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Ausgabe:

1987

Spalte:

66-67

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Titel/Untertitel:

Wörterbuch der ökologischen Ethik 1987

Rezensent:

Wiebering, Joachim

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Theologische Literaturzeitung I 12. Jahrgang 1987 Nr. 1

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wo die Intention - der in kürzester Frist folgende und jenen ersetzende
zweite läßt das erkennen - offenkundig die ihr gemäße Explikation
sucht, aber noch gründlich verfehlt. Im oben gebrauchten Bilde:
Der Fluß führt in der neuen Richtung noch eine Unmenge das Wasser
verunreinigender Fremdelemente mit. - Das Buch endet mit dem
Fazit, daß doch auch die mit der Göttinger Vorlesung vollzogene erste
dogmatische Durcharbeitung ..der Objektivität Gottes in Jesus Christus
im Entscheidenden noch nicht entspricht" (230), daß also die
Intention weiter auf der Suche blieb und die Wendung zur „Kirchlichen
Dogmatik" von dcr(weitcrhin identischen) Intention her innerlich
notwendig war.

Dem ist i;ewiß zuzustimmen. Doch ist hierdic von I. Spieckermann
so verdienstlich eingeführte Unterscheidung von Intention und Explikation
auf ihr eigenes Buch anzuwenden: Wehe, wenn die letztgenannte
, in dem knappen Schlußteil (226-231) nur eben angedeutete
Explikation (entgegen der deutlichen Intention des Ganzen) so verstanden
würde, als sei nun nach der ..Mcthodcnrev ision". also in der
„Kirchlichen Dogmatik". Barths breit in die „konkrete Inhaltlichkeit
" (229) ausgreifende Explikation mit seiner Intention cinfachhin
deckungsgleich geworden! Wäre es so. so könnte Barths Frühwerk als
bloßer Anmarsch eigentlich ruhig der Vergessenheit anheimgegeben
werden, und I. Spieckermann hätte sich und uns die Mühe von dessen
Analyse ersparen können. Nein: Gerade die etwas dürre und formalistische
Gestalt, in die sich die Intention in der dogmatischen Frühphase
kleidet, dürfte ihre bleibende Funktion haben als nicht zu vergessender
, beharrlieh insistierender Hinweis auf jene Mitte, die auch
in der breit ausgreifenden letzten Explikation stets intendiert ist und
jede Explikation auf sich hin relativiert - im Sinne des erstaunlichen
Monitums, das Barth bereits 1932 auch an die eigene Adresse gerichtet
hat: „Es steht aber zu befürchten, daß wir insgesamt im Begriff
stehen, viel zu positiv zu werden" (KD l/l, 168).

Es wäre ein Jammer, wenn die so fruchtbare Distinktion von Intention
und Explikation, mit der uns das Buch beschenkt, durch
Beschränkung auf die darin beschriebene Zwischenphase (von der
Wasserscheide bis dahin. WO der Muß breit und ruhig dahinströmt)
gleich wieder außer Kraft gesetzt und nicht in ihrer (für jenes Wegstück
eindrücklich erwiesenen) Fruchtbarkeit weiter erprobt würde.
Daß man dabei kein vom Theologen souverän handhabbares Instrument
in die Hand bekommt, liegt in der Intention selbst (in derjenigen
Barths wie der seiner kongenialen Interpretin I. Sp.). Das kommt zum
Ausdruck in der heilsamen Relativierung, der auch der Begriff „Intention
" selber unterliegt: „Wie kämen wir denn da/u. auch nur zu .meinen
', was hier (sc. mit dem Wort „Gott") gemeint wird, und zu .intendieren
', was hier intendiert werden müßte?" (K. Barth. KD 11/1. 210;
vgl. 2570.

Daß man die Vfn. an diese Grenze ihrer eigenen Begrifflichkeit
nicht erst zu erinnern braucht (während das Gros der Barth-Interpreten
dieser Erinnerung gar sehr bedürftig wäre), beweist jede Seite
ihres Buches. Der größte unterdessen vielen Vorzügen dürfte der sein,
daß in der unverkennbaren Leidenschaft, mit der die Rekonstruktion
von Barths Denkweg zwischen 1909 und 1925 vorgenommen wird,
unschwer eben die Leidenschaft w iederzuerkennen ist, die der Antrieb
von Barths eigenem Denken war.

Basel Hinrich Stocvesandt

' Anzunehmen, der nicht seltene Fall, dal) in 6 oder mehr Druck/eilen das
grammatische Subjekt eines Satzes umkreist wird, bevor man in der 7. oder
8. das Prädikat findet, spiegele das von der Vfn. so eindringlich herausgearbeitete
Faktum, dat) Barths Großtat wesentlich in der Entdeckung der Suhjekthaf-
tigkeit Gottes besteht. - das anzunehmen wäre doch wohl eine tolle Form von
analogia entis (einer Denkfigur, gegen die Barth, wie die Vfn. zeigt, schon lange
in Opposition war. bevor er ihren Namen kannte).

1 Als fatales Fehlurteil wird denn auch (46IV. 57IT. 63. 72.99) die verbreitete
Meinung erwiesen. Barths Abkehr vom theologischen Liberalismus entzünde
sieh an oder drücke sieh aus in seiner Hinwendung zur sozialen f rage und zum
(religiösen) Sozialismus. Diese vollzieht sieh v ielmehr mnerhalh der ..selbstverständlichen
(st . liberalen) Voraussetzung der in der religiös-crlcbcndcn Subjektivität
unmittelbar-realen Synthese von Gott und Mensch" (72)-ein Urteil, das
sich z. B. an Barths in der Gesamtausgabe veröffentlichten Predigten von 1913
und 1914 oder an seinen (demnächst erscheinenden) Aufzeichnungen zum
Konfirmandenunterricht vielfach erhärten ließe. Es sei dankbar vermerkt, daß
C. van der Kqoi, De denkweg van dejonge Karl Barth, Diss. Amsterdam 1985,
47f zu demselben Ergebnis kommt, wenngleich seine Untersuchung - die denselben
Zeitraum behandelt wie die I. Spieckermanns - im übrigen keine vergleichbarklaren
Kriterien herausarbeitet.

Systematische Theologie: Ethik

Stoeckle. Bernhard [Hg.]: Wörterbuch der ökologischen Ethik. Frei-
burg-Basel-Wien: Herder 1986. 159 S. kl. 8° = Herderbücherei,
1262. DM 8,90.

Vom gleichen Hg. und in ähnlicher Anlage wie das „Wörterbuch
Christlicher Ethik" (vgl. ThLZ 103, 1978, 220ff) ist in der Herderbücherei
ein „Wörterbuch der ökologischen Ethik" erschienen, das
auf das gestiegene Interesse an Fragen des Umgangs mit der natürlichen
Umwelt antworten soll. Der Hg.. Moraltheologe an der Universität
Freiburg im Breisgau. betont in der Einführung, daß es vor allem
darum geht, .jenen Schadstoffen, von denen der Innenbcrcich des
Menschen betroffen worden ist, Herr zu werden (besser hieße es: jener
Schadstoffe - Rez.). Dazu bedarf es keiner neuen Technologien, dazu
ist einzig und allein notwendig die Bereitschall jedes einzelnen Menschen
zu innerer Umkehr und Läuterung der beschädigten Psyche"
(S. 9). Dieser Ansatz der Umweltethik führt dazu, daß unter den Stichworten
des Wörterbuches auch anthropologische Begriffe erscheinen,
die mit der ökologischen Thematik in nur losem Zusammenhang stehen
(Angst. Mensch. Tod). Daneben enthält das Wörterbuch eine
Reihe von Artikeln, die Grundinformationen zu den Themen Atom.
Evolution. Krieg. Technik, Wissenschaft geben, wobei der Primat der
Ethik hervorgehoben wird: „Natur- und Ingenieurwissenschaften
sagen uns nur. was wir tun können, nicht aber, was wir tun sollen und
dürfen. Der Mensch hat Macht über die Natur gewonnen, was er aber
nicht ausreichend beherrscht, das ist seine eigene Macht" (S. 122). Die
speziellen Artikel zu Umweltthemen (z. B. Energie, Ökologie. Schadstoffe
, Pflanze. Tier. Wald) können die Vielfalt der Informationen und
Probleme nur summarisch nennen.

An dieser Stelle bewährt sich, daß der Hg. eine Reihe v on Naturwissenschaftlern
vor allem von der Frciburgcr Universität zur Mitarbeit
herangezogen hat. Freilich klingen deren Auskünfte keineswegs so
alarmierend, wie man das vielleicht erwartet. Das entspricht der
Absicht der Verfasser, einer „Panikmache" und einer ..Dänionisierung
der Wissenschaften" entgegenzutreten. So heißt es am Schluß des
(recht knappen) Artikels zum Thema Umwelt: „Es besteht Hoffnung,
daß auch Wirtschaft und Technik, ohne die die heutige Menschheit
nicht überleben kann, in menschenwürdigen Formen organisiert werden
können" (S. 138). Die Erwartung alternativer Energien wird
gedämpft (S. 46), und die friedliche Nutzung der Kernenergie als „sauberste
Art von Energieerzeugung" und als „ungefährlich und damit
verantwortbar" bezeichnet (S. 26). So wird durchweg auf einen
bedeutsamen Umgang mit Ressourcen und auf umweltfreundliche
Technologie gesetzt, aber nicht auf einen dramatischen Stop der bisherigen
Entwicklung.

Das Buch dient mehr der schnellen Orientierung als einer tieferdringenden
Reflexion, aber das ist wohl bei einem Taschenbuch so
schmalen Umfangs nicht anders zu erwarten. Eine Auseinandersetzung
mit anderen ethischen oder religiösen Konzeptionen (wie sie
etwa in G. Tcutschs „Lexikon der Umwcltcthik". Göttingen'Düsseldorf
1985 geführt wird) findet nicht statt. Mit erheblichem Anspruch
wird vertreten: „Wenn der Mensch samt dem ihm eigenen und anvertrauten
Kosmos überleben will, bedarf er unbedingt religiös-transzendenten
Rückbczuges" (S. 87). Über eine Kooperation bei unterschiedlichen
ethischen Wertsystemen wird nicht nachgedacht, und
dadurch verliert das Buch an Überzeugungskraft. Literaturangaben