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Ausgabe:

1987

Spalte:

899-900

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Athanasius Alexandrinus, Der zehnte Osterfestbrief des Athanasius von Alexandrien 1987

Rezensent:

Strobel, August

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Seite 1

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899

Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 12

900

vertieften Verständnis dessen verhelfen, was christliche Kirche ist und
sein soll. Der Vf. geht davon aus, daß dafür ein Wissen um das Werden
und die Geschichte der Kirche hilfreich sei. Dieses erste Bändchen
behandelt das Werden der Kirche (bis etwa zu dem Konzil von
Chalkedon), ein zweites wird die gesamte folgende Geschichte der
Kirche bis an die Gegenwart heran darstellen, ein drittes abschließend
den Auftrag der Kirche heute und seine Realisierung zum Gegenstand
haben.

So hat das Gesamtwerk, das eine überarbeitete Übersetzung seiner
ursprünglich amerikanisch geschriebenen Arbeit durch den Vf. ist,
eine aktuelle theologische Absicht. Das ist auch diesem ersten Teil,
der sich vornehmlich mit der neutestamentlichen Situation beschäftigt
, abzuspüren. Er ist ganz auf die Darstellung der theologie- und
dogmengeschichtlichen Bedingungen des Werdens der christlichen
Kirche ausgerichtet, der Geschehensverlauf selbst tritt demgegenüber
stark zurück. Das Urteil des Vf. ist stark an der Tradition orientiert,
die Berücksichtigung der Sekundärliteratur charakteristisch begrenzt
.

Ein Anhang ist „Quellensammlung" überschrieben, bringt aber tatsächlich
kurze Auszüge aus moderner wissenschaftlicher Literatur zu
den zuvor behandelten Problemfeldern. Es mag sein, daß das Buch in
bestimmten Gruppen den Dienst verrichten kann, dem es gewidmet
ist.

Halle (Saale) Traugott Holtz

Lorenz, Rudolf: Der zehnte Osterfestbrief des Athanasius von Alexandrien
. Text, Übersetzung, Erläuterungen. Berlin (West)-New
York: de Gruyter 1986. VIII, 96 S. gr. 8" = BZNW, 49. Lw.
DM 44,-.

Diese neuerliche Edition des Briefes entstand aus dem Wunsch,
„den weithin unbekannten, vollständigen Wortlaut" zugänglich zu
machen, zumal auch die jüngste Arbeit von M. Albert (1975/76) herkömmlicherweise
nur den Text von W. Cureton (1848) voraussetzt.
Das fehlende Stück wurde indessen bereits 1854 von H. Burgess im
Anhang zu seiner Übersetzung der Festbriefe veröffentlicht.

Das empfundene Desiderat gab Anlaß, das Schreiben einer umfassenden
Untersuchung zuzuführen. Im einzelnen werden zunächst
verhandelt: der Vorbericht und die Überschrift (S. 3-7), die „Redaktionsprobleme
der Sammlung" (S. 8-19) und die „Ordnung und
Chronologie der Festbriefe" (S. 20-37). Sodann folgen „Text und
Übersetzung" mit der lichtbildlichen Wiedergabe der syrischen Handschrift
(add. 14 569) der British Library (S. 38-67). Endlich schließen
sich eine detaillierte Entfaltung des „Theologischen Gehaltes" und
eine „Würdigung des Briefes" an (S. 68-89). Eine Bibliographie
(S. 90-93) und verschiedene Register (S. 94-96) vervollständigen die
mit Akribie und Sachkenntnis gefertigte Ausgabe.

Einige Ergebnisse seien näher hervorgehoben. Nach der Überschrift
wurde der 10. Osterfestbrief im 54. Jahr der diokletianischen Ära, also
338 n.Chr., geschrieben. Angezeigt wird der Ostertermin (= Ostersonntag
) für den 26. März (30. Phamenoth). Im Rahmen einer
Tabelle, die die verschiedenen Sammlungen vergleicht, kommt es
u. a. gegen S. Sakkos zum Nachweis der Echtheit des 17. und
18. Schreibens. Seien diese auch nicht im eigentlichen Sinne „Festbriefe
", so doch eine Art „Sonderanweisungen" an die alexandri-
nischen Presbyter und Diakone aus gegebenem Anlaß (S. 19). Der Vf.
vertritt ferner gegen V. Peri die „Neubegründung der Jülicher/
Schwartz'schen Chronologie". Das will sagen, daß sich die Festbriefe
des Athanasius (von 328 bis 354 n. Chr.) entsprechend der Form ihrer
Fastenansagc in eine frühere und spätere Gruppe unterteilen lassen,
nämlich je nach Ausrichtung entweder auf die Karwoche (so die
Briefe 1-8) oder auf die Quadragesima (so die Briefe 9-26). Die
Annahme geht grundsätzlich dahin, „daß sowohl die dem Vorbericht
zugrunde liegende Sammlung als auch die Sammlung des .Syrers' auf
einer in theodosianischer Zeit veranstaltete Bestandsaufnahme und

auf deren (nach den Osterdaten erfolgten) Ordnung der Briefe fußen"
(S. 35). Sie konnte unschwer durch weitere Briefe ergänzt werden.
Doch weise insgesamt die verschiedene Gestaltung der Überschriften
auf Redaktionsprozesse hin, die heute im einzelnen nicht mehr
geklärt werden könnten.

Gelegentlich äußert der Vf. die Vermutung, „daß unter der jetzigen
Schrift (von add. 14 569) die Spuren syrischer Schrift sichtbar sind"
(S. 39). Wie die Dinge liegen, sollte der Sachverhalt im Original überprüft
werden.

Erfreulich ist die eingehende Würdigung des Inhalts mit seinen
sachlichen und theologischen Hinweisen. Es ist in der Tat merkwürdig
, mit welch zersetzender Kritik E. Schwartz immer wieder den
Gegenstand seiner im übrigen so glänzend durchgeführten wissenschaftlichen
Arbeit beurteilen konnte. Der Vf. geht im Gegensatz
hierzu einfühlsam der inneren Anlage des Briefes nach, besonders
auch dieses 10. Osterfestbriefes (S. 70-74), dessen Gedanken sich
primär um das traditionelle passatheologische Themawort des
„Durchzugs" oder „Durchganges" (lat. transitus; griech. Sidßaaic;)
bemühen. Die Eigenart des Vorgehens beruhe darin, daß der Weg der
Gemeinde und die Schicksalswende seit der Rückkehr aus der Verbannung
, die Athanasius vor kurzem erlebt hat, gleicherweise im
Lichte solcher Begrifflichkeit und Erfahrung ostertypologisch gedeutet
werden. Überhaupt lassen sich inhaltlich zahlreiche Bezüge zur
Theologie des alexandrinischen Bischofs herstellen, besonders auf
dem Gebiet der Erlösungslehre und derChristologie. Im Ansatz geraten
gelegentlich sogar die späteren Arianerreden in den Blick. Ergänzend
möchten wir darauf hinweisen, daß es überhaupt eine lohnende
Aufgabe wäre, die von dem Theologen besonders hervorgehobenen
Texte und biblischen Typen vom Hintergrund der damaligen österlichen
Lektionarslesungen zu verstehen. Man wird jedenfalls beachten
, wie sehr Athanasius seine homiletischen Ausführungen im voraus
auf die markanten Lesungen des österlichen Gottesdienstes abgestimmt
hat. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde das bischöfliche
Schreiben in der Osternacht vor der Gesamtgemeinde verlesen. Eben
diese Situation hat auch die gedankliche Durchführung bei der Abfassung
bestimmt. Zusammenfassend wird festgestellt, daß aus den Briefen
„nicht die Weihrauchwolke des Kultmystcriums" quelle; wohl
aber wehe darin „der nüchterne Atem rechtgläubiger Rede von Christus
" (S. 89).

So stellt diese Untersuchung nach Anlage und Inhalt insgesamt
mustergültig heraus, wie eine Edition der anspruchsvollen Osterfestbriefe
des Athanasius insgesamt gehalten sein sollte.

Druckfehler: S. I Z. 12; S. 6 drittletzte Z. (griech. T.); S. 27 Z. 3 (kopt. T.):
S. 43 Anm. 12 (griech. T.); S. 49 Z. 15 (griech. T.); S. 56 Z. 33 (griech. T.); S. 56
vorletzte Z.; S. 57 und 58 (fehlt: „§ 8 und §9"); S. 59 Anm. 46 (richtig:
«blasphemes»); S. 65 Anm. 53 (griech. T.); S. 73 Anm. 13 (griech. T.); S. 78
Anm. 38 (griech. T.); S. 89 Anm. 123 (griech. T.).

Jerusalem August Strobel

Kirchengeschichte: Mittelalter

Gerwing, Manfred: Malogranatum oder der dreifache Weg zur Vollkommenheit
. Ein Beitrag zur Spiritualität des Mittelalters. München
: Oldenbourg 1986. 312 S. gr. 8° = Veröffentlichungen des
Collegium Carolinum. 57.

Die hier vorgelegte Untersuchung erfüllt ein längst lalliges Desiderat
. Das Malogranatum (Mg.) gehört zu den hervorragenden asze-
tischen Werken des späten Mittelalters (M. A.). Wir werden zugleich
daran erinnert, der Bedeutung des „Religiösen" für die Entwicklung
der Geschichte des M. A. stärker als bisher nachzuspüren. Da das
„Kultursystem" des Mittelalters vor allem religiöser Natur war und
die Religion „der einzige wesentliche Faktor, der die Menschen von
der Mitte des 14. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts verband" (S. 35),
sollte sie in ihrer praktischen Ausübung, wie sie in den Werken der