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Ausgabe:

1987

Spalte:

55-56

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Titel/Untertitel:

Nicolai de Cusa Cribratio alkorani 1987

Rezensent:

Kandler, Karl-Hermann

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Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. I

S6

B.s Mitarbeit an dieser Veröffentlichung zeigt, daß auch er in Lull
mehr sieht als eine Gestalt der Vergangenheit. Seine große Übersetzung
wird auch in der englischsprechenden Welt nur die Gelehrten
erreichen. Die Lektüre auch der gut aufbereiteten Werke Lulls stellt
Ansprüche an den Leser. Die beiden Werke Ars demonstrativa und
Ars brevis zeigen Lulls Kombinatorik, auch das letzte, die Flores
amoris, ist kombinatorisch, verbindet mit dieser Methode Mystik.
Das Werk Felix ist eine Enzyklopädie, das die Themen Gott, Engel,
Himmel, Elemente, Pflanzen, Mineralien, Tiere, Menschen, Paradies
und Hölle behandelt. Lulls medizinisches Werk wird von B. in den
Rahmen arabischer philosophischer Medizin gestellt. In der Geschichte
Müschen medizinischen Denkens begegnen Namen wie
Paracelsus und Giordano Bruno.

50 Seiten lang ist der Katalog der Werke Lulls, dann folgen ein Index
der Werke Lulls und ein Generalindex. Ein sorgfältig gearbeitetes
Werk, das einem großen Mann gewidmet ist und ihn der Gelehrtenwelt
näherbringt. Vielleicht wird es weitere so engagierte Veröffentlichungen
anregen, wie die aus dem Hause Herder.

Rostock Peter Heidrieh

Nicolai de Cusa: Opera Omnia issu et auetoritate Academiae Littera-
rum Heidelbergensis ad codicum fidem edita, Bd. VIII: Cribratio
Alkorani, edidit commentarisque illustravit L. Hagemann. Hamburg
: Meiner 1986. XXXIX, 370 S.4". Kart. DM 298,-.

Seit Jahren ist der Dialog zwischen den Weltreligionen in Gang gekommen
. Dabei interessiert zunehmend, ob und wie in früheren Jahrhunderten
das Gespräch miteinander gesucht worden ist. Der Fall
Konstantinopels 1453 hatte das christliche Europa schwer erschüttert
, auch Nikolaus von Kues (NvK). Er hatte ja selbst 1437/38
die Stadt kennengelernt, als er im Auftrage des Basler Konzils und mit
Zustimmung Eugens IV. zu Unionsverhandlungen nach Konstantinopel
gereist war. Unter dem Eindruck des Falls von Konstantinopel
hatte NvK „De pace fidei" geschrieben. Gründlicher aber hat er sich
dann mit der islamischen Theo.logie in der Cribratio Alkorani auseinandergesetzt
. In ihr geht es um die Problemkreise Monotheismus -
Trinität; Christologie - Soteriologie und Eschatologie. NvK sucht im
Koran Anknüpfungspunkte zum interreligiösen Lehrgespräch. Er
möchte, wie das seine Art ist, die Muslime manuduktorisch dazu
führen, den christlichen Glauben zu verstehen.

Die Schrift hat gegenwärtig, wo der Islam eine große Vitalität aufweist
und interreligiöse Gespräche in Mode kommen, eine große
Aktualität. So sehr NvK sich um ein Verständnis des Islam bemüht, so
sehr ist er „Partei" und vom christlichen Glauben überzeugt. Er steht
nicht zwischen den Religionen, sondern „sichtet" den Koran danach,
wie aus ihm selbst der christliche Glaube den Muslim nahegebracht
werden kann. Dabei bemerkt NvK, daß der Koran ein vor allem
nestorianisches Christentum vor Augen hat, daß die antichristliche
Polemik Muhammed durch einen jüdischen Berater eingegeben worden
sei und daß nach Muhammeds Tod Textverfälschungen vorgenommen
worden seien. Mag diese „Textkritik" auch heute so nicht
mehr angängig sein, wichtig ist, daß NvK im Koran selbst die Fragen
entdeckt, die den Islam vom Christentum trennen. Dabei sieht er im
Koran eine Schrift, die guten Glaubens geschrieben worden sei. Noch
heute gültig ist seine Überzeugung, daß Muhammed ein nestorianisch
bestimmtes Christentum bekämpft habe, das orthodoxe ihm aber
mehr oder weniger unbekannt geblieben sei.

Freilich ist die Cribratio Alkorani auch wiederholt zur Polemik
gegen den Islam herangezogen worden. Luther selbst hat sie gelesen
und in WA 30 II, 205,7 (Vorrede zum Libellusde ritu et moribus Tur-
corum) erwähnt.

Die Lektüre der Cribratio Alkorani ist außerordentlich mühsam.
Um sie zu erleichtern, hat der Hg. diese erste kritische Edition „mit
besonders ausführlichen und materialreichen theologiegeschichtlichen
und islamwissenschaftlichen Kommentierungen" versehen.

Die Praefatio (V11-XXXII) informiert über das Alter und die
Quellen der Schrift, wie ihr Titel zu verstehen sei und über ihre Nachgeschichte
; sie begründet die Editionsgrundsätze und erläutert den
kritischen Apparat. Dieser gibt - jeweils für sich - die verschiedenen
Lesarten, die Quellen und die Parallelstellen im cusanischen Werk an;
die Kommentierung in den „Adnotationes" ist als Anhang der Edition
beigegeben (191-262). Die Edition selbst (1-190) erscheint als
sehr gründlich und gewissenhaft. Sie folgt im laufenden Text der Pariser
Edition von 1514 des Faber Stapulensis, da sie bis heute am
meisten gebraucht wird.

Außerordentlich umfangreich sind die sechs Indices (die der von
NvK angeführten Namen; der in der Kommentierung gebrauchten
arabischen Namen und Begriffe; der Stellen aus dem Koran und der
Bibel; der Autoren; der Codices und ein Wortregister). Beim Wortregister
(322-370) wird wohl des Guten zuviel getan; nur Präpositionen
, Konjunktionen und Pronomen sind großenteils unberücksichtigt
geblieben. Aber ich zähle z. B. 68 Angaben zu aio; 156 zu aliud und
alius; 125 zu capitulum; ca. 700 zu deus; 169 zu enim und ca. 1 000
zu esse!! Ob diese entsagungsvolle Arbeit sich lohnt, wird wohl doch
zu hinterfragen sein.

Die Edition wird auf jeden Fall allen noch so kritischen Ansprüchen
voll gerecht. Sie wird im christlich-islamischen Dialog gebraucht
und sich sowohl in der Cusanus-Forschung als auch in der
Mediävistik überhaupt als wichtig erweisen. Man kommt künftig in
der Forschung um diese Ausgabe nicht mehr herum.

Freiberg Karl-Hermann Kandier

Philosophie, Religionsphilosophie

Rod. Wolfgang: Die Philosophie der Antike 1. Von Thaies bis Demo-
krit. München: C.H.Beck 1976. 230 S. gr. 8' = Geschichte der
Philosophie, I. Kart. DM 19,80.

Graeser, Andreas: Die Philosophie der Antike 2. Sophistik und
Sokratik, Plato und Aristoteles. München: C. H. Beck 1983. 345 S.
gr. 8° = Geschichte der Philosophie, II. Kart. DM 38,-.

Hossenfelder, Malte: Die Philosophie der Antike 3.: Stoa, Epikureis-
mus und Skepsis. München: C. H. Beck 1985. 252 S. 8" = Geschichte
der Philosophie, III. DM 29,80.

Eine Philosophiegeschichte kann verstehend und einfühlend den
einzelnen Denkern, ihren Problemen und den Zusammenhängen
zwischen ihnen nachgehen, um sie selbst zum Sprechen zu bringen.
Sie kann aber auch auf eine Auseinandersetzung mit der Philosophie
der Vergangenheit angelegt sein; sie wird dann in einen kritischen
Dialog mit ihrem Gegenstand eintreten, die Argumente von gestern
prüfen, aber sich auch selbst von ihnen in Frage stellen lassen. Aber
sie kann sich auch ihres eigenen philosophischen Standpunktes sicher
sein, um von ihm aus einseitig die zurückliegenden Denker und ihre
Positionen zu beurteilen, im Gegensatz zu früher Gedachtem Selbstbestätigung
suchend. Von der letzten Art sind die ersten drei Bände
der „Geschichte der Philosophie", herausgegeben von Wolfgang Rod.
Zu diesem philosophiegeschichtlichen Typus bekennt sich das Vorwort
ausdrücklich: „Philosophiegeschichte zu schreiben ist wesentlich
eine philosophische Aufgabe .. . Daher ist von einem philosophiehistorischen
Werk, das sich nicht in bloßer Doxographie erschöpft
, von vornherein zu erwarten, daß es nicht nur in der
Bewertung, sondern auch in der Auswahl und Gewichtung der philosophischen
Gedanken den Standpunkt der Verfasser erkennen läßt."
(I, 6) Was sich hier die Vff. vornehmen, haben sie voll durchgeführt:
Nicht doxographische Einfühlung, nicht Schlagabtausch - Argument
gegen Argument, sondern die Darstellung der eigenen Argumente für
oder gegen die Gedanken der besprochenen Philosophen durchziehen
die Seiten. Dabei ist der eigene Standpunkt der der kritischen Rationalität
im Sinne des Kritischen Rationalismus; skeptische Offenheit, die