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Ausgabe:

1987

Spalte:

53-55

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Lullus, Raimundus

Titel/Untertitel:

Selected works of Ramon Llull 1987

Rezensent:

Heidrich, Peter

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Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 1

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mit Rom. 1046 war er auf der Synode von Sutri, er hielt die Maßnahmen
des Kaisers Heinrich III. für richtig. Vermutlich 1057 wurde
Petrus Damiani zum Kardinalbischof von Ostia ernannt. 1059 griff er
in Mailand im Auftrag der Kurie ein. 1063 traf er in Rom die Kaiserin
Agnes, kurz darauf reiste er nach Cluny. 1072 ist er in der Nähe von
Ravenna gestorben. Es sind 180 Briefe von ihm erhalten, deren Neu-
Edition sehr zu begrüßen ist; die bisherige Ausgabe bei Migne (PL 144
und 145) ging weithin auf eine Ausgabe aus dem Anfang des 17. Jh.
zurück. Freilich stehen der Neuedition große Schwierigkeiten entgegen
, die R. in seiner Einleitung darstellt.

Die Briefe des Petrus Damiani liegen alle ,,nur in Abschriften bzw.
redigierten Redaktionen vor" (9). Die meisten Schreiben tragen den
Charakter „offener Briefe" (1 1). Von einer Datierung ist „nirgends die
geringste Spur" zu finden. Offenbar blieben im Kloster Fönte
Avellana Abschriften, die für die Überlieferung der Briefe größte Bedeutung
haben. Damiani konnte mehrfach später aus früheren Briefen
zitieren oder sogar wortgetreue Abschriften übersenden. Die Edition
nimmt alle Schriften auf, die in Briefform abgefaßt sind, auch wenn sie
nach Umfang und Form schon nach Damianis Meinung „das für
einen Brief festgesetzte Maß" überschritten (12). Wichtig sind die
„Collectanea, die aus den Schriften Damianis die für die Bibelinterpretation
wichtigen Stücke zusammenstellten" (14). Ausführlich geht
R. auf die verschiedenen Codices ein und kommt zu dem Ergebnis:
„Es ist bei dieser Lage der Dinge ausgeschlossen, für die Überlieferung
der Briefsammlung Damianis ein Stemma im klassischen Sinn aufzustellen
" (28). Es gibt auch keine „Edition letzter Hand". Damiani hat
nicht nur selbst immer wieder seine Schriften korrigiert, „er hat auch
andere dazu aufgefordert" (28).

Ein ganz wesentlicher Fortschritt der neuen Edition besteht darin,
daß die Briefe jetzt chronologisch geordnet wurden. „Nachweis oder
Begründung Tür die Datierung eines Briefes sind den jeweiligen Anmerkungen
vorangestellt" (32). In einer Konkordanz werden die
Briefe in neuer und alter Zählung gegenübergestellt (54-62). Vor
jedem Brief werden alle Handschriften und Drucke genannt, die Anmerkungen
gehen oft ins Detail. Überschriften geben in deutscher
Sprache kurz den Inhalt an. so daß auch ein Überblick über die erörterten
Themen rasch gewonnen werden kann. Damiani drängt auf
die Einhaltung der klösterlichen Vorschriften; er tadelt Christen, die
den versprochenen Eintritt ins Kloster hinausschieben oder gar nicht
verwirklichen wollen. Ein Austritt aus dem Kloster ist ausgeschlossen
(32). Er kritisiert auch Bischöfe und warnt vor weltlichen Freuden an
Kleidung und Nahrung; Brief 10 schildert den Vorzug des Wassers vor
Wein, selbst die Neugier (curiositas) wird getadelt (9). Immer wieder
verweist er auf das Jüngste Gericht. Am bekanntesten ist wohl sein zustimmender
Brief (20) an Kaiser Heinrich [IL, nachdem dieser 1046
den Erzbischof Widger von Ravenna abgesetzt hatte. Der längste Brief
setzt sich ein für die Gültigkeit von Weihen durch simonistische
Bischöfe (S. 384-509, Nr. 40). Die im Band 1 abgedruckten Briefe
reichen bis 1052, also zum Pontifikat Papst Leos IX. Die spannenden
Auseinandersetzungen Damianis mit Papst Gregor VII. werden wohl
erst in Band 3 zum Druck kommen. Diesem gründlichen und nützlichen
Werk ist ein zügiges Erscheinen zu wünschen.

Rostock CJcrt Haendlcr

I lull Ramon: Selected Works of Ramon Mull (1232-1316), cd. and

transl. by A. Bonner. Vol. I and II. Princeton. N J: Princeton Uni-
versity Press 1985. XXX, 1329 S. m. 10 Tabellen. 30 Taf.,1 Ktegr.
8". L.$ 195.-.

Lull, Ramon: Buch vom Heiden und den drei Weisen. Frciburg-
Bascl-Wien: Herder 1986.95 S., I Taf. gr. 8". Pp. DM 19.80.

Anthony Bonner, in New York geboren, wohnt in Puigpunyent/
Mallorca. Seit 1954 ist er mit Lull-Forschungcn befaßt; er verfaßte ein
Buch über die Flora der Balcaren. übersetzte Balzac. Frangois Villon.
Jules Verne. Er ist Spezialist für Katalanisch.

Im katalanischen Sprachraum wird heute die Schreibweise „Llull"
verwendet, im Mittelalter war „Lull" üblich. Lull ist für die katalanische
Lit. von ähnlicher Bedeutung wie Dante für die italienische.

Sechs Werke Lulls bietet B. in Übersetzung, diese Übersetzung ist
gut lesbar, sofern man das von Lulls Werken sagen kann. Ein arabisches
, katalanisches oder lateinisches Original ist nicht beigegeben.
Natürlich ist die Vorlage der Übersetzung B.s Hauptverdienst, sie
nimmt auch den größten Teil des Textes der beiden Bände in Anspruch
. Aber der Übersetzer erweist sich als Kenner des geschichtlichen
Hintergrunds, ist mit der Biographie Lulls vertraut und weiß
das Werk zu kommentieren und zu deuten. Damit erschließt er dem
Leser das Bild eines faszinierenden Lebens. Voll Spannung folgt der
Leser den Einführungen in die jeweiligen Werke Lulls, läßt eine bewegte
, beeindruckende Geschichte lebendig werden und erfährt von
den Nachwirkungen Lulls. Dankbar legt der bereicherte Leser das
Buch aus der Hand.

Die politischen, kulturellen, religiösen Verhältnisse auf der Iberischen
Halbinsel mit den ihr vorgelagerten Balearen sind vielschichtig
im 13. Jh. Überall begegnen die drei Religionen einander. Die Welt
der Troubadours, der Albigenser wirkt hinein, auch in das Leben
Lulls. B. übersetzte die Autobiographie Lulls. kommentiert sie und
bietet auch eine Liste der 263 Werke dieses Mannes, der in mehreren
Sprachen schreiben konnte, Bibel, Talmud und Koran studiert hatte
wie Plato und Aristoteles. Aber auch wenn er über Philosophisches
schrieb, er blieb immer der Mann, der bekehren möchte. B. unterscheidet
eine Pre-art phase, vor der Randa-Vision, die Quaternary
phase und die Ternary phase (nach der Zahl der Prinzipien) und die
Post-art phase. Lull suche stets das, was den drei Religionen akzeptabel
sei, vom gemeinsamen semitischen Ursprung her und vom allen
gemeinsamen Einfluß griechischen Denkens her. Die Attribute Gottes
deute Lull realistisch-platonisch, die Effekte in der Welt hätten. Die
christlichen Mysterien seien Teil der Struktur des Universums. Mit
solchem Strukturalismus hänge die techne, die an zusammen, die
Lull entwickelt habe zu einer Logik der Analogie. B. macht deutlich,
daß Lulls Alphabet nicht, wie in nachdescartischer Algebra, Variable
darstelle.

Zur Geschichte des Lullismus finden wir Erörterungen über Lulls
Orthodoxie, die behaupteten Beziehungen zur Alchemie und Kabba-
listik; als literarische Beispiele einer Lull-Kritik werden Rabelais und
Swift genannt; das Anliegen Lulls nahmen Thomas le Myesier,
Sibiuda, Nikolaus von Kues, Athanasius Kircher und dann Leibniz
auf. Feijoo und Pasqual sind die letzten, die vor den reinen Philosophiehistorikern
sich mit Lull befaßten.

Die sechs Werke Lulls, die B s Übersetzung bietet, sind das Buch
vom Heiden und den drei Weisen, die Ars demonstrativa, die Ars
brevis, Felix, die Prinzipien der Medizin und die Flores amoris et in-
telligcntiac. Jedes Werk erhielt eine eigene ausführliche Einleitung.
Das hervorragend gedruckte Werk enthält auch die Zeichnungen, die
für Lulls Denkart wichtig sind, außerdem liegt eine Karte des westlichen
Mittclmeers um 1300 bei und eine Reihe von Farbtafcln. die
Bilder und Zeichnungen von Handschriften wiedergeben.

Der Verleger Herder hat, im Gespräch mit R. Panikkar. den Eindruck
gewonnen, daß Lulls Buch vom Heiden und den drei Weisen
auch für eine weiteres Publikum von Interesse ist und eine deutsche
Auswahl aus diesem Buch veröffentlicht, ausgezeichnet eingeleitet
von bewährten Gelehrten, auch B. ist darunter. Die Auswahl läßt
keinen Eindruck zu von Lulls Strukturalismus; die geistige Haltung
Lulls wird indes überzeugend deutlich: In dem Gespräch eines Heiden
mit je einem Vertreter der drei Religionen bleibt der Erfolg völlig
ollen. Panikkar arbeitet sehr schön die Gesichtspunkte heraus, die
Lulls Art eines interrcligiösen Gesprächs als hochaktuell erkennen
lassen, er sieht das Gespräch intrarcligiös werden, so daß jeder den
Tiefen der eigenen Religion vertrauter wird. Für den Verleger ist der
Sei. Ramon Lull nicht nur ein Vorläufer des letzten Konzils mit
dessen Deutung der Religionen, sondern auch ein Patron seines eigenen
Berufs.