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Ausgabe:

1987

Spalte:

802-804

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Rendsburg, Gary A.

Titel/Untertitel:

The redaction of Genesis 1987

Rezensent:

Blum, Erhard

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 11

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seits der „seit dem 18. Jahrhundert umstrittene(n) Hauptfrage" (TGT
S. 13), ob G1 oder die längere G2 in bezug auf das hypothetische ..Original
" des Buches als primär zu beurteilen sei. Sie wird bekanntlich
auch in den modernen Übersetzungen und Kommentaren verschieden
gelöst.

Einzelne Beobachtungen zur Priorität von G2 gegenüber G' bzw. für
die Annahme bewußter Änderung durch G1 scheinen zunächst nicht
immer überzeugend (z. B. Nr. 7.8 auf S. 29 TGT und die Annahme
einer weiteren Vorlage von G1 außer G2, durch die die Art der Textverbesserung
von G1 in 7,1-9a doch nicht unbedingt „besser verständlich
" [S. 31] wird). Die Gesamtheit aller mitgeteilten Einzelbeobachtungen
und auch Wahrscheinlichkeiten fügt sich aber letztlich
auf dornenvollem Weg zu einem Zwischenergebnis zusammen,
dessen zurückhaltende Formulierung nicht zuletzt auch durch den
darin spürbaren Verzicht überzeugt (S. 37): „Der literarische Vergleich
der beiden Textformen ergibt, daß sich die Priorität der einen
Textform gegenüber der anderen nicht nachweisen läßt.. ., daß aber
grundsätzlich die Erklärung der Textform G' als bewußte, vor allem
auf Textkürzung ausgerichtete Bearbeitung der Textform G2 größerer
Wahrscheinlichkeit besitzt."

Obwohl dieser Befund von der Tendenz zur Bewahrung des Überlieferten
her, wie sie sich im kanonischen Schrifttum beobachten läßt,
zunächst wie eine eher befremdliche Hypothese anmuten mag, bewährt
sie sich durchweg im praktischen Vergleich der beiden Textformen
und erweist damit wohl den „apokryphen", (noch) nicht
kanonischen oder nachkanonischen Charakter des Buches. Das
konnte immer wieder in der Textausgabe nachgeprüft werden. Daß
diese aber überhaupt jetzt vorliegt, bedeutet einen Sieg über immense
Probleme, wenn man nicht nur bedenkt, daß „heute einige Zwischenglieder
der frühen Tcxtgeschichtc fehlen" (S. 38 TGT), sondern auch
- in einer Vereinfachung, die der Autor selbst so nicht bieten mag -
sich das hypothetische Traditionsschema vor Augen hält, dessen Stufen
die folgenden sind: Hebräische oder aramäische Vorlage - Textform
G2, von deren älterer, gegenüber den beiden griechischen Zeugen
ursprünglicherer Form die lateinische Tradition abhängig ist - Textform
G' als straffende Überarbeitung, von der die griechische Tradition
abhängt - gegenseitige Beeinflussung beider Textformen in der
handschriftlichen Überlieferung und Entstehung der nur fragmentarisch
erhaltenen Textform G' auf der Grundlage von G2 als Bearbeitung
von G1 und G2. Dementsprechend kann für G2 kein vollkommener
Grundtext rekonstruiert werden (sondern S muß - mit einigen
Korrekturen - als Grundtext gelten), ist G für den Nicht-Spezialisten
praktisch ohne Interesse und ist G' „die einzige Textform, deren
ursprünglicher Text sich. .. annähernd rekonstruieren läßt"
(Ausg. S. 34). Das heißt aber auch, daß der „Urtext" des Buches nicht
erreichbar ist. und in diesem Zusammenhang muß wohl die Feststellung
, daß eine vollständige Edition der Qumranfunde noch fehle
(TGT S. 22), als tiefer Seufzer gehört werden (Ausg. S. 15!).

Wenn schon eine „Rückübersetzung" vom Lateinischen zur griechischen
Vorlage (in bezug auf G2 TGT S. 17) nicht möglich ist, entzieht
sich die Frage, ob mit einem aramäischen oder hebräischen Original
zu rechnen sei, vollends der Entscheidung vom Griechischen her
(TGT S. 47). Schon die Bestimmung der ursprünglichen Form der
Eigennamen ist nicht einheitlich möglich (TGT S. 73). Als Kernsatz
sei beherzigt: „Rückübersetzungen mit dem Anspruch, das Original
zu finden, sind wissenschaftlich abzulehnen" (TGT S. 17).

In diesem Zusammenhang scheinen die Beobachtungen zur
Namensform von Jerusalem in den deuterokanonischen Büchern
(TGT S. 75) für den Alttestamentier besonders interessant, Weitere
hunina allgemeinen Interesses sind die Diskussion der Forschungsmeinungen
zur Frage der Priorität von G' oder G2 (v. a. TGT S. 21 f
A I); die Relevanz der Textdiskussion von 8,15 für die Identifizierung
der „Heiligen des Höchsten" im Danielbuch (nicht Engel: TGT 86);
die Vermutung einer Anspielung von Act9,18 auf Tob 11,12-13
(TGT 39); das Vorliegen eines „der ältesten Belege für die Verwendung
des Begriffs aiön als Äquivalent" von „'Im in der Bedeutung der

Welt" (TGT 37); schließlich in bezug auf den Umgang mit LXX die
Klärung (TGT 35): „Nicht nur die Übernahme allgemein oder in der
Septuagintasprache verbreiteter Bildungen, sondern auch die Einführung
seltenen Wortgebrauchs kann Rezensionsprinzip sein."

Für die praktische Arbeit wichtig sind die begründeten Änderungen
gegenüber Textentscheidungen von Rahlfs in seiner Ausgabe bei
11,7.14,3 (TGT S. 50); 4,1 (S. 74); 9,5 (S, 75); 2,13 (S. 77); 13,4
(S.81); 14,3 (S.82); 8,21.11,10 (S. 83): 12,6 (S. 87); 14,15 (S.9I).
Fehler bei Braoke-McLean sind Ausg. S. 29 zusammengestellt.

In der Einleitung zur Textausgabe verdient abgesehen von den
schon mitgeteilten, in TGT ausführlich behandelten Problemen vor
allem die Einordnung der syrischen Textformen (Ausg. S. 17) Beachtung
. Im übrigen gilt auch hier wie bei den vorangegangenen Editionen
, daß des Herausgebers Lust der Rezensentin Frust ist: Die immer
etwas perverse Suche des Rezensenten nach Druckfehlern mußte sich
bei TGT (S. 45 Z. 15) mit einem belanglosen Schluß-e (1. „unwiderlegliche
") bescheiden und in der Textausgabe leer ausgehen, da die
beiden einzigen Druckfehler, die hier mitzuteilen sind, Rez. vom Hg.
selbst mündlich mitgeteilt wurden: S. 74 Z. 3 (G' zu 2,6) l. üpffvov
und S. 104 App. 1 Z. 10 (zu 5,14) ist zwischen e^iou und Doppelpunkt
„46" einzutragen. Weitere scheinbare Fündlein führten bei
näherem Zusehen immer zur Bestätigung der Sorgfalt von Hg. und
Drucker (dem Verlag sei Dank für die heute nicht mehr selbstverständliche
Zuverlässigkeit) bzw. der komplizierten Textverhältnisse
, z. B. die Namensform Twßiq bei G2 in 10,10; 12,4 mit den
obliquen Formen in 10,8; 11,18. ■

Auch mit diesem Band hat H. also ein Monument errichtet, dem zu
wünschen ist, daß es nicht nur dauerhafter als Erz sei. sondern vor
allem als solches erkannt und gewürdigt werde, und zwar nicht nur
von den philologischen Denkmalschützern, sondern von allen, die
überhaupt ihr Interesse dem merkwürdigen Büchlein Tobit zuwenden
.

Basel Ina Willi-Plein

Altes Testament

Rendsburg, Gary A.: The Redaction of Genesis. Winona Lake, IN:
Eisenbrauns 1986. XII, 129 S. gr. 8'. Lw. $ 12.50.

Das Hauptanliegen von G. A. Rendsburg ist die Erarbeitung „der
redaktionellen Struktur" der Genesis in ihrer überlieferten Gestalt.
Insofern bietet die Arbeit einen Beitrag zu den in jüngerer Zeit sich
mehrenden Bemühungen um eine Auslegung der Endgestalt der biblischen
Bücher. Als Exegeten. denen er sich dabei methodisch verpflichtet
fühlt und deren Auslegungen er weiterführen möchte, verweist
R. (neben anderen) auf U. Cassuto, N. M. Sarna und M. Fish-
bane.

Auf die Einleitung mit einem Überblick über die Anlage der Arbeit
folgen fünf Kapitel (S. 7-97) mit einer Strukturbeschreibung der
Textkomplexe, in die sich die Genesis nach R. gliedert: Urgeschichte
(Gen 1.1-11,26), Abrahamzyklus (11,27-22,24), Jakobzyklus
(25,19-35,22), Verbindendes Material (23,1-25,18 und 35,23-36,43)
und Josephgeschichte (37,1-50,26). Innerhalb dieser Komplexe
unterscheidet R. jeweils Untereinheiten, die in kunstvoll gestalteten -
zumeist chiastischen - Strukturen aufeinander bezogen seien. So findet
er beispielsweise im „Abrahamzyklus" einen „chiastischen Parallelismus
" aufgrund folgender thematischer Entsprechungen:
A GenealogyofTerah(l 1,27-32)
B Start of Abram's Spiritual Odyssey (12,1-9)

C Sarai in foreign palace; ordeal ends in peace and suecess; Abram and Lot

part(12,10-13,18)
D Abram comes to the rescue of Sodom and Lot (14.1 -24)
E Covenant with Abram; Annunciation ol'lshmael (15,1-16.16)
E' Covenant with Abraham; Annunciation oflsaac (17,1-18,15)
D' Abraham comes to the rescue of Sodom and Lot (18.16-19,38)