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Ausgabe:

1987

Spalte:

775-777

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Reumann, John

Titel/Untertitel:

The Supper of the Lord 1987

Rezensent:

Schmidt-Lauber, Hans-Christoph

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Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 10

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die in anderen Konfessionen eindeutige Unterscheidungskriterien
darstellen, auch bei uns mehr Berücksichtigung finden? Kann man
überhaupt den evangelischen Pluralismus noch überzeugend gliedern,
wenn dies schon in einer einzigen Kommunität wie z. B. der luth.
„Koinonia" nur möglich ist, indem sie ihre Glieder in vier Zweige aufteilt
,je nach dem Grad der geistlichen Verbindlichkeit?

Die Brauchbarkeit der Selbstdarstellungen wird eingeschränkt
dadurch, daß die jeweiligen Probleme unerwähnt bleiben. Solche
Schwierigkeiten treten aber in kommunitären Anfangsstadien unvermeidbar
auf. Der Außenstehende kann sich kein Bild machen, warum
in der Statistik aufS. 172 bei den Marienschwestern plötzlich keinerlei
Angebote mehr zu finden sind und keine Gäste mehr aufgenommen
werden. Auch ist aus dem Dargebotenen nichts über die
Beziehungen der beiden Christusbruderschaften in Selbitz und Falkenstein
auszumachen. Kann man eigentlich schon über Gemeinschaften
berichten, die'sich noch im Anfangsstadium befinden, oder
sollte man nicht eine gewisse Zeit abwarten, bis erste Schwierigkeiten
und Rückschläge überwunden sind?- Bei etlichen Gruppen wünschte
man sich auch eine präzisere Formulierung der Intention und des
Erreichten.

Doch die Fragen sind nicht an die Vfn. zu richten, sondern an
Kirche und Theologie. Es ist gut, daß das Buch die Schwierigkeit der
Zu- und Einordnung, die individualistische Vielfalt zuverlässig widerspiegelt
. Die Stichworte des Einführungskapitels sind Themen für
weitere Arbeit, ob es sich dabei um frömmigkeitsgeschichtliche
Zusammenhänge, die auftretenden Schwierigkeiten, die immer noch
kritische Rezeption durch die Kirche oder die Verbindlichkeit handelt
. Das Buch vermittelt zuverlässige Ausgangspunkte dafür.

Holzhausen Gottfried Wol IT

Reumann, John: The Supper of the Lord. The New Testament,
Ecumenical Dialogues, and Faith and Order on Eucharist. Philadelphia
, PA: Fortress Press 1985. XIV, 225 S. 8".

Der Vf., Neutestamentier am Lutherischen Seminar in Philadelphia
und seit zwanzig Jahren am regionalen lutherisch/römischkatholischen
Dialog in den USA beteiligt, will mit dem vorliegenden
Buch Weg, Ertrag und noch zu leistende Aufgaben der ökumenischen
Dialoge über das Herrenmahl aufweisen. Dies geschieht in enger
Bindung an den gegenwärtigen Forschungsstand der Exegese.

Das erste der vier Kapitel ist dem Ursprung und der frühkirchlichen
Entwicklung des Herrenmahles gewidmet. Unter dem Titel „Biblische
Leitgedanken als Grundlagen" werden die wichtigsten exegetischen
Erkenntnisse und neueren Fragestellungen kurz und übersichtlich
referiert. Das Ausscheiden des ursprünglichen Mahles und
die Konzentration auf das „Brot und Wein-Sakrament", wodurch die
Christen „einen Kopf ohne Leib, d. h. Elemente, aber kein Mahl"
erhielten, wird bereits im sechsten Jahrzehnt des ersten Jh. angesetzt,
jedoch auch mit „guten Gründen" anerkannt (10f. 14). Die neuerliche
Diskussion über den Begriff anamnesis/zkr, die die kultische Vergegenwärtigung
der Vergangenheit bestreitet bzw. modifiziert (Schottroff
, Eising u. a.), wird dargestellt, nicht ohne Kritik an der Lima-
Erklärung zur Eucharistie, die von dieser Diskussion keine Kenntnis
genommen habe (27ff, bes. 30, vgl. später 158). Daß die
Exegese in den letzten Jahren noch weiter vom Abschiedsmahl Jesu
als dem Ursprung des Herrenmahles abgerückt ist (49), daß sie einen
größeren Pluralismus der Anfange anzunehmen geneigt ist (185) und
daß die Bibelwissenschaftler „heute nicht mit Sicherheit genau
ermitteln können, was Jesus tat, sagte oder intendierte" (XII), sind
keine Überraschungen. Dennoch mag die Anfrage erlaubt sein, ob das
scharfsinnig diagnostizierte hohe Maß an Umformung, Innovation
und eigener Kreativität der biblischen Zeugen gegenüber der Person
Jesu und den zeitlich nicht weit zurückliegenden Ereignissen den
anderen theologischen Disziplinen plausibel gemacht werden kann.
Im übrigen werden in diesem Kapitel die zentralen Themen herausgearbeitet
, die in den ökumenischen Konsensbemühungen heute eine
Rolle spielen.

Im zweiten Kapitel wird ein kurzer Weg durch die Geschichte
gemacht, wobei die „Aufbauperiode" um das zweite Jh., die Reformation
und die „interdenominationelle Entwicklung vom
17.-20. Jahrhundert" rasch vorüberziehen. Daß die orthodoxe Konsekrationslehre
dabei nach Darwell Stone aus dem Jahre 1909 dargestellt
wird, verwundert, während der Vf. sicher recht hat, die
Reformation und vornehmlich Luther stärker in mittelalterlicher
Theologie verwurzelt zu sehen (61 f)-

Die Darstellung der multi- und bilateralen Dialoge der letzten Jahrzehnte
im dritten Kapitel nimmt nicht nur umfangsmäßig - mit mehr
als der Hälfte der Textseiten - den breitesten Raum ein. Sie ist auch in
ihrer die Fülle der Informationen übersichtlich zusammenstellenden
Arbeitsweise eine hervorragende Einführung in die Eucharistiediskussion
der Ökumene. Besonders die Tabellen zur Entwicklung von Faith
and Order und damit des multilateralen Dialoges (820 und noch mehr
die zu den bilateralen Gesprächen über die Eucharistie (87-94) geben
einen ausgezeichneten Überblick über das Wachsen der ökumenischen
Verständigung. Die letztgenannte Tabelle zeigt alle bilateralen
Dialoge von 1964 bis 1984 chronologisch mit Themenstellung
und zum Teil auch Konklusionen auf, so daß dem Leser ein lebendiger
Einblick in den Prozeß ökumenischer Annäherung und gleichzeitig
in verschiedenen Erdteilen und bei verschiedenen Gesprächspartnern
gewonnener Konvergenzen ermöglicht wird, wo sonst eine
verwirrende Fülle von Parallelen und Differenzierungen entmutigen
könnte.

Es ist das besondere Verdienst dieser Arbeit, die Zusammenhänge
zwischen den verschiedenen ökumenischen Kontakten aufzuweisen.
Es begann mit Edinburgh 1910 und Faith and Order ("The Many and
The One"), setzte sich fort in vielfaltigen bilateralen Gesprächen
("Progress Two by Two"), die mit EKD/Moskauer Patriarchat über
Rechtfertigung 1959 ihren Anfang nahmen und Ende der sechziger
Jahre auf nationaler wie internationaler Ebene zwischen je zwei Kirchen
bzw. Konfessionen in nahezu allen Kombinationen üblich
geworden waren. Von Arnoldshain über nordamerikanische Parallelen
bis zu Leuenberg 1973 hat eine lutherisch-reformierte Verständigung
erzielt werden können, der mit Serie III weitere nordamerikanische
Bemühungen folgen. Lutherisch/römisch-katholische Dialoge
in den USA und auf Weltebene über „Eucharistie als Opfer" (USA
1967), „das Evangelium und die Kirche" (Malta 1971) und „das
Herrenmahl" (1978) haben entscheidende Durchbrüche erzielt,
denen eigentlich die Klärungen zum Opfercharakter des Herrenmahles
durch den Ökumenischen Arbeitskreis evangelischer und
katholischer Theologen (Das Opfer Jesu Christi und seine Gegenwart
in der Kirche, 1983) beigefügt werden sollten, nur handelt es sich hier
nicht um bilaterale Gespräche von Kirchen. Anglikanisch/römischkatholische
, lutherisch/episkopale, anglikanisch/orthodoxe und eine
ganze Reihe weiterer bilateraler Dialoge haben vielfältige Ergebnisse
erzielt oder zumindest Anstöße zu Fortschritten gegeben. Vor allem
aber werden die Lima-Erklärungen, hier die zur Eucharistie, analysiert
und auf ihre Bedeutung hin befragt. Dabei kommen die Ergebnisse
der Exegese aus dem ersten Kapitel zum Tragen, die zugleich
Perspektiven für die weitere Arbeit eröffnen.

In einem vierten Kapitel werden die Ergebnisse in 21 Punkten
zusammengefaßt. Zunächst wird die Notwendigkeit hervorgehoben,
das Eucharistieproblem im weiteren Kontext von Taufe und Amt zu
sehen (112). Faith and Order hat diesen Weg schon eingeschlagen und
setzt ihn mit dem Projekt des gemeinsamen neuen Aussprechens des
apostolischen Glaubens konsequent fort. Soeben hat das ökumenische
Patriarchat von Konstantinopel die Lima-Texte rundweg abgelehnt,
weil die Ekklesiologie nicht geklärt sei; auch hier führt nur das
Bedenken des größeren Zusammenhanges aus der Sackgasse. Das
Problem des unterschiedlichen exegetischen Ansatzes und Schriftverständnisses
wird erneut artikuliert (4/5). In gewisser Spannung
zum früher Gesagten (2.a.) gibt der Autor den bilateralen Überein-