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Ausgabe:

1987

Spalte:

757-759

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Iserloh, Erwin

Titel/Untertitel:

Katholische Theologen der Reformationszeit, 3 1987

Rezensent:

Bräuer, Siegfried

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Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 10

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Noahgeschichte verdeutlicht er, wie dieser die biblische Erzählung in
einen neuen Kontext, den sich weder ihr Autor noch nachfolgende
Redaktoren träumen ließen, brachte, die Ereignisse als folgerichtiges
Hervortreten des Charakteristischen der handelnden Person schilderte
und dadurch nicht nur den Verstand, sondern auch die Vorstellungskraft
ansprach (I 100- An Luthers Auslegung von Rom 9 zeigt er
auf, wie stark sich dieser bei der Schriftauslegung von seelsorgerlicher
Verantwortung leiten ließ. Indirekt fragt der Vf. sowohl die Kirchenhistoriker
, welchen Stellenwert sie der Wirkungsgeschichte der Heiligen
Schrift in ihren Darstellungen zumessen, als auch die Exegeten, ob
sie die Bedeutung der biblischen Texte heute ausschöpfen.

Der letzte Beitrag "Luther and the two kingdoms" wendet sich gegen
Reinhold Niebuhrs Ablehnung der Zweiregimentenlehre Luthers,
mdem er die diesem Urteil zugrunde liegenden Mißverständnisse
bloßlegt. Diese Apologie weitet sich zu einer knappen Skizze der
Theologie Luthers aus, die allerdings Luthers Ausführungen zum
Kampf zwischen dem Reich Gottes und dem des Teufels nicht einbezieht
und entgegen der sonst von dem Vf. so erfolgreich angewendeten
Methode auf einen Vergleich mit der spätmittelalterlichen Zweiregi-
roentenlehre verzichtete.

Diese Aufsatzsammlung bietet eine verständliche und sachgemäße
Einführung in Luthers Theologie, bringt Fortschritte in der Einbindung
Luthers in seinen spätmittelalterlichen Kontext und führt einen
anregenden Dialog mit gegenwärtigen Interpretationen der Reformation
und der Schriftauslegung.

Leipzig Helmar Junghans

Iserloh, Erwin [Hg.]: Katholische Theologen der Reformationszeit. 3.

Mit Beiträgen von R. Bäumer, K. Diez, P. Fabisch, U. Horst, E.
Iserloh, V. Pfnür, E. W. Zeeden. Münster: Aschendorff 1986. 102 S.
m. 2 Abb. gr. 8° = Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter
der Glaubensspaltung, 46.

Erneut nach Jahresfrist fügt der Hg. den beiden bisherigen Heften I
mit 13 Kurzviten (ThLZ 111, 1986, 1190 und 2 mit 10 Kurzviten
(ThLZ 111, 1986, 6040 ein drittes mit 7 biographischen Skizzen altgläubiger
Kontroverstheologen des 16. Jh. aus der Feder von Sachkennern
an: Remigius Bäumer: Konrad Wimpina (7-17); Erwin Iser-
•oh: Thomas Murner (18-32); Peter Fabisch: Johannes Driedo
(33-47); Vinzenz Pfnür: Johannes Mensing (48-64); Ernst Walter
Zeeden: Bcrthold von Chiemsee (65-75); Ulrich Horst: Melchior
Cano (76-87); Karlheinz Diez: Petrus Canisius (89-102). In Anlage,
Umfang und übersichtlicher, gut lesbarer Darbietung entspricht die
"eue Folge den beiden vorangegangenen, wobei im einzelnen abermals
die Akzente unterschiedlich gesetzt werden.

Zu nahezu allen der sieben Kontroverstheologen liegt neuere Speziall
itcratur vor. Sie ist auch weitgehend aufgeführt, aber nicht in allen
Fällen hinreichend ausgewertet worden. Das trifft bereits auf den
ersten Beitrag zu. Die Publikation zum 475jährigen Jubiläum der
Universität Frankfurt/O. ist übersehen worden (Die Oder-Universität
Frankfurt. Beiträge zu ihrer Geschichte. Weimar 1983). So bleibt der
Politische Kontext für Wimpinas Wirken ausgeblendet. Da der Lebensabriß
vorwiegend auf Wimpinas Stellung zur Reformation konzentriert
ist. wirkt er insgesamt etwas blaß. Von der Lehrtätigkeit in
Leipzig erhält der Leser keinen Eindruck. Der Streit mit Martin Pollich
wird nicht einmal erwähnt. Ähnlich flächig knappe Informationen
werden zu Schwerpunkten der Theologie Wimpinas gegeben. Der
yon Bäumer angekündigte Aufsatz von Clemens Honselmann ist inzwischen
erschienen, trägt aber für die Wimpina-Darstellung nichts
aus (C. Honselmann: Wimpina's Druck der Ablaßthesen Martin
Luthers 1528.ZKG97, 1986, 189-204). - Verständlicherweise stützt
sich Iserloh für seine Darstellung Murners vor allem auf die kirchen-
teschichttiche Literatur, wenngleich man eine stärkere Berücksichtigung
der germanistisihen Forschung der letzten Jahrzehnte gewünscht
hätte. Unter den Kontroverstheologen nimmt sich der wortgewandte
und schlagkräftige Satiriker Murner etwas seltsam aus. Iserloh
referiert zwar ausführlich den Inhalt von Murners erster antilutherischen
Schrift („Christliche und brüderliche Ermahnung") und
spricht dem Straßburger Franziskaner das Verdienst zu, „als erster die
Tragweite von Luthers Angriff auf die Messe erkannt zu haben" (25).
verzichtet aber wohl zu Recht auf einen Versuch, die Konturen einer
Theologie Murners zu umzureißen. Die Schilderung der Ereignisse in
Straßburg (Konrad Träger) und Bern (Disputation) ruft Fragen hervor
. Ähnliches gilt von einigen Formulierungen, z. B. wenn Michael
Stifel zum Anführer der Haß- und Spottliteratur gegen Murner ernannt
(26) oder „Die gots heylige meß von Gott allein gestiftet (1528)"
als eine „von religiöse(m) Geist erfüllte Schrift" (31) bezeichnet wird.
- Zeedens Skizze über den Ch iemseer Bischof Berthold Pürstinger besteht
zum guten Teil aus einer relativ ausführlichen Darstellung von
Anlaß und Aufbau der theologischen Schriften Pürstingers. Nur vom
„Kelchbüchlein" erhält der Leser etwas mehr als einen inhaltlichen
Aufriß. Entgegen dem Forschungstrend scheint Zeeden das „Onus
Ecclesiae" Pürstinger absprechen zu wollen, indem er den Beweismangel
für die Autorschaft hervorhebt und diese wichtige Schrift
sonst beiseiteläßt. Die gewichtige Monographie von Gerhard Marx:
Glaube, Werke und Sakramente im Dienste der Rechtfertigung in den
Schriften von Berthold Pürstinger, Bischof von Chiemsee. Leipzig
1982, EThSt 45, in der das „Onus Ecclesiae" Pürstinger zugesprochen
wird, hat Zeeden nicht berücksichtigt. - Bei Pfhürs Darstellung steht
das Magdeburger Wirken des Dominikaners Johannes Mensing und
seine Auseinandersetzung mit den reformatorischen Theologen Magdeburgs
im Mittelpunkt. Die geschichtliche Situation wird weitgehend
nur durch ausführliche Zitate aus der zeitgenössischen und
keineswegs um Objektivität bemühten Chronistik eingebracht. Über
Mensings Theologie informiert Pfnür anhand der Originaldrucke, vor
allem über die Verteidigung des Meßopfers und über das Verständnis
von Priesteramt, Kirche und Rechtfertigungslehre. Er weist darauf
hin, daß eine eingehende Gesamtwürdigung des theologischen Werkes
Mensings noch aussteht. - Am interessantesten lesen sich die Beiträge
über die beiden Kontroverstheologen, deren Wirken sich außerhalb
des deutschsprachigen Raumes vollzog, sowie die auf eigenen Forschungen
basierende Skizze von Diez über Canisius. Fabisch arbeitet
vor allem als Bestreben von Driedo heraus, den Anliegen der reformatorischen
Theologen (Rechtfertigung und Heiligung) entgegenzukommen
. Die Bedeutung des Spaniers Cano sieht Horst darin, daß er
„die Wucht des reformatorischen Angriffs auf die Fundamente der
biblischen Hermeneutik richtig eingeschätzt hat" (82) und sich um
eine neue methodische Grundlegung des Verhältnisses von Offenbarung
und Geschichte, auf der überkommenen theologischen Tradition
aufbauend, bemühte. In seiner Skizze über Canisius zeigt Diez die
Entwicklung von der Kreuzes- zur Inkarnationsmystik und dementsprechend
von einer soteriologischen zu einer korporativen Ekklesio-
logie auf. Er macht aber gleichzeitig darauf aufmerksam, daß der
„eigentliche Schlüssel zum Verständnis des Canisius . .. letztlich auf
einer spirituellen, vor-theologischen Ebene greifbar zu sein" scheint
(99).

Der pastoralc Impuls bewegte neben Canisius zumindest ähnlich
stark zwei weitere der sieben Kontroverstheologen, Mensing und Pürstinger
. Verbunden mit der Sorge um die Erhaltung des überlieferten
Glaubens und der vorfindlichen Kirche war diese Intention mehr oder
weniger bei allen sieben wirksam. Daran liegt es, daß ihnen die Autoren
ihren Respekt nicht versagen können und ihnen Eifer und
Treue gegenüber der Kirche bescheinigen, aber von beeindruckenden
theologischen Gedanken oder gar Konzeptionen nichts zu vermelden
haben. Im Falle Murners bleibt sogar dessen eigentliche Gabe der
sprachgewandten Satire im Schatten.

Weshalb diesem Heft, gegenüber Heft I mit 5 und Heft 2 mit 4, nur
2 Abbildungen (18: Titelholzschnitt von Murners „Yon dem grossen
Lutherischen Narren"; 88: Canisius), noch dazu ohne Bildnachweis,
beigegeben sind, bleibt dem Benutzer verborgen.