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1987

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 10

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lichkeit. Auch inhaltlich wird bei Gläßer der katholische Charakter
von Teilhards Denken uiid seine Verwurzelung in der katholischen
Überlieferung so deutlich wie in kaum einem anderen Teilhard-Buch.
Alle bisherigen Zweifel an Teilhards Rechtgläubigkeit werden hier
beseitigt, allerdings ohne diese Tendenz ausdrücklich zu betonen.

Aber nicht nur bei der Darstellung von Teilhards „Weltsumme"
(Kapitel II) drängt sich gerade dem evangelischen Leser der angesichts
aller bisherigen römischen Kritik bemerkenswerte gut katholische
Grundzug von Teilhards Denken auf. Auch Gläßers Bemühung um
eine - von Teilhard aus-, aber über ihn hinausgehende - Synthese
von naturwissenschaftlichem Denken und christlichem Glauben baut
auf den Grundlagen der katholischen Tradition auf und wird durch sie
erleichtert. Wie Teilhard geht es auch Gläßer darum, den „Dämon
des Dualismus zwischen Natur und Geist, Gott der Schöpfung und
erlösender Trinität" auszutreiben (S. 29). Das III. Kapitel „Bedeutung
" zeigt gleich zu Beginn auf, wie Teilhards Synthese den Dualismus
von Descartes und Pascal überwindet und die „Einheit des Wissens
und der Existenz" (so der Titel des 2. Abschnitts, S. 41) erstrebt.
Auch der Überblick über Teilhards „Wirkungsgeschichte" (Kap. IV)
steht unter dem Leitgedanken des „Brückenschlag(s) zwischen Natur-
und Geisteswissenschaften . .., weil man der einen Wirklichkeit und
der Ganzheit der menschlichen Existenz verpflichtet ist" (S. 46). Hier
gibt Gläßer einen kurzen Überblick über die Rezeption von Teilhards
Gedanken durch Naturwissenschaftler, Philosophen und Theologen,
besonders auch in der evangelischen Theologie (S. 48-51). Damit endet
der Hauptteil des Buches, das im wesentlichen eine zusammenfassende
Paraphrase von Teilhards theologischen Hauptgedanken und
eine Wiedergabe älterer Stellungnahmen dazu aus den sechziger
Jahren ist.

Doch die wichtigsten 13 Seiten des Buches folgen jetzt erst als
bloßer „Anhang" (wozu dieses Understatement?). Hier nun denkt
Gläßer selbständig, wenn auch im Sinne von Teilhard und dessen
„Synthese", über die Frage nach: „Die Seele des Menschen - Produkt
der Evolution oder Geschöpf Gottes?" Diese falsche Alternative überwindet
der Vf. durch den Gedanken der „Wahrheit des gleichzeitigen
Wirkens des allumfassenden Gottes (Theonomie) und der eigengesetzlichen
Faktoren der Natur und der Geschichte (Autonomie der Welt
und des Menschen)": „Der das Endliche überragende Gott (Transzendenz
Gottes) ist zugleich das innerste Prinzip aller Dinge (Immanenz
Gottes)" (S. 610- Gläßer löst das Problem eines scheinbaren Dualismus
von Schöpfung und Evolution im Sinne Teilhards durch den Gedanken
der „Synergie des Absoluten und des Bedingten", „des
Schöpferwirkens Gottes und des Wirkens der innerweltlichen Faktoren
" (S. 65.63). Geleitet durch die Überlieferung der katholischen
Kirche und angeleitet durch Teilhard, gelingt es dem Vf., die Vermittlung
zwischen Naturwissenschaft und Glaube, zwischen Kultur und
Offenbarung zu leisten, die er in seinem Vorwort als „Auftrag der
Christen" bezeichnet. Der evangelische Theologe, der sich die gleiche
Aufgabe stellt, hat es in der Tat schwerer.

Das reichhaltige Literaturverzeichnis bietet nicht nur einen Überblick
über die Werke Teilhards und die Literatur über ihn, sondern
darüber hinausgehend in vorbildlicher Vollständigkeit (10 Seiten!)
auch „zu dem Thema evolutive Welt und christlicherGlaube".

Aachen Sigurd Martin Daecke

Bayer, Oswald: Vernunft ist Sprache (KuD 32, 1986, 278-292).

Blair. J. Anthony, and Ralph H. Johnson: Argumentation as Dialectial
(Argumentation 1, 1987,41-56).

Brito. Emilio: L'anthropologie chretienne de Sendling (RTL 18, 1987,
1-29).

Decleve. Henri: Schöpfung, Trinität und Modernität bei Hegel. Ein Denkexperiment
(ZKTh 107,1985,287-298).

Höhn. Hans-Joachim: Krise der Moderne - Krise der Vernunft? Motive und
Perspektiven der aktuellen Zivilisationskritik (ZKTh 109. 1987.20-47).

Wenzel. Joseph W.: The Rhetorical View of Argumentation: E.xploring a
Paradigm (Argumentation 1,1987.73-88).

Systematische Theologie: Allgemeines

Creel, Richard E.: Divine Impassibility. An essay in philosophical
theology. Cambrigde - London - New York - New Rochelle -
Melbourne - Sydney: Cambrigde University Press 1986, XI. 238 S.
gr. 8-. Lw.£25.-.

Seit dem Erscheinen des Buches The Impassible God (1926) von
J. K. Mozley kurz nach dem ersten Weltkrieg ist keine gründliche
Untersuchung über das Problem der Apathie Gottes im angelsächsischen
Bereich mehr veröffentlicht worden. In einem vorzüglichen
Buch von R. E. Creel ist die Vernachlässigung dieses Problems wieder
ausgeglichen worden. Der Text ist deutlich als eine Arbeit in der "philosophical
theology" gekennzeichnet und damit als Wiedergeburt
eines Denkstils, der in den letzten Jahren fast ausgestorben ist. Seit
dem zweiten Weltkrieg gingen systematische Theologie und die Philosophie
der Religion (d. h. nicht im engeren Sinne, sondern sprachanalytische
Philosophie!) eigene Wege. Gegenüber dieser Trennung versucht
Creel den Inhalt und die Methoden von beiden Richtungen bei
seiner Untersuchung heranzuziehen. Der Leser trifft deshalb in diesem
Buch wieder auf eine ältere Tradition der angelsächsischen Theologie
, die besonders von Austin Farrer vertreten wurde.

R. E. Creel wählt als Ausgangspunkt die Position von Charles
Hartshorne, sein Hauptgegner, dessen Prozeß-Theologie er angreift-
Der Vf. führt den Begriff Apathie auf acht Definitionen zurück und
analysiert ihre logischen Beziehungen, die als weitere Grundlegung
der gesamten Abhandlung dienen. Grundsätzlich glaubt Creel, daß es
immer möglich ist, einen Gottesbegriff zu finden, in dem Apathie und
die Züge einer liebenden Person versöhnt sein können. Gegenüber den
Tendenzen, die von der Kreuzes- oder der Prozeß-Theologie ausgehen
, strebt Creel danach, die Gestalt Gottes auf ihre klassischen
Ursprünge zurückzuführen. Auf dieser Grundlage wird weiter argumentiert
, daß es keine guten philosophischen Gründe gebe, das
Wissen Gottes einzugrenzen und darüber hinaus die Freiheit Gottes
zu vermindern. An dieser Stelle kann nicht erörtert werden, ob die
Argumente Creels stichhaltig sind. Wichtiger und vielleicht interessanter
scheint es dagegen, bei Creel eine ästhetische Vision Gottes
zu finden, die als Wendung gegen das Bild Hartshornes von Gott als
"cosmic sufferer" (kosmischer Leidender) zu verstehen ist, das
wiederum, m. E. dem Patripassionismus Moltmanns vergleichbar ist.
Anders gesagt, sieht Creel in diesem Zusammenhang ein Bild Gottes,
das sich als ein „Porträt im Sentimentalismus" (125) darstellt. Infolgedessen
vermutet Creel, daß die Religion, die daraus inspiriert ist, sich
nur in „gefühlige Betäubung" auflösen könne. Für Creel ist nicht
wichtig, daß der Gläubige Gott liebt, sondern daß er sich für ihn entscheidet
nach dem unänderlichen Willen Gottes: Hier ist keine Disposition
mehr für eine gemeinsame Entschlossenheit gegeben!

Creel entwickelt seine Untersuchung im Kontext des Angriffs von
Charles Hartshorne gegen die göttliche Apathie-Lehre von Thomas
von Aquin. Dabei unterscheidet er vier Grundaspekte dieses Begriffes:
das Wesen, den Willen, das Wissen und das Fühlen eines solchen Gottes
, die systematisch im ersten Kapitel entfaltet werden. In den folgenden
Kapiteln stellt Creel eine Brücke zwischen diesen analytischen
Begriffen und den theologisch bestimmten Vorstellungen von Zeit-
Ewigkeit, Übel, Freiheit und Schöpfung her. Teilweise strebt Creel
danach, die Struktur der immanenten Prozeß-Theologie Hartshornes
abzubauen im Sinne einer klassischen "philosophical theology", die
sich axiomatisch auf dem absoluten Gut Gottes aufbaut. Damit wird
in dieser interessanten Abhandlung sogar Leibniz durch die sprachanalytische
Philosophie teilweise rehabilitiert. Im Grunde genommen
ist diese Untersuchung nicht nur das Ergebnis einer weitangelegten
Forschungsarbeit, sondern auch eine fortgeschrittene Einleitung in
die neuere angelsächsische, besonders amerikanische philosophische
Theologie; dennoch ist das Buch nicht für Anfänger (auch solche mit
guten englischen Sprachkenntnissen!)geeignet.

Durham Richard H. Roberts