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Ausgabe:

1987

Spalte:

800-802

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Titel/Untertitel:

Tobit 1987

Rezensent:

Willi-Plein, Ina

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Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 11

800

Das Vorhaben wird in vier Teilen zur Ausführung gebracht. In
einem ersten Teil (S. 9-116) werden Angaben zur Bibel als Ganzes
und zu ihrem Hintergrund und zu ihrer Bedeutung für unsere Zeit gemacht
. Themen zur Umwelt, zur Geographie und zur Entstehung der
Bibel werden ebenso behandelt wie Fragen zur Entstehung der Religionen
im Umkreis der Bibel und zu der Bedeutung der Bibel im
Leben eines Christen. In rascher Folge werden wertvolle Informationen
geboten, bis hin zu Fragen der Zeitrechnung und des Kalenders.

Der Schwerpunkt des Buches liegt im zweiten und dritten Teil, in
dem ein Gang durch das Alte (S. 117-464) und das Neue Testament
(S. 464-656) gemacht wird. Hier werden alle Bücher der Bibel fast
durchweg in der kanonischen Reihenfolge vorgeführt. Neben kurzen
Einleitungen und literarkritischen Bemerkungen folgt eine Art Kurzkommentar
zu den einzelnen Kapiteln und Versen der behandelten
biblischen Bücher. Oft erschöpft sich diese Kommentierung in einer
Nacherzählung, gelegentlich werden aber auch Urteile und zusammenfassende
Überlegungen vorgetragen.

Im vierten Teil wird ein ausführliches Register geboten
(S. 657-680), auf dessen Ausarbeitung viel Wert gelegt wurde, um ein
selbständiges Weiterarbeiten zu ermöglichen. Die Stichworte sind
alphabetisch in folgende Abteilungen gegliedert: Hauptbegriffe, Völker
und Stämme, Personen (hierbei ein eigenes Register zu den Wundern
und zu den Gleichnissen Jesu), Orte, Gebete, Themen und
Sachen und Ereignisse. Am Ende steht ein Verzeichnis der Quellen.

Der auf diese Weise dargestellte äußere Aufbau muß aber noch
näher sachlich erläutert und gegliedert werden. Erst hierbei kann das
ganze besondere Unternehmen der Hgg. erkannt werden. Der Gang
durch die biblischen Bücher wird auf zweierlei Art und Weise bereichert
. Darin liegt wohl der besondere Wert dieses Werkes. Zwar wissen
die kurzen kommentierenden Bemerkungen zu den einzelnen
Kapiteln der Bibel um die Ergebnisse der Erforschung der biblischen
Welt auf den einzelnen Gebieten, so z. B. Fragen nach der Literar-
kritik, nach der Form der Texte, sowie auch nach der Archäologie des
ganzen Vorderen Orients. Es wird ausdrücklich auf die Mitarbeit der
Fachgelehrten hingewiesen. Wertvolle sachliche Informationen werden
besonders da geboten, wo in den Zusammenhang gehörende
Sachthemen in kurzer, kompetenter und übersichtlicher Weise vorgetragen
werden. Im Bereich des Alten Testaments gehören dazu besonders
die Kurzberichte von Alan Miliard, z. B. über die Städte der
Eroberung (S. 2130 oder von K. A. Kitchen über Ägypten
(S. 151-154). Diese kurzen Angaben, Für die viele Mitarbeiter verantwortlich
zeichnen, sind zumeist auch durch andersfarbige Seiten vom
fortlaufenden Text abgehoben. Graphische Zeichnungen und bildliche
Darstellungen geschichtlicher Abläufe ergänzen diese Art der
Darbietung. Im neutestamentlichen Teil wäre auf die Ausführungen
zur Zeitgeschichte hinzuweisen, die von Harold Rowdon zur Bedeutung
der römischen Welt für das biblische Leben stammen: römische
Soldaten (S. 507), Pontius Pilatus (S. 510) und E. M. Blaiklock über
das Haus des Herodes (S. 540).

Die zweite Besonderheit dieses Werkes sind die zahlreich beigegebenen
bildlichen Darstellungen, zumeist Photographien in Farbe.
Hier wird ein reiches Anschauungsmaterial geboten, das zweifellos
Freude am Blättern und Lesen dieses Buches wecken kann und will.
Die dargestellten Gegenstände sind sorgfältig ausgewählt und können
in der Tat reiches Informations- und Illustrationsmaterial bieten. Die
technische Darbietung ist im allgemeinen sehr gut, mitunter werden
hervorragende Bilder geboten, die z. T. schon auch historischen Charakter
tragen. Hierzu wäre die schöne Aufnahme von Anathoth, dem
arabischen Anata (S. 397), zu zählen, das sich heute dem Beschauer
ganz anders darbietet, als dieses Bild es zeigt. Manchesmal werden
Jahrtausende übersprungen, was durchaus häufig seine Berechtigung
hat. Aber wenn für Hesekiel und seinen Aufenthalt als Flüchtling in
Babylon ein modernes Flüchtlingslager in Palästina gezeigt wird
(S. 421), entspricht dies sicherlich nicht den Tatsachen.

Da das Werk von Anfang an einen gewissen apologetischen Charakter
hat, läßt sich schwer etwas über die vorgetragenen Meinungen und

Erklärungen sagen. Aber soviel kann festgehalten werden, daß die
gewisse Offenheit für die Ergebnisse moderner Forschung einen zwiespältigen
Eindruck hinterläßt. Häufig werden verschiedene Meinungen
nebeneinandergestellt, ohne eine wirklich begründete Entscheidung
wagen zu wollen. Dies gilt schon bei der Darstellung der
Pentateuchquellen, wo zu den Schöpfungsberichten gesagt wird: „Die
beiden Berichte entstammen möglicherweise zwei verschiedenen
Überlieferungen oder Quellen. Das bedeutet nicht, daß sie sich widersprechen
und ist auch kein Anlaß, die Genesis nach einer Quellenscheidungstheorie
aufzuteilen." (S. 128) Diese Unentschicdcnhcit
beim Argumentieren zeigt sich im alttestamentlichen Bereich z. B. bei
der Behandlung des Buches des Jesaja, das ganz und gar von dem Propheten
des 8. Jh. abgeleitet wird; bei der Behandlung des Neuen
Testaments wird zwar für die Entstehung der Evangelien auf die literarkritischen
Ergebnisse Bezug genommen (auch Q als Quelle spielt
eine Rolle), hingegen wird bei der Behandlung der paulinischen Briefe
sehr zurückhaltend argumentiert.

Vielleicht verrät ein Satz von Alan Miliard selbst am besten diese
zwiespältige Haltung. Er schreibt auf S. 228: „Die Bibel ist ein altes
Buch, ein geschichtlicher Bericht. Deshalb ist es hilfreich, etwas über
die Welt zu wissen, in der sie geschrieben wurde. Das ist nicht unchristlich
." An vielen Stellen könnte weiterhin auf diese Grundhaltung
hingewiesen werden, nicht nur im Alten Testament (die großen
Zahlen bei der Beschreibung der Lebensalter und der Glieder des
Volkes), sondern auch im Neuen Testament, wo die Frage der Verfasserschaft
durch Johannes in bezug auf das Evangelium, die Briefe
und die Offenbarung behandelt wird. Demgegenüber wird an vielen
Stellen nicht nur, wie schon erwähnt, verläßliche Information übersichtlich
und klar dargeboten, sondern auch der theologische Gehalt
und die Bedeutung der biblischen Bücher für die christliche Gemeinde
eingehend und behutsam vorgetragen.

Wien Georg Sauer

Septuaginta. Vetus Testamentum Graecum. Auctoritate Academiae
Scientiarum Gottingensis editum. Vol. VIII,5: Tobit,' edidit
R. Hanhart. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1983. 185 S.
gr. 8'. Lw. DM 92,-.

Hanhart, Robert: Text und Textgeschichte des Buches Tobit. Göttingen
: Vandenhoeck & Ruprecht 1984. 94 S. gr. 8'= Abhandlgn. der
Akademie der Wissenschaften in Göttingen, phil.-hist. Klasse.
3. Folge, 139. Mitteilungen des Septuaginta-Unternehmens (MSU)
XVII. Kart. DM 54,-.

Mit Teilband VIII,5 setzt H. die Herausgabe der nach Text-
geschichte und Charakter zusammengehörenden Bücher Esther
(1966), Esdras (1974), Judith (1979) nun mit Tobit fort und begleitet
den Text wiederum mit einer separat erschienenen, ausführlichen
Darstellung zu den Problemen von Text und Textgeschichte. Diese
decken sich zwar oftmals mit jenen der anderen Teilbände zu VIII
(vgl. v. a. TGT S. 18 zur weitgehend verwandten Überlieferung; S. 68
in bezug auf den ursprünglichen Text von G1; S. 73 zur Schwierigkeit
der Formen der Eigennamen; S. 90 zu grammatischen Eigentümlichkeiten
), zeigen aber auch Unterschiede (v. a. hinsichtlich des Fehlens
einer Rezension hexaplarischen oder lukianischen Charakters in Tob:
TGT S. 42.49) und wirken insgesamt noch komplizierter (vgl. v. a.
TGT S. 91). Daß H. vor diesem von Rez. jedenfalls so empfundenen
Chaos der Überlieferungs- und Textgeschichte nicht nur nicht kapituliert
, sondern es, soweit dies überhaupt möglich ist, sogar einmal mehr
geordnet hat, ist nach der (nicht immer leicht verständlichen) Darstellung
und ihren Ergebnissen mit uneingeschränkter Bewunderung zu
vermerken, v. a. angesichts des anfangs (TGT S. 13) geschilderten
Überlieferungszirkcls, den die Arbeit am Text irgendwie aulbrechen
muß. Grundsätzlich ist dies nur möglich durch Auseinanderhalten
der eigentlich eng ineinander verflochtenen beiden Hauptfragen
einerseits nach der je ursprünglichen Gestalt der zwei (bzw. drei) griechischen
„Textformen" G' und G2 (bzw. O3) des Buches und anderer-