältig
durchgearbeiteten exegetischen Kommentar voraus, der höchsten
Anforderungen entspricht. Der Band ist mit einer guten Bibliographie
und Arbeitsindex ausgestattet.

Die Parallelen zwischen der Dreigestaltigen Protennoia und dem
vierten Evangelium sind unleugbar. Sie haben ohne Zweifel nicht aufgehört
, die Kontroversen zwischen Exegeten des Neuen Testaments
und Gnosis-Spezialisten zu erregen. Jeder Exegct des vierten Evangeliums
muß den Text wenigstens konsultiert haben. Er stellt eine unerläßliche
und kostbare Reflexionsbasis dar, zumindest für die Kenntnis
des „Milieus", in dem das vierte Evangelium ausgearbeitet worden ist.
G. Schenke hat zweifellos nicht das letzte Wort über die „Protennoia"
gesprochen, aber sie hat ein neues Licht auf diesen dunklen Text geworfen
. Andererseits stellt sie bescheiden fest, daß „die wissenschaftliche
Bearbeitung der Protennoia noch am Anfang steht" (S. 4). Aber
es ist ein vielversprechender Anfang.

Montignies-sur-Sambrc Yvonne Jarnsens

Parker, T. H. L.: Calvin's Old Testament Commentaries. Edinburgh:
Clark 1986. VIII, 239 S. 8 geb. £ 14.95.

Der bekannte Calvinforscher läßt seinem Buch "Calvin's New
Testament Commentaries" ein weiteres über die Kommentare
Calvins zum Alten Testament folgen. In der Einleitung bemerkt der
Vf., daß er sich dieses Mal nicht mit den Bibekexten befaßt - er
skizziert nur kurz die Textausgaben der Zeit (S. 4-6) - sondern sich
inhaltlichen Fragen zuwenden will (S. I). Calvin nennt er den größten
unter den damaligen Auslegern des Alten Testaments, der wie eine