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Ausgabe:

1987

Spalte:

68-70

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Titel/Untertitel:

Religiöse Erziehung und Glaubensentwicklung 1987

Rezensent:

Wegenast, Klaus

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Theologische Literaturzeitung I 12. Jahrgang 1987 Nr. 1

68

am Ende jedes Artikels helfen dem Leser jedoch, sich mit anderen
Texten und Meinungen zu beschäftigen. Wahrscheinlich werden dabei
über die hier im Vordergrund stehende individualethische Klärung
hinaus noch mehr sozialethische Zugänge zu diesem Problemfeld
gebraucht.

Leipzig Joachim Wiebering

Praktische Theologie:
Katechetik/Religionspädagogik

Hemel. Ulrich: Religionspädagogik im Kontext von Theologie und
Kirche. Düsseldorf: Patmos 1986. 196 S. 8-. Kart. DM 26,-.

Die wissenschaftstheoretische Abklärung dessen, was Religionspädagogik
(= RP) ist, gehört zu den gegenwärtig anstehenden Aufgaben
Praktischer Theologie. Ulrich Hemel, Akademischer Rat am
Lehrstuhl für Praktische Theologie der katholisch-theologischen
Fakultät in Regensburg, legt hierzu einen Beitrag vor, der in vier
Kapitel gegliedert ist.

In Kap. I ..Grundfragen der Religionspädagogik" wird zunächst
ein pointierter Überblick über Brennpunkte aus der Geschichte der
RP geboten. Sodann wird die Frage der rp Wissenschaftstheorie erörtert
. Hier definiert H. sein Verständnis von Religionspädagogik als
„Theorie religiöser Vermittlung" (S. 38). Mit dem Ausdruck religiöse
Vermittlung will er dabei „den [rp] .Text' und .Kontext' in religiöser
Erziehung und Bildung, in religiösem Lehren und Lernen sowie im
pädagogischen und didaktischen Handeln der Kirche" verstehen
(S. 380- Sodann geht H. die einzelnen Aufgaben- und Arbeitsfelder
durch. Interessant ist dabei, daß neben den klassischen Lernorten
Familie, Schule und Gemeinde auch die Öffentlichkeit als Lernort
angesprochen wird. Als weiteres Grundlagenproblem wird die Frage
von Religiosität und Religion erörtert. H. begreift Religiosität als die
auf Gott bezogene Weise menschlicher Freiheit (S. 53). Als Kennzeichen
eines rp Modells von Religiosität stellt H. folgende Dimensionen
heraus: (1) Religiöse Sensibilität, (2) religiöses Ausdrucksverhalten,
(3) religiöse Inhaltlichkeit. (4) religiöse Kommunikation und (5) religiös
motivierte Lebensgestaltung. Diesen Dimensionen werden folgende
rp Aufgabenstellungen zugeordnet: (1) Befähigung zur religiösen
Verantwortung, (2) Befähigung zur Übernahme religiöser Rollen,
(3) religiöse Bildung, (4) Förderung religiöser Sprachfähigkeit und (5)
Entfaltung eines religiös motivierten Ethos.

In Kap. 2 „Religionspädagogische Theorie und Praxis: Wissenschaftliche
RP und schulischer Religionsunterricht [= RU]" wird das
Ganze im Blick auf den schulischen RU konkretisiert. Zunächst werden
empirische Forschungen referiert, die bekannten theoretischen
Konzeptionen dargestellt und sodann der RU im Fächerkanon der
Schule reflektiert. Im Anschluß an eine Verhältnisbestimmung von
Theorie und Praxis wird die Frage des rp Handeln in Gemeinde und
Schule bedacht. G. Baudler hatte das rp Handeln in der Schule als
Erschließung der religiösen Dimension bestimmt und das katechetische
Handeln in der Gemeinde auf die Erschließung der Dimension
des Glaubens ausgerichtet. In Aufnahme und Differenzierung dieses
Modells kommt H. zu seiner eigenen Verhältnisbestimmung von religiöser
und Glaubensvermittlung. Er differenziert zwischen der wissenschaftlichen
Katechetik als Theorie der Glaubensvermittlung, die
auf Hilfestellung am Glauben abzielt und wissenschaftlicher Religionspädagogik
als Theorie der religiösen Vermittlung, die Hilfestellung
zur Entfaltung von Religiosität und zur Erschließung religiöser
Wirklichkeit bietet. Nur verschränkt H. die katechetischen und religionspädagogischen
Lernprozesse im Blick auf die Lernorte
Gemeinde und Schule. So sehr katechetische Lernprozesse schwerpunktmäßig
in der Gemeinde ihren Ort haben, so überschneiden sich
hier in der Praxis doch religionspädagogische und katechetische Lernprozesse
. Zugleich gilt, daß der vorwiegend religionspädagogische
Charakter des RU nicht ausschließt, daß in ihm auch katechetische

Momente wirksam werden können. Dieses differenzierende Verbindungsmodell
ermöglicht es, bisherige falsche Einseitigkeiten und
Frontstellungen weiterzuführen und so zu einer angemessenen Verschränkung
der Aspekte zu gelangen.

In Kap. 3 wird die ..Theologie als Horizont der RP" reflektiert.
Das Verhältnis zwischen der RP und den anderen theologischen Disziplinen
bestimmt H. im Rahmen seines Verständnisses von Theologie
als „Organisationsverbund theologischer Fächer". Er gibt dabei
einem hierarchischen Modell von Theologie den Abschied und plädiert
für ein Gesamtverständnis von Theologie, in dem die einzelnen
Arbeitsgebiete/Disziplinen sich arbeitsteilig entfalten im Bezug auf
ihre gemeinsame Mitte: Person und Botschaft Jesu Christi als dem
Ursprung und Ziel christlichen Glaubens (S. 128). Damit wird einem
Verständnis von RP als einer „Anwendungswissenschaft" der Systematischen
Theologie der Abschied gegeben, und es wird deutlich
gemacht, daß RP eigenständig erkennen und formulieren kann, was
Mitte und Inhalt des christlichen Glaubens ist.

In Kap. 4 ..Die Kirche als Horizont von RL' und RP" wird ein
Konzept von kirchlich bezogener RP skizziert, das die Kirchlichkeit
der RP als „kritisch-kreative Loyalität" (S. 188) bestimmt. Dementsprechend
kann die Betrachtung der Wirklichkeit im Licht des Glaubens
zur ernsthaften Kritik an zeitgenössischen Zügen und Erscheinungsformen
von Kirche führen. Kirchlichkeit als kritisch-kreative
Loyalität bedeutet daher auch. Wege zu zeigen, wie man seinen Glauben
in und mit der Kirche leben kann, ohne auf notwendige Korrekturen
und den Dienst der Kritik zu verzichten.

U. Hemel hatte bereits in seiner Dissertation „Theorie der Religionspädagogik
" (München 1984) gezeigt, daß er einen beachtenswerten
Beitrag zur wissenschaftstheoretischen Reflexion dessen leisten
kann, was RP meint. In dieser neuerlichen Veröffentlichung führt er
seine Überlegungen weiter und zeigt, welche Problemhorizonte zu
bedenken sind. Ich halte für wesentlich, daß hier noch einmal in aller
Deutlichkeit herausgearbeitet wird, daß RP mehr und anderes ist als
eine Anwendungstheorie systematischer oder biblischer Theologie.
Sosehr unter den meisten Vertretern der RP darüber Konsens besteht,
so wenig hat dies bislang allgemeine Anerkennung bei den Vertretern
anderer theologischer Disziplinen gefunden. Sonst könnte es z. B. seitens
der Systematischen Theologie nicht bestimmte Vorschläge zur
„theologischen Revision" rp Theorien geben. Innerhalb der jüngsten
katholischen Diskussion hat H. die Verhältnisbestimmung von rp und
katechetischen Lernprozessen vorangebracht, indem er ein differenzierendes
Gesamtmodell anbietet, das Schwierigkeiten bisheriger Verhältnisbestimmungen
zu vermeiden in der Lage ist. Auch für die evangelische
Diskussion um die Konturen einer Gemeindepädagogik
dürfte hier einiges zu lernen sein. Schließlich sind auch die Überlegungen
im Blick auf die Frage von Religiosität anregend und laden
zum weiteren Nachdenken ein - auch dies stellt ja ein noch nicht völlig
gelöstes Grundlagenproblem gegenwärtiger wissenschaftlicher RP
dar. Auch wenn der Hintergrund der Überlegungen H.s die schulische
und kirchliche Situation in der Bundesrepublik ist, bleibt zu prüfen,
ob nicht auch im Blick auf andere gesellschaftliche Konstellationen
die Zuordnung von rp und katechetischen Momenten in Lernprozessen
wichtig und für die Praxis anregend sein dürfte, damit die
gemeindlichen Lernprozesse dem differenzierten Zusammenhang von
Religion/Glaube und Gesellschaft angemessen erfaßt werden. Die
Veröffentlichung dürfte v . a. für all jene von Interesse sein, die an Fragen
der wissenschaftstheoretischen Abklärung von RP und ihrer Aufgabenstellung
interessiert sind.

Würzburg Gottfried Adam

Fraas, Hans-Jürgen, u. Hans-Günter Heimbrock [Hg.]: Religiöse
Erziehung und Glaubensentwicklung. Zur Auseinandersetzung mit
der kognitiven Psychologie. Erträge der 3. Internationalen Arbeitstagung
„Religionspädagogik und Religionspsychologie". Göttingen
: Vandenhoeck& Ruprecht 1986. 153 S. 8'. Kart. DM 19,80.