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Ausgabe:

1987

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

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Neuerscheinungen

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Theologische Litcraturzcitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 10

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kflnften für die nächsten Jahre den Vorrang (7). Schärfere Abgrenzungen
des sich einbürgernden Begriffes Eucharistie und der Aussagen zur
Danksagung an den Vater in Fortsetzung jüdischer Mahltradilion
Segen eine Mißdeutung als ..menschliche Hinzufügung zum Heils»
werk Gottes" werden postuliert (9), die weiteren vier Aspekte der
Eucharistie ebenso ausgewogen wie weilerweisend gewürdigt (10/13).
Was die jeweiligen Konfessionen von anderen lernen können, die
Spannung zwischen den verschiedenen Ansätzen (der eine Glaube -
Sakramente und Kirchenordnung), subjektive und objektive Zugangs-
•Wisen werden behandelt (14-16). dann wieder ganz praktische
fragen wie die Häufigkeit der Kommunion und. ob die Eucharistie
Mittel oder Ziel der kirchlichen Einheit sei (17-18). Die Reihe der
•Konklusionen und Kommentare" schließt mit der Frage nach dem
Verhältnis zwischen Schrift und früh- bzw. altkirchlichcr Tradition
"9) und dann mit dem für den Vf. offensichtlich entscheidenden
Gedanken; daß der Weg der Ökumene von der Überwindung der
"eueren Kirchenspaltungen durch Rückgriff auf die altkirchliche Ein-
ne't zu „den positiven Akzenten und dem zulässigen Pluralismus des
Neuen Testaments" übergehen möge (20/199). Hier nun setzt eine
Reihe von kritischen Rückfragen an. die sowohl die exegetische
Grundentscheidung (Pluralismus statt Einheit) als auch die empfoh-
'enc ökumenische Methode betreffen, die aber den hohen Informa-
"'onswert dieses Buches und damit den Beitrag zur Motivation für
Ökumene nicht zu schmälern brauchen.

Wien Hans-Christoph Schmidt-Laubcr

'-ink. Hans-Georg [Hg.] in Zusammenarb. mit D.-l. Ciobotea u. D. Ritich):
E'n Ciott - ein Herr - ein Geist. Zur Auslegung des apostolischen Glaubens
hc"tc. Frankfurt (M.): Lembeck 1987. 155 S. 8- = Beiheft zur ökumenischen
Rundschau. 56. Kart. DM 24,80.

Heuler. Hans-Richard [Hg.]: Konzil des Friedens. Beitrage zur ökumenischen
Diskussion I, Heidelberg: f orsehungsstättc der F.vang. Studiengemeinsehalt
l987. 166 S. 8" = Texte und Materialien. Reihe A.24.

Ökumenik: Missionswissenschaft

^hrens, Theodor: Unterwegs nach der verlorenen Heimat. Studien
iur Identitätsproblematik in Melanesien. Im Anhang ein Gespräch
mit Andrew Strathern über .Enthusiastisches Christentum'. Erlangen
. Verlag der Ev.-Luth. Mission 1986. 280 S. 8" = Erlanger
Monographien aus Mission und Ökumene. 4. Kart. DM 28.-.

Viele Jahre theologischer und religionswissenschaftlicher Studien-
arbeit auf Papua-Neuguinca haben es dem Hamburger Missions-
"issenschaftler ermöglicht, die in diesem Band enthaltenen drei
Fallstudien im Rahmen der Rcligions- und Christentumsgeschichte
Melanesiens vorzulegen - nach Walter Freytags und Georg Viccdoms
' Versuchungen wohl die eingehendsten dieser Art im deutschsprachigen
Raum. Dabei verhandelt Ahrens die Identitätsprobleme
"er melanesischen Christenheit im transkulturellen und missions-
•lieologischcn Horizont: und es ist angesichts dieser Problematik
■»ehr als Zufall, daß das Buch genau hundert Jahre nach dem Beginn
lutherischer Missionsarbeit in Melanesien erscheint.

Im Mittelpunkt der ersten Studie steht der Mythos vom Brüderpaar
Kilibob und Manub. das im Streit ist sowohl über den Werl des
Bestehenden wie auch über die Notwendigkeil von Innovationen
'S. 13-28). Diese Geschichte aus der Gegend um Astrolabc Bay, deren
eine Version vom Autor bereits 1977 veröffentlicht wurde (Ah-
rcns/Hollenwcger. Volkschristentum und Volksreligion im Pazifik.
Frankfurt [Main] 1977. S. 73-80). trägt wesentlich dazu bei. Kullur-
kontakl und Kulturkonllikt in der Begegnung mit den Europäern zu
deuten: Ahrens zufolge verkörpern diese gewissermaßen den Kilibob
rediivus. den seefahrenden, für Neues aufgeschlossenen Bruder also.

der den älteren und bodenständigen Bruder immer wieder aus der
Fassung brachte und traditionelle Uberzeugungen zu brechen suchte
(S. 29-33). Der Mythos sollte gleichzeitig eine Hilfe dafür sein, spannungsreiche
Erfahrungen des Kulturkontakles zu deuten und eine
Rollcnzuschreibung vorzunehmen, die auch im Rahmen der religiösmoralischen
Gesamtordnung des dörflichen Lebens - neomelanesisch
,.lo" genannt - bestehen könne.

Die dem ,.lo" eigene Logik von Reziprozität und Retribution wird
daher auch zunächst auf die Europäer bezogen. Das aber mußte, wie
Ahrens nachweist, scheitern, denn das dem Mythos und „lo" verpflichtete
religiöse Ritual und die enge Verbindung von Religiosität
und umfassendem, auch materiellen Vergcltungsbewußtsein hatte
keine Grundlage in der europäischen Kultur. Dies führte zu folgenreichen
Mißverständnissen zwischen Missionaren und einheimischer
Bevölkerung. Die ernüchternde Erkenntnis mußte sein, daß
religiöses Ritual „keine direkten sozio-ökonomischen Resultate"
hervorbringt (S. 40) und daß die materiellen Faktoren europäischer
Kultur wesentliches Indiz für Grenze und Klanbczogenheit des Kili-
bob-Mylhossind.

Ahrens sucht nun nach einer Antwort auf den Mythos, läßt aber
dabei nicht gelten, daß „wir" in den „modernen" Gesellschaften
womöglich uns eines nachmythologischen, folglich überlegenen
Bew ußtseins rühmen. Vielmehr sei bei uns an die Stelle des alternativ-
losen, gesamtgesellschaftlich gellenden Mythos eine Fülle von konkurrierenden
archetypischen Symbolen und Sinnangebolcn mit
mythologischen Resten getreten wie z. B. die „Religion" des privaten
Glücks mit ihrer Ausklammerung der sie „bestimmenden gesellschaftlichen
Mächte", der homo novus im Science-fiction-Film und
- wieder einmal - das Bild von den ungleichen Brüdern etwa im
Western (S. 43). Im Zuge transkultureller Kommunikation sieht
Ahrens diese Strömungen auch auf tradilionsgelcitcte Gesellschaften
zukommen - ein nicht unbedeutender Strang sei ja die Ausbreitung
des Christentums: insofern stelle sich um so radikaler die Frage nach
der Geltung eines Mythos, „der ein wahres und transkulturell tragendes
Verständnis von Wirklichkeit erschließt" (S. 44). Ahrens zielt auf
eine beide Gesprächspartner und deren Zukunft einschließende
„mythische Sprache", die nicht nur zur Verständigung, sondern zum
Einverständnis für die Welt als Ganze und deren Überleben führt.

Als Wegmarke der dörflichen Volksreligion auf dieses Ziel hin
dienen einige Dialoge von Kirchenältesten und Dorfführern, die um
die Geschichten von Christus und Kilibob kreisen. So naiv und wörtlich
das Bibelverständnis dabei erscheinen mag - diese Dialoge sind
nach Meinung des Autors zur Klärung von Lebensfragen unverzichtbar
, um einen Synkretismus zu vermeiden, der doch nur wieder die
Lebensweise der Weißen zum Hcilsgul erklärt. Besonders fasziniert
hat mich die Gemeindegruppe, die sich im Anschluß an Mt 2,l3ffmit
den östlichen Sterndeutern identifiziert und daraus folgert: „Wir sind
die Älteren!" (S. 50f). will heißen: Wir sind ursprünglich bei Jesus.
Dies sind Anklänge an die Theologie der Armen und der narrativen
Bibeldeutungen in Lateinamerika und auf den Philippinen. Angesichts
des Kulturkonflikts und auch in Beziehung zum Kilibob-
Manub-Mythos wird von der Gruppe selbst diese Gewißheit von
Mt 20.16 her („Die Eisten werden die Letzten sein . . .") in ihrer
Ambivalenz offengclegl. In anderer Weise gilt diese Spannung auch
für die sehr spät christianisierten Europäer, die jedoch trotz ihres
späten Zugangs zur biblischen Wahrheit andere Kulturen mit dem
Anspruch, die Älteren zu sein, zu zerstören oder zu dominieren
suchten.

Weil auch in Melanesien der Mythos und das heimatliche Klan-
bcwußlsein im Kontakt mit den Europäern an Bedeutung verloren,
gleichzeitig die biblische Schöpfungsgeschichte zunehmend absorbiert
wurde, stellt Ahrens die Frage, in welcher Weise ein weltweit
geprägtes „Ch ri st uskl an"-Bewußtsein „neue Heimat" schallen kann.
Er beantwortet seine Frage, indem er zunächst Mißbräuche in der
Missionspraxis aufzeigt und unsere Identität im Westen kritisch
befragt: Zu „neuer Heimal" (sie!) werden Menschen nicht durch