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Ausgabe:

1987

Spalte:

807-808

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Chilton, Bruce

Titel/Untertitel:

Targumic approaches to the Gospels 1987

Rezensent:

Maier, Johann

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Seite 1

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807 Theologische Literaturzeitung I 12. Jahrgang 1987 Nr. 11

Judaica

Chiltun. Bruce: 1 argumic Approaches to the Gospels. Essays in the
Mutual Definition of Judaism and Christianity. Lanham-New
York-London: University Press of America 1986. XII. 188 S. 8' =
Studics in Judaism.

Elf Aufsätze, davon sechs bereits publizierte, mit zwei Appendices
und einer Einleitung bilden ein thematisch durch die Bezugnahme auf
die Targumim bewerkstelligte Einheit, wenn auch keine in sich
geschlossene Studie. Die Einleitung (S. 1-1 I) skizziert die Position
des Autors in der Geschichte der Targumtradilioncn-Verwertung für
die Interpretation des NT und da wieder speziell der Worte Jesu,
wobei die beiden Buchpublikationen zu beachten sind, die der Autor
auf diesem Gebiet bereits geleistet hat: ThcGIory of Israel. The Thco-
log> and Provenicncc ofthe Isaiah Targum. Sheffield 1982: A Gali-
lean Rabbi and His Bible. Jesus' usc of the interpreted Scripture of his
time. Wilmington 1984. Obwohl der Vf. betont, daß er nicht die
Targumim. wie sie uns vorliegen, so weit zurückdatiert, sondern von
Traditionen spricht, die in den Targumim erhalten sind, bleibt für
einen strikt historisch-philologisch orientierten Leser bei aller Bewunderung
des Scharfsinns und der Umsicht des Autors doch stets die
Frage offen, ob dergleichen wirklich solche Datierungen erlaubt. Die
Targumim bezeugen in erster Linie rabbinische Auslcgungstraditio-
nen und diese sind en detail zunächst von ihren rabbinischen Vorstellungskontexten
(z. T. sogar von mittelalterlichen) her zu interpretieren
. Rückschlüsse auf vor-rabbinischc Traditionen, erleichtert
dadurch, daß man Jesus als „Rabbi" deklariert, sind da und dort auf
dem Hintergrund frühjüdischer Zeugnisse zwar möglich, doch fehlt
dabei meist die Kenntnis des Vorstellungskontextes, die uns die rabbinische
Literatur in ihrer Fülle immerhin gewahrt. Mit solchen und
ähnlichen Einwänden befaßt sich die Einleitung, und die folgenden
Einzeluntersuchungcn zeigen, daß der Vf. seinen Weg zu verteidigen
und auszubauen versteht.

I. "Amen": an Approach through Syriac (iospels (S. 15-23 =
ZNW 69. 1978, 203-21 I). 2. Isaac and the Second Night: a Considc-
ration (S. 25-37 = Biblica 61. 1980. 78-88). 3. Rccent Discussion of
the Aqcdah (S. 39-49). Randlesarten im Cod. Reuchlinianus zu
Jes33,7 bezeugen Einfluß der rabbinischen Aqedah-Auffassung
(Gen 22) auf Targumim. 4. The Temple in the Targum of Isaiah
(S. 51-61). hebt die Bedeutung der tcmpeloricntierten messianischen
Geschichtsschau in den Targumim hervor. 5. Shebna. Eliakim. and
the Promisc to Peter (S. 63-80). zu Targ. Jes 22.22. das auf die
Situation und auf die Ansichten über den Tempel vor 70 n.Chr.
bezogen wird, was ein LichtaufMt 16.19 werfen kann. 6. John XII 34
and Targum Isaiah LH 13 (S. 81-84 = NT 22, 1980. 176-178). 7.
Gottesherrschaft als Gotteserfahrung. Erkenntnisse der Targum-
forschung für den neutestamentlichen Begriff ..Königsherrschaft
Gottes" (S. 85-97). Der Targum-Befund gibt dem theologischen Sinn
des Begriffs gegenüber dem christologischen den Vorzug. Was im
Rahmen rabbinischer Tradition ja selbstverständlich ist. daher m. E.
gerade nicht den beabsichtigten Beweis erbringen kann. 8. Rcgnum
Dci Dcus est (S. 99-107 = SJT 31, 1978. 261 -270). 9. Jesus, the King
and His Kingdom (S. 109-112). Kritik an modernen Versuchen einer
Sozialrevolutionären Deutung Jesu. 10. Targumic Transmission and
Dominica! Tradition (S. 113-135 = aus R. T. Francc/D. Wcnham,
Gospcl Perspectives I. Sheffield 1980, 21-45). II. A Comparative
Study ofSynoptic Development: The Dispute between Cain and Abel
in the Palestinian Targums and the Bcclzcbul Controvcrsy in the
Gospcls(S. 137-149 = JBL 101. 1982.553-562). Appendix I: Bibliographische
Ergänzungen zu ..Die Muttersprache Jesu" von Matthew
Black (S. 153-162): Appendix 2: Sennacherib: a Synoptic Relation-
shipamong Targumim of Isaiah (S. 163-177). Zu Targ. Jes I0,32fim
Vergleich mit bSanh95a-b. Hier wären noch andre rabbinische
Traditionen heranzuziehen gewesen, selbst schon Joscphus. Bell. V.
§3871". welche die eschatologische Aktualisierung der anmaßenden

SOS

Könige der Vergangenheit, u. a. eben Sanherib. bezeugen. Besonders
massiv im Seder Elijahu Rabba. abcrauch in der Megillal Jerachmcel.
was die andauernde Aktualität bis ins Mittelalter hinein beweist: Es
richtet sich gegen „Rom". S. 179ff enthält einen Index moderner
Autoren, leider fehlt ein Stellen- und ein Sachindex. Für Ncutesta-
mcntlcr ein sehr interessantes Buch, wenn auch sicher kein unumstrittenes
.

Köln Johann Maier

Neues Testament

Reicke. Bo: The Roots of the Synoptic Gospeb. Philadelphia. PA:
Fortrcss Press 1986. X. 191 S. gr. 8°.

Schon im Vorwort sagt R. (verst. 1987) unmißverständlich, wie er
sieh die Lösung des synoptischen Problems vorstellt. Er will nach den
historischen Wurzeln des synoptischen Materials und hier besonders
nach der Bedeutung der mündlichen Überlieferung fragen, nicht aber
nach irgendwelchen literarischen Quellen der Evangelien wie etwa
Proto-Lukas. Urmarkus oder Q und dessen Vorlagen. Denn letzteres
habe bisher immer nur zu einander widersprechenden Theorien
geführt, während bei ersterem immerhin allgemein anerkannt werde,
daß es unter den ersten Christen lange vor Abfassung der Evangelien
mündliche Traditionen gab und daß diese später in jenen benutz)
wurden. Um diese mündliehe Überlieferung habe man sieh zwar in
Form- und Traditionsgeschichte gemüht, aber eben nicht ausreichend
. Unter der Voraussetzung, daß die lebendige mündliche Überlieferung
nicht nur in die schriftlichen Evangelien eingegangen ist.
sondern auch ihre Struktur beeinflußt hat. will R. deshalb das gesamte
synoptische Material untersuchen, um herauszufinden, auf welcher
Grundlage und wo sich mündliche Traditionen bildeten und ausbreiteten
und von welchen Personen die Evangelisten ihr Material
übernahmen. M. a. W.: Man müsse den empirischen Umständen und
den konkreten historischen Beziehungen von der Entstehung der
mündlichen Traditionen über ihre Weitergabe durch Tradcnlen bis
hin zu ihrer Aufnahme in den schriftlichen Evangelien nachgehen,
dann könne man das synoptische Problem lösen - so lautet dann das
Ergebnis des 1. Kapitels über die Geschichte der Diskussion über die
synoptische Frage (" I. History ofthe Synoptic Discussion". I -23).

Im ein/einen verfährt R. so. daß er sieh zunächst in zwei Kapiteln
mit der Verteilung und dem Ursprung des synoptischen Materials in
den Evangelien beschäftigt ("2. The Distribution ofthe Material"
24-44: "3. The Origin ofthe Synoptic Material". 45-67). dann in
drei Kapiteln dieses Material selbst untersucht ("4. Pari I: Christ's
Birth. Childhood. and Baptism". 68-83: "5. Part II: Jesus inGalilee
and Adjacent Countrics", 84-115: "6. Part III: Jesus in Transjordan
and Jerusalem", 116-149) und sieh schließlich den ..Redaktoren"
Matthäus, Markus und Lukas zuwendet ("7. Matthew. Mark, and
Luke as Rcdactors". 150-189). Leiderwerden am Schluß die Ergebnisse
nicht zusammengefaßt. Man findet dort nur einen kurzen "Index
of Ancicnt Writers Quotcd as Witnesses" (191); weitere Register
gibt es nicht, auch ein Literaturverzeichnis fehlt, wohl deshalb, «eil R.
sieh mit Ausnahme des I. Kapitels so gut wie gar nicht auf Sekundärliteratur
bezieht. Inhalt und Ergebnisse dieses Buches ersehließen sich
also nur dem, der es auch wirklich liest.

Für R. löst sich das synoptische Problem durch eine modifizierte
Traditionshypothese: Statt mit einem mündlichen Urevangelium (wie
etwa Gieseler) rechnet er mit einer Vielzahl von unabhängigen, frei
umlaufenden und ungeordneten mündlichen Traditionen, aus denen
die einzelnen Evangelisten aufgrund des „Prinzips von Angebot und
Nachfrage" (29) ihre schriftlichen Evangelien formten. Dieses Prinzip
erkläre besser als jede Bcnutzungshypothesc. warum bei Matthäus.
Markus und Lukas dreierlei Formen von synoptischem Material
begegneten (Stoff, den alle drei haben: Stoff, den zwei haben: Stoff,
den nur einer hat). Was die Frage nach dem Ursprung des synop-