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Ausgabe:

1987

Spalte:

811-812

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Ritt, Hubert

Titel/Untertitel:

Offenbarung des Johannes 1987

Rezensent:

Karrer, Martin

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Seite 1

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81 I

Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 11

812

Martin vermag 2Kor 1-9 als eine literarische Einheit zu begreifen.
2 Kor 10-13 indessen nur als Teil eines eigenen Briefes. Freilich sieht
M. die Gewaltsamkeit, den „Vierkapitelbrief" mit dem „Tränen-
brief (2Kor2,4) zu identifizieren und setzt ihn daher, wie Windisch
und andere Exegeten in neuerer Zeit (Bruce, Barrett. Furnish) nach
2Kor 1-9 an. In der Tat dürfte das bei einer Briefteilung die einzig
angemessene Lösung sein; sie ist nur dadurch belastet, daß sie sich
kaum in die erkennbare weitere Geschichte des Apostels mit seiner
Gemeinde einfügen läßt. M. geht den literarischen Fragen sorgfältig
nach, ein eigener Exkurs ist der Geschichte des Problems gewidmet.
Auch der gewiß schwierige Abschnitt 2Kor 6,14-7,1 gehört zum
ursprünglichen Brief; M. übersieht die Probleme, die er aufgibt, nicht,
sondern versucht sie durch die Annahme zu lösen, daß Paulus -
vielleicht nach einer Pause bei der Abfassung des Briefes (S. xliv) -
einen Text essenischen Ursprungs aufnahm und überarbeitet an dieser
Stelle seinem Brief in Verfolg seiner Argumentation seit Kap. 5 einfügte
. "It is not a digression but a logical developmcnt" (S. 195). Ob
man die Herkunft vorgeprägter Stücke, die Paulus gelegentlich seinen
Briefen einfügt, noch so genau bestimmen kann (und soll), ist mir
allerdings fraglich.

Der Kommentar zum Text ist gründlich und ausgewogen-, auch in
der Auseinandersetzung mit der Literatur. Man folgt dem Vf. weitgehend
mit Zustimmung, immer mit Gewinn, auch da, wo man ihm
nicht beizupflichten vermag (wie z. B. da. wo M. die paulinische
Kollekte für Jerusalem mit der cschatologischen Völkerwallfahrt zum
Zion in Zusammenhang bringt). M. hat einen gewichtigen Kommentar
zu einem schwierigen biblischen Buch vorgelegt, der die gebührende
Beachtung finden sollte. Die Kommentarreihe hat eine erfreuliche
Bereicherung erfahren.

Halle {Saale) Traugolt Holtz

Ritt, Hubert: Offenbarung des Johannes. Würzburg: Echter 1986.
123 S. gr. 8° = Die Neue Echter Bibel. Neues Testament, 21.
DM 28.-.

Über längere Zeit eher am Rand neutestamentlicher Kommentierungen
stehend, erfreut sich die Johannesoffenbarung im letzten
Jahrzehnt eines verstärkten Forschungsinteresses. Erst 1984 bündelten
die Kommentare Jürgen Roloffs (ZBK 18) und Ulrich B. Müllers
(ÖTK 19) den Forschungsfortschritt tür ein breiteres deutschsprachiges
Publikum. Der 1986 folgende, hier anzuzeigende Kommentar
H. Ritts ist von der Reihe „Die Neue Echter Bibel" her an die von den
deutschsprachigen katholischen Bischöfen autorisierte „Einheitsübersetzung
" gebunden und muß auf eine explizite Literaturauseinandersetzung
im Fortgang verzichten. Doch sucht Ritt mit beiden
Vorgaben den souveränen Umgang, scheut so gelegentliche Übersetzungskritik
nicht (z.B. zu 11,15) und stellt S. 14f ein bei aller
Knappheit gut ausgewähltes Literaturverzeichnis voran, in das er
erfreulicherweise auch wichtige kunstgeschichtliche Monographien
aufnimmt.

Was die Einleitungsfragen angeht, kann Ritt sich zunächst auf einen
derzeit recht breiten Forschungskonsens stützen: Die noch bis weit in
unser Jh. angefochtene zeitgeschichtliche Auslegung hat sich in Verbindung
mit einer Datierung der Apk auf den Vorabend einer erwarteten
domitianischen Christenverfolgung (um 95) historisch-kritisch
durchgesetzt, und die Autorschaft eines Johannes (1,1 u. ö.) gilt
inzwischen unumstritten als orthonym, auch wenn Identifizierungen
mit anderen urchristlichen Namensträgern scheitern. Innerhalb dieses
Rahmens löst Ritt die Apk von der johanncischen Tradition, ordnet
Johannes dagegen einem ursprünglich palästinischen, nach 70 in die
Provinz Asia ausgewanderten Prophetenkreis zu, den er mit einer
breiten, gleichwohl vom Text nicht notwendig abgedeckten, Forschungslinie
in 22,9.16 angeredet sieht.

Seine wichtigste Entscheidung trifft Ritt, indem er „die Offb auf
Schritt und Tritt von einem apokalyptischen Darstellungswillen

geleitet" sieht (S. 8) und dafür kennzeichnend eine Geschichtsbetrachtung
erachtet, die „unmittelbar vor der Katastrophe", dem
Zusammenbruch der Weltgeschichte, „die ,Wende' zum Heil" entdeckt
(S. 6, Zitate hervorgehoben). Damit bezieht er in der gegenwärtigen
Apokalyptik-Diskussion, die ansonsten eher zu Vorsicht bei
einer solchen Gattungsdefinition und -Zuordnung neigt, prononciert
Stellung und stellt zugleich die Weichen für seine Auslegung. Die
Konturen einer negativen Weltsicht des Johannes läßt er scharf hervortreten
- Domitians Verehrungsanspruch erscheint als „Greuel"
(S. 7). Antipasals Märtyrer (zu 2,13), der Staat im Bild der Kap. 13:17
als satanisch. Den Gegenpol dazu bildet eine Orientierung der
Christen aufs Heil hin, die Ritt näherhin als Wegweisung zur ..gelobten
Hoffnung" (ein Wort, das in der Apk übrigens fehlt), zu „Gotl-
vertrauen durch den Christusglauben" (S. 23), auffaßt. Denn Gott
setze sich durch, indem er für die Seinen Heil schaffe und für die
Gegner Recht im Gericht setze. So ermutige gerade das Strafgericht
über die Gottesfeinde die Christen zu Treue und Hoffnung (S. 84 fu. ö.
zu Kap. 17-20). Das habe auch innergcschichtliche Akzente, wie sich
namentlich im Herrschaftsbild von 20.1-6 zeige, das aber - und hier
spiegelt die Spannung der Auslegung die Spannung des Textes - nicht
als Begründung für einen Chiliasmus dienen dürfe. Die Heilsbilder
von 21,1-22,5 gelten der christlichen Gemeinde und enthalten als
Komplement noch immer den Ausschluß alles „Unreinen" (21.27).
ein Ton, den Ritt dadurch verstärkt, daß er 21,24 nicht auf eine
Wende der vormals gottfeindlichen Könige der Erde (vgl. 19.19)
bezieht, sondern als allgemeines „Sinnbild" für die Freuden der
Geretteten interpretiert. Entsprechend hält Ritt in 22.6-21 den Ruf
nach dem Kommen Jesu und den universalen Gnadenwunsch
(22,20f) nicht für einen die Dualität Heil-Gericht (22.I4f.18f) überbietenden
Heilsakzent.

So entsteht ein in sich geschlossenes Bild der Apk als „apokalyptischen
" Werks, das beeindruckt und vielleicht in Krisensituationen
tröstet, aber nicht die einzige Intcrprctationsmöglichkcit darstellt und
in der uneingeschränkten Gerichtsannahme für die Gottlosen theologisch
beunruhigen muß. Schade, daß die knappe Anlage des Kommentars
Ritt auch keine nähere Auseinandersetzung mit der Judenkritik
der Apk (zu 2,9:3,9), ihrem Staatsbild oder den Konsequenzen
seiner korrekten Gottesvolk-Dcutung der Frau von Apk 12 für die
katholische Mariologie erlaubte.

Insgesamt liegt ein bei aller Knappheit anregender Kommentar vor.
Gegenüber den eingangs genannten Kommentaren Roloffs und Müllers
wird er freilich kaum einen leichten Stand haben.

Erlangen Marlin Karrer

Rodenberg, Alfons: Jesus der Mensch. Ein Fragment. München:
Kösel 1986. 96 S. 8". geb. DM 18,-.

Kaum überschaubar ist die Zahl der Schriften, in denen der
jüdischen Gemeinschaft zugehörige Autoren die Gestalt Jesu von
Nazareth würdigen, ihre Stellung zu ihm und seinen Platz innerhalb
des Judentums zu bestimmen suchen. Ganz selten hingegen sind
Zeugnisse von Juden, die sich bewußt für das Christentum entschieden
haben und deshalb bereits auf Grund ihrer Biographie eine spezifische
Sicht erwarten lassen. Alfons Rosenberg, der 1942 (katholisch)
getauft wurde und Jahrzehnte in der Schweiz lebte, gehörte in diesen
Kreis. Er hat, kurz bevor er 1983 verstarb, seinem Verlag ein als
Fragment bezeichnetes Manuskript übergeben, das erst jetzt (nach
verständlichem Zögern) der Öffentlichkeit vorgelegt wird. Es birgt
Überraschungen auch für den, der bei diesem Vf., der als Vertreter
eines von der analytischen Psychologie beeinflußten religiösen Humanismus
galt, auf eine unkonventionelle Betrachtungsweise gefaßt
war.

Die pointiert formulierten Thesen werden auf Widerspruch stoßen.
„Jesus ist kein Fortsetzerder Botschaft des Alten Testaments" (8). Der
Versuch einer Heimholung Jesu in den Bereich des Judentums