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Ausgabe:

1987

Spalte:

889-890

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Pismo Święte Nowego Testamentu 1987

Rezensent:

Rohde, Joachim

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Seite 1

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889

Theologische Litcraturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 12

890

sehe Judentum" heraus. "Judaism was born in the matrix of Christia-
nity"(l I).

Auf diesem Hintergrund ergibt sich die Neubestimmung der
Mischna und ihrer Stellung in der Geschichte der jüdischen Überlieferung
. Sie reproduziert das System der Lehrer des 2. und 3. Jh., sie steht
für das Judentum in einer Welt, in der das Christentum noch keine
Rolle spielt, sie erscheint als Transformation, die das priesterliche
Ideal in einer Zeit ohne heiligen Ort und heiligen Kult aufdie Gesamtheit
der Gemeinschaft überträgt (Tcmpelreinhcit auch außerhalb des
Tempels, jedes Mahl ein Kultmahl usw.).

Dem steht das System der Lehrer des 5. und 6. Jh. gegenüber, die auf
den Triumph des Christentums reagieren. Die Mischna selbst wird als
mündliche und zu memorierende Offenbarung an die Seite der Sinai-
Tora gestellt, diese wird soteriologisch zum Symbol für Israels Rettung
und wird teleologisch auf einen gegenchristlichen Messianismus
hingeordnet. Zeugnisse dieses Judentums sind der Jerusalemer Talmud
, die Midrasehim Sifra und Sifrc. Gen. und Lev. Rabba.

Ais cindrücklichcs Beispiel dafür, daß Neusners Meisterschaft in
der Arbeit am Detail auch im Rahmen eines großzügig angelegten
Entwurfs zur Geltung kommt, sei aufdie kleine Skizze über Rom in
der jüdischen Traditionsliteratur verwiesen (73-83). Nach der Konstantinischen
Wende begegnet die Stadt in Gen. Rabba 53,12.2:
56,1.1; 75,4,2-3 bei der Auslegung der Vätergeschichten unter den
Symbolfiguren Ismael und Esan, eine Verschlüsselung, die Mischna
und Toscfta noch nicht kannten. Es ist also das christlich gewordene
Rom, das unter den verworfenen Söhnen gleichsam als der verworfene
Teil des Gottesvolkes erscheint. Hcrmcneutisch bedeutsam ist der
Vergleich der Schriftzitierung bei Mt (vor allem 1,18-2.18: 3,1-3)
und in der Mischna bzw. den Midrasehim (89-106). Das Thema Symbolwechsel
als Transformation der Tora wird nicht nur phänomenologisch
sondern auch exegetisch an Hand von jer Erub 3.9; jer Taan
4,5; b. Hui 89a dargeboten (107-123).

Das Schlußkapitel mündet in Erwägungen zum jüdisch-christlichen
Problem ein. Auch unabhängig davon sollte das Gesprächsangebot,
das in diesem Werk enthalten ist, nicht gering geachtet werden. Refle-
xionen über die Konstantinische Wende, aber auch über das zweigeteilte
Gottesvolk treffen auf bereiteten Boden. Daß einerseits der
Tora, andererseits Christus die entscheidende soteriologische Funktion
zukommt (140), verdeutlicht exakt die Grenzen, die einem „Dialog
in der Wahrheit" gesetzt sind.

Wer in dem vorliegenden Werk die Summe von Neusners Forschungen
im letzten Jahrzehnt sieht, mag konstatieren, daß das
scharfe Differenzierungsvermögen, das zunächst in den Dienst der
Scheidung von Pharisäismus und Rabbinismus gestellt wurde, nun
angesetzt wird, um das klassische Judentum (der Talmude und Midrasehim
) vom Mischna-Judentum zu sondern. Dabei ergibt sich eine
nicht unbeträchtliche Verschiebung. Wir hatten Neusner zunächst so
verstanden, daß sich die eigentliche Wende in der Geschichte des
Judentums mit der Epoche nach 70 n. Chr. vollzog. Nach der neuen
judaistisch-kirchengeschichtlichen Synopsis bringt erst das Jh. nach
Konstantin den Übergang von der Formierung zur ..klassischen" Zeil.
Wer noch einmal genauer nachliest, wird freilich bemerken, daß der
Exegel Neusner hier dem Historiker bereits von langer Hand den Weg
bereitet hat.

Leipzig/ Halle (Saale) Wolfgang Wiefel

Neues Testament

Romaniuk. Ka/imicrz: Pismo Swictc NowegO Testaments w

Przeklad/ie / jeyyka Grcckicgo. Poznan-Warszawa: Wvdawnictwo
Pallottinum 1984.711 S.kl.8*.

In diesem Büchlein liegt eine neue Übersetzung des griechischen
Neuen leslaments in die polnische Sprache in dritter Auflage vor
(I. Aull. 1976.2. Aufl. 1978). in der gegenüber den beiden ersten Auflagen
einige wenige stilistische Verbesserungen sowie Veränderungen
bei den Drucktypen vorgenommen wurden. Ziel der Übersetzung ist
es, daß sie auch für den zeitgenössischen Leser verständlich ist, der
zum erstenmal zur Bibellektüre greift und dem die Welt des Neuen
Testaments mit ihrer Bcgrifflichkcit. ihren Bildern und Formulierungen
bisher fremd war. Zur Erleichterung des Verständnisses werden
der Übersetzung nötigenfalls Ergänzungen in Klammern zugefügt
sowie in einem Anmerkungsapparat Sacherklärungen biblischer Realien
, auch Hinweise auf alttestamentliche Stellen und neutestament-
liche Parallelen geboten.

Die Ausgabe enthält in der Einleitung Worte der Anerkennung des
damaligen polnischen Primas, des Kardinals Wyszyriski, für die große
Mühe bei der Erarbeitung dieser Übersetzung sowie ein Dankschreiben
aus dem Staatssekretariat des Vatikan im Namen des damaligen
Papstes Paul VI.

Der Übersetzung der einzelnen neutestamentlichen Schriften sind
knappe Einführungen vorangestellt, in der Einleitungsfragcn behandelt
werden, meist von einem konservativen katholischen Standpunkt
aus. Dabei wird in der allgemeinen Einleitung zu den neutestamentlichen
Schriften insgesamt neben ihrer heutigen Bedeutung ihre
göttliche Inspiricrtheit stark betont (S. 13).

Bei der Erörterung der synoptischen Frage wird anerkannt, daß das
Markusevangelium das älteste Evangelium und Grundlage für Matthäus
und Lukas gewesen sei. Im übrigen wird bei den einzelnen Evangelien
die frühchristliche Tradition über ihre Verfasser referiert und
hoch gewertet, z. B. die Überlieferung des Papias über Markus als
Dolmetscher des Petrus. Er wird gleichgesetzt mit dem Johannes Markus
der Apostelgeschichte. Lukas als Verfasser der Apostelgeschichte
und des dritten Evangeliums gilt als Arzt und bei den Wir-Berichten
der Apostelgeschichte als Reisebegleiter des Paulus. Als den Verfasser
des vierten Evangeliums, der drei Johannesbriefe und auch der Offenbarung
Johannis sieht der Vf. den Zcbedäus-Sohn und Jesusjünger
Johannes an, der die Offenbarung am Ende seines Lebens geschrieben
habe. Alle 13 Briefe unter dem Namen des Paulus führt er auf den
Völkerapostcl zurück. An der paulinischen Verlässerschaft des
Hebräcrbriefcs wird zwar nicht direkt festgehalten, aber doch noch
damit gerechnet, daß er durch jemand im Auftrag des Paulus verfaßt
worden sei, der mit den theologischen Anschauungen des Paulus gut
bekannt gewesen sei (u. a. Lukas. Barnabas. Apollos als mögliche Verlässer
genannt). Er sei noch vor der Tempelzerstörung verfaßt. Die
katholischen Briefe werden direkt auf Apostel zurückgeführt, d. h. der
Jakobusbrief nach traditioneller katholischer Ansicht auf den
Alphäus-Sohn (Die Existenz eines Herrenbruders .lakobus wird damit
zugleich verneint.), beide Petrusbriefc auf den Säulenapostel, während
beim Judasbrief die Festlegung des Konzils von Trient über den Verfasser
(Bruder des Alphäus-Sohnes Jakobus) zitiert wird, die R. aber
nicht unbedingt zu teilen scheint.

Zwei entstellende Fehler sind in den Einleitungen zu einzelnen
neutestamentlichen Schriften stehengeblieben: Zum Hebräerbrief
wird S. 585 als möglicher Verfasser Clemens von Alexandria genannt
(gemeint ist der Verlässer des I. Clemensbriefes), und als Empfänger
des dritten statt des zweiten Johanncsbrielcs wird S. 618 die „auserwählte
Herrin" genannt.

Alles in allem: Zwar eine moderne Übersetzung des Neuen Testaments
in die polnische Sprache, auch eine Erleichterung des Verständnisses
für den Leser durch erläuternde Anmerkungen, aber zu
Einleitungsfragen doch w eitestgehendes Beharren auf einem konservativen
, durch Entscheidungen der Bibelkommission vorgeprägten
Standpunkt, der letztlich auch nicht dadurch überwunden wird, daß
in einem Anhang (S. 703-708) Auslührungen unter der Überschrift
„Literarkritik des biblischen Textes" gemacht werden, in denen der
Vf. die redaktionsgeschichtliche und traditionsgeschichtliche Forschung
kurz charakterisiert, ihnen auch positive Seiten abzugewinnen
vermag, sie aber in sein vorgegebenes {System einzuordnen sucht
(bestimmt durch die Gedanken der Inspiration und Unfehlbarkeit).
Berlin . Joachim Rolulc