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Ausgabe:

1987

Spalte:

886-888

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Schedl, Claus

Titel/Untertitel:

Zur Theologie des Alten Testaments 1987

Rezensent:

Reventlow, Henning

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Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 12

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noch in der Bearbeitung der Deuteronomisten. Im Prinzip sind diese
Sachverhalte der neueren alttestamentlichen Wissenschaft durchaus
bekannt (vgl. R. Smend, Die Entstehung des Alten Testaments). Neu
ist nur die konsequente und durchgängige Anwendung in der Auslegung
eines ganzen biblischen Buches. Hier hat W. zuweilen eigene
Wege gehen müssen, so daß auch die Zuweisung dieser oder jener
Stelle zu einer Redaktion von ihm selber verantwortet wird. Daß hier
keineswegs alles sicher ist, zeigt ein Blick in die gegenwärtige Forschung
. Ja, der Autor korrigiert sich selber an einigen Stellen, z. B. in
der Bestimmung von IKön 6,1 an (491, Anm. 13) und lKön 19,1-18
(230, Anm. 21). Doch das ist nicht das Problem. Bei der Annahme so
differenzierter Redaktionen liegt die eigentliche Schwierigkeit, die bis
heute noch nicht befriedigend gelöst werden konnte, im Mangel an
überzeugenden Kriterien. Dabei ist gewiß nicht strittig, daß der
Deuteronomismussich des Könige-Buches redaktionell angenommen
hat. Ob dies aber in dieser Breite und Differenziertheit geschehen ist,
wie der Vf. annimmt, muß angefragt werden. Einleuchtend ist, daß der
Gebrauch bestimmter Termini und theologischer Gedanken für die
Erfassung der deuteronomistischen Redaktion geltend gemacht werden
können. Problematisch bleibt jedoch, wenn jede Theologisie-
rung in einem Text als deuteronomistisch deklariert wird. So gewiß
z. B. IKön 19 literarisch außerordentlich kompliziert ist, so wenig
ist zwingend aus dem Text zu erheben, daß die Uneinheitlichkeit auf
verschiedene Deuteronomisten zurückgeht. In der Literatur ist gerade
Tür dieses Kapitel der deuteronomistische Anteil an seiner Gestaltung
relativ gering eingeschätzt worden. Die literarische Letztgestalt eines
thematischen Textzusammenhanges (wie z.B. IKön 19,1-18) und
deren Votum scheinen den Kommentator nicht zu interessieren. Aufgrund
seiner Sicht der behandelten Texte billigt W. dem Könige-Buch
nursehrgeringen historischen Quellenwert zu.

Der Leser wird begrüßen, daß W. am Ende des 2. Teilbandes eine
Art Einführung zu seinem Gesamtkommentar anfügt („Uberblick
über das Gesamtwerk" 485-504), in welchem er die einzelnen Deuteronomisten
beschreibt, auf die nordisraelitischen Erzählungen eingeht
, die Deuteronomisten ihrer Konzeption eingegliedert haben,
eine Überlieferungsgeschichte des Könige-Buches zu beschreiben versucht
und die theologischen Aussageabsichten kennzeichnet. W. kann
in dem theologisch-kerygmatischen Bemühen der Deuteronomisten
nur den Versuch erkennen, die geschichtliche Situation des alttestamentlichen
Bundesvolkes nach der babylonischen Katastrophe von
587 v.Chr. zu bewältigen. Es werden die Möglichkeiten und Bedingungen
eines Weiterlebens aus der Geschichte heraus gemäß der
Überzeugung der Deuteronomisten aufgezeigt. W. lokalisiert Entstehung
und Wirksamkeit des dtr Könige-Buches in Palästina, speziell
im benjaminitischen Mizpa. Anhangsweise folgt eine Übersicht über
das Rahmenschema von DtrG sowie eine Zeittabelle der israelitischen
und judäischen Könige, in welcher nebeneinander die chronologischen
Berechnungen nach Begrich-Jepsen, Andersen und Thiele
aufgeführt sind. Vor der Auslegung findet sich eine Literaturliste, die
gegenüber der des 1. Teilbandes erweitert ist. Ein ausführliches
Inhaltsverzeichnis verschafft dem Leser eine guten Zugang zu dem
Gesamtwerk.

In der Fachwelt wird die Vollendung der Auslegung des Könige-
Buches durch Ernst Würthwein begrüßt. Es liegt eine solide, sachkundige
und in sich geschlossene Kommentierung vor, die eine gute
Basis für die Arbeit an diesem biblischen Buch sein kann. Man muß
dem Autor Bewunderung und Dank für diese hervorragende Leistung
zollen. Ob allerdings der Nichtfachmann mit diesem Kommentar
etwas anfangen kann, bleibt fraglich. Doch stellt sich diese Frage nicht
nur gegenüber der Ausarbeitung von Ernst Würthwein.

Leipzig Siegfried Wagner

1 E. Würthwein: Das Erste Buch der Könige. Kap. 1-16. Göttingen 1977 (s.
ThLZ 104. 1979.503).

Coggins, Richard J., and S. Paul Re'emi: Israel among the Nations. A

Commentary on the Books of Nahum and Obadiah by R. J. Coggins
and Esther by S. P. Re'emi. Grand Rapids: Eerdmans; Edinburgh:
Handsei Press 1985. X, 140 S. 8'= International Theological Commentary
, 6. Kart. £ 4.95.

Das Ziel der Reihe International Theological Commentary ist lt.
Vorwort, eine theologische Auslegung des Alten Testaments zu bieten
unter Berücksichtigung des Zusammenhangs mit dem Neuen Testament
. Da sich die Reihe an Prediger und Erzieher richtet, soll die Darstellung
allgemeinverständlich sein, aber es ist offenbar die Absicht
der Hgg., daß der wissenschaftliche Charakter der Auslegung dadurch
nicht beeinträchtigt werden soll.

Die drei Bücher, die hier unter dem Titel "Israel among the
Nations" zusammengefaßt sind, sind sehr verschiedenen Charakters,
so auch die Kommentare. Coggins Auslegung der beiden Prophetenbücher
ist wissenschaftlich genau und zeugt von einer guten Einsicht
in die Probleme. Jede Einzelheit des Grundtextes wird ausführlich diskutiert
, und man wird in den meisten Fällen bereit sein, dem Vf. in seinen
Darlegungen zu folgen. Es fragt sich aber, ob nicht einige Ausführungen
dem des Hebräischen nicht Kundigen Schwierigkeiten bereiten
werden. Die Frage der literarischen Abhängigkeit von anderen
Prophetenbüchern wird sehr umsichtig behandelt und damit beantwortet
, daß bei Nahum kultprophetische Sprache zugrunde liege, bei
Obadja vieldeutige anonyme Orakel, die hier auf Ninive angewandt
worden seien. Es wird davor gewarnt, aus solchen allgemeinen Wendungen
weitgehende historische Schlüsse zu ziehen. Die Auslegung ist
in allen Hinsichten als zuverlässig zu empfehlen.

Der Estherkommentar von Paul Re'emi ist sehr kurzgefaßt und
trägt außerdem Spuren einer eingehenden Beschäftigung mit Arbeiten
, die die Historizität des Buches in allen Einzelheiten verteidigen
wollen. Zwar begnügt sich der Vf. mit der allgemeinen Feststellung,
daß das Buch einen historischen Kem hat, aber in seiner Bemühung,
die Ereignisse unter Artaxerxes II. zu datieren, erhebt er manchmal
unsichere Vermutungen zu historischen Wahrheiten. Dabei kommen
zahlreiche Ungenauigkeiten und sogar Widersprüche vor. Vasthi wird
S. 106 mit Amestris, der Gemahlin des Xerxes. identifiziert, S. 117
heißt sie Stateira (mit der unklaren Quellenangabe "following the
Chronicler"), und Esthers zweiter Name, Hadassa, wird mit Atossa.
dem Namen der Mutter des Xerxes, zusammengestellt. Der Name
Esther wird teils mit lschtar (die nicht Merkur, sondern Venus ist!),
teils als „Stern" interpretiert, was das persische Wort siara voraussetzt
(S. 118). Die beiden Erklärungen schließen einander aus. lschtar und
Marduk werden als persische, nicht als babylonische Gottheiten vorgeführt
. Offenbar hat sich der Vf. um die reiche Sekundärliteratur bemüht
, ohne zu den Quellen zu gehen. Die theologische Auslegung beschränkt
sich, wenn man von einigen guten Hinweisen auf alttesta-
mentliche Parallelen absieht, auf allgemeine Wendungen wie „Gott
vermag die Hilflosen und Schwachen zu retten" und „keine menschliche
Macht kann Gottes Plan hindern" u. dgl.

J. Jeremias Buch „Kultprophetie und Gerichtsverkündigung" erscheint
sowohl S. 32 als auch in der Bibliographie als Kulturpro-
phetie.

Lippsala Helmer Ringgren

Schedl, Claus: Zur Theologie des Alten Testaments. Der göttliche
Sprachvorgang. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1986. 248 S. 8".
Kart. DM 38,-.

Durch den Tod des Vf. am 19. 6. 1986 ist dieses Werk, das postum
erschien, zum letzten Opus des Grazer Orientalisten und Bibelwissenschaftlers
geworden. C. Schedl ist vor allem bekannt geworden durch
seine „logotechnische" Methode: den Versuch, die Baumodelle biblischer
Texte durch das Abzählen von Wörtern einer Texteinheit, das
Zählen von Zeilen und die Aufschlüsselung des Zahlenwertes von
Buchstaben angeblich im Text (des Codex Lcning adensis und des
Aleppo-Codex) enthaltener Schlüsselwörter zu ergründen.' Auch in