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Ausgabe:

1987

Spalte:

844

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Bieritz, Karl-Heinrich

Titel/Untertitel:

Das Kirchenjahr 1987

Rezensent:

Adam, Adolf

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 11

844

ökumenischer Weite. - Es folgen Aufsätze zu Problemen ökumenischer
Theologie, „Variationen über CA VII" (91). Im Zusammenhang
der Bemühungen um engere Gemeinschaft innerhalb der EKD
steht der Artikel über „Grund und Grenze der Kirche". Hier wird der
Grundgedanke der ökumenischen Konzeption des Vf. besonders
deutlich: Einerseits wird die Rechtfertigungslehre gegenüber allen
„theologischen Explikationen" als der ausreichende Grund kirchlicher
Einheit herausgestellt, andererseits wird unter Bezugnahme auf
die Anthropologie (eine wichtige Rolle spielen dabei die „Gemeinschaftsbezüge
des biblischen Heilsverständnisses" - 106) eine aktuelle
Interpretation eben dieser Rechtfertigungslehre angestrebt. In ähnlicher
Weise wird in den Arbeiten über die „Ekklesiologischen Konsequenzen
der Leuenberger Konkordie" (zehn Jahre nach Leuenberg
geschrieben) und in dem Aufsatz zu den Lima-Texten (Die größere
Gemeinschaft) argumentiert. Den Abschluß des zweiten Teils bilden
zwei Aufsätze, die sich mit dem Verhältnis zur röm.-kath. Kirche beschäftigen
: „Gemeinsames Abendmahl?" (zum Konsensusdokument
„Das Herrenmahl") und „Christliche Freiheit als Problem zwischen
Lutheranern und Katholiken". Nach theologiegeschichtlichen und
anthropologischen Ausführungen werden Abhängigkeit von Institutionen
und Ablehnungjeglicher Institution gleichermaßen alsGefähr-
dungen der Freiheit bezeichnet. - Der dritte Teil des Buches („Glaube
als Praxis") wird durch einen Aufsatz über „Luthers Lehre vom Gesetz
und die christliche Ethik" unter dem Titel „Gegen das Verhängnis
glauben" eröffnet: Glaube an die Rechtfertigung bedeutet, gegen
den „Verhängniszusammenhang" von Gesetz und Sünde „anzu-
glauben" (157). Dieser Glaube ist angesichts vieler „düsterer Prognosen
über die Zukunft der Menschheit" (156), die den Spielraum
ethischen Handelns immer kleiner werden lassen, besonders wichtig. -
Mit dem „Neuen Bild der Ehe in der evangelischen Theologie" beschäftigt
sich die nächste Arbeit: neu ist, daß die Ehe nicht mehr vorrangig
unter dem Gesetz, sondern unter dem Evangelium, als „gnädige Gabe
eines geschichtlichen Lebensvollzuges" (174) begriffen wird.

Bisher unveröffentlicht war der Beitrag „Gemeinschaft im Evangelium
" (zur Kirchlichkeit des Kirchentages). Vordem Hintergrund des
„großen Traditionsabbruches" (176) wird nach den theologischen
Kriterien für die Kirche (CA VII) gefragt und nach aktueller Verkündigung
des Evangeliums. (Es soll „Bedingungen für das Gelingen
menschlichen Lebens" anzeigen, 182.) Schließlich findet sich im
dritten Teil des Buches noch eine Arbeit über „Theologische Konzeption
und Gemeindeleitung im Spiegel theologischer Schulen", eine
Auseinandersetzung mit dem aktuellen Pfarrerbild und der Darstellung
der Kirche in der Gesellschaft. - Den Abschluß bildet ein kurzer
Beitrag unter der Überschrift „Manifest der Zuversicht", in dem die
politische und soziale Aktualität der Bergpredigt herausgestellt wird.-
Tatsächlich ein weiter Bogen, der in den Aufsätzen des Buches gespannt
wird. Überall ist das Gespräch mit der Zeit und ihren Problemstellungen
im Gange; und überall sind die Grundaussagen lutherischer
Rechtfertigungslehre Argumentationsgrundlage. Eindrucksvoll
ist die Kontinuität, die sich in all den Arbeiten zeigt, wobei freilich
die Frage nicht unterdrückt werden kann, ob nicht gerade auch
für das ökumenische Gespräch CA VII (auch noch mit eindeutiger
Akzentuierung der Evangeliumsverkündigung - das Stichwort Verwaltung
der Sakramente tritt demgegenüber deutlich zurück) eine zu
schmale Basis ist. Das ändert aber nichts daran, daß im theologischen
Gespräch unserer Tage die Stimme von W. L. zu denen gehört, auf die
zu hören nützlich ist.

Werdau Friedrich Jacob

Barth. Hans-Martin: Das Wirken des Heiligen Geistes durch Wort und
Sakrament. Zur Pneumatologie der Confessio Augustana (Luther 58. 1987,
85-98).

Dalferth. Ingolf U.: Mythos. Ritual. Dogmatik. Strukturen der religiösen
Text-Welt (EvTh 47,1987,272-291).
Krotke. Wolf: Trinität (DieChristenlehre 40.1987,195-203).

Praktische Theologie: Allgemeines

Bieritz. Karl-Heinrich: Das Kirchenjahr. Feste, Gedenk- und Feiertage
in Geschichte und Gegenwart. Berlin: Union Verlag 1986. 271
S.8Pp.M 14,80.

Dieses Buch hebt sich von anderen Werken gleicher Thematik dadurch
ab, daß es „sowohl die evangelische wie auch die katholische
Praxis berücksichtigt" (Vorwort S. 19). Insofern kann es der Vf. mit
Recht ein ökumenisches Buch nennen. Für den geschichtlichen Hintergrund
und die Darstellung des katholischen Kirchenjahres konnte
er sich auf die neueren Werke dreier katholischer Autoren stützen, auf
die er laut Vorwort immer wieder dankbar zurückgegriffen hat.

So ist eine Art Synopse der Kirchenjahrsgestaltung der getrennten
Christen entstanden, die auch die Ostkirchen, insbesondere die orthodoxen
Kirchen, des öfteren einbezieht. Dabei wird eindrucksvoll,
deutlich, wie viel Gemeinsames die Christen des evangelischen und
katholischen Bekenntnisses verbindet, besonders was die beiden
großen Festkreise, vor allem die Feste Christi, betrifft. Dies gilt insbesondere
hinsichtlich der vom II. Vatikanischen Konzil initiierten Reformen
wie auch für neuere evangelische Ordnungen, etwa das evangelisch
-lutherische Agendenwerk und das neue Lektionar von 1978.
Es ist deutlich zu spüren, wie man sich bemüht, in der Sache einander
näher zu kommen.

Erfreulich ist, daß auch dem Brauchtum große Aufmerksamkeit geschenkt
wird. Auf Interesse stößt sicher auch das letzte Kapitel des vierten
Teiles, wo auf 10 S. „ökumenische Heilige" vorgestellt werden.

Das Buch gliedert sich in vier Teile:

I. Festzeiten und Festtage

II. Der Osterfestkreis

III. Der Weihnachtsfestkreis

IV. Der Festkreis der Heiligen.

Diese vier Teile sind in 22 durchgezählte Einzelkapitcl gegliedert.

Der Rez. hätte es begrüßt, wenn man den Sonntag als den Urfciertag
des christlichen Kirchenjahres nicht als letztes Kapitel des ersten,
mehr allgemein gehaltenen Teiles behandelt, sondern als selbständigen
Teil eingebaut hätte. Gleiches wünschte man sich auch für den
Zeitraum nach dem Osterfestkreis bis zum Adventsbeginn, der als
letztes (11.) Kapitel des zweiten Teiles („Osterfestkreis") unter dem
weniger glücklichen Titel „Folgefeste und Folgezeiten" beschrieben
wird. In diesen verselbständigten Abschnitt sollte aus sachlichen
Gründen das 21. Kapitel des vierten Teiles („Kreuzerhöhung und
Kirchweihfeste") hineingenommen werden.

Ansonsten muß man anerkennen, daß der Vf. die Überfülle des
Materials, wenn auch in gestraffter Form, gut in den Griff bekommen
hat. Dies gilt auch für den Aufweis der geschichtlichen Entwicklung,
die für den NichtSpezialisten ausreichend erhellt wird.

Dem Rez. ist einiges aufgefallen, was bei einer Neuauflage korrigiert werden
sollte: S. 29. 3. Zeile muß es heißen: in vier Nachtwachen. S. 62. Mitte rechts:
Die neuesten katholischen Liturgiebücher sprechen nicht mehr vom zweiten
Zwischengesang, sondern vom „Ruf vor dem Evangelium". S. 126, letzte Z..:
Der Ausdruck „Vergottung Christi" ist, weil mißverständlich, nicht glücklich.
S. 145, 4. Z. v. u.: Die Elcvation des Kelches entstand viel später als die der
Hostie. S. 150, Mitte: Statt „Hcrz-Jesus-Frcitag" muß es heißen ..Herz-Jcsus-
Fest". S. 169. Mitte: Der Ausdruck .,Menschenamt" ist der römischen Liturgie
unbekannt. S. 211, 8. Z.: Maria Heimsuchung bildet nicht die Oktav des Ge-
burtsfestes des Täufers, sondern fallt auf den Tag nach seiner Oktav. S. 236.
11.Z.: statt 1964 muß es heißen 1954.

Diese kleinen Ausstellungen wollen in keiner Weise die Qualität
dieses empfehlenswerten Buches mindern. Es ist geeignet, vielen interkonfessionellen
Mißverständnissen und Vorurteilen überzeugend zu
begegnen. Darüber hinaus vermag es Verständnis und Hochschätzung
der Liturgie zu fördern, die ja eine der wesentlichen Lebensäußerungen
christlicher Kirchen neben der Verkündigung (Martyria) und tätiger
Liebe (Diakonia) ist und bleiben wird.

Mainz AdolfAdam