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Ausgabe:

1987

Spalte:

749-751

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Barth, Markus

Titel/Untertitel:

Das Mahl des Herrn 1987

Rezensent:

Becker, Jürgen

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Theologische Literaturzeitung I 12. Jahrgang 1987 Nr. 10

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tischen, strukturellen und terminologischen Ähnlichkeiten, die viele
neutcstamentliche bene/äctor-Aussagen mit ihresgleichen aus der hellenistischen
Welt verbinden, nur selten wirkliche Zusammenhänge
zwischen den Aussagen beider Bereiche enthüllen. Meist werden
lediglich Analogien aufgedeckt, die als solche zur Interpretation der
neutestamentlichen Texte nur wenig beitragen können. Danker mag
klagen: "Unfortunately, little attention has been paid to the cultural
context for the understanding of PauPs use of the dikaio-family"
(347). Die so kritisierten Ausleger des Römerbriefs könnten aber
durchaus gewußt haben, warum sie bei ihrer Interpretation der pauli-
nischen Rede von der dikaiosyne theou dem von Danker beackerten
Feld so wenig Beachtung geschenkt haben: Es bietet nicht viel, was
Jene erhellen könnte! Mir mißfällt weiter, daß Danker nicht einmal
einen Seitenblick auf das Alte Testament geworfen hat. Der würde
'hm vielleicht schnell gezeigt haben, daß z. B. aufdem Feld "Respon-
ses to benefactors" mancherlei Gemeinsamkeiten nicht nur zwischen
griechischer Epigraphik und Neuem Testament, sondern darüberhinaus
auch zwischen deren Aussagen und denen der alttestamentlichen
Psalmenfrömmigkeit bestehen (vgl. nur Ex 15; Ps 106 LXX). Aussagen
im henc/actor-Berekh resultieren offenbar häufig aus bestimmten
Strukturen, die sachlich vorgängig sind. Die Ähnlichkeiten zwischen
den alttestamentlichen, neutestamentlichen und hellenistischen
Texten erklären sich infolgedessen wohl zumeist aus dieser Vorgabe
und weniger aus der Abhängigkeit etwa der neutestamentlichen bene-
fcvor-Aussagen von solchen, die im hellenistischen Bereich beheimatet
sind. All dies macht Dankers Buch freilich nicht wertlos; was
bleibt, ist ein von Fall zu Fall unterschiedlich gewichtiger Beitrag zum
corpus hellenisticum, der allerdings, um ihn leichter ausschöpfen zu
können, dringend eines Sach- bzw. Begriffsregisters bedürfte. Darüber
Klage zu führen, daß es anscheinend nicht möglich war, in einer epigraphischen
(!) Studie griechische Texte auch griechisch zu setzen, ist
angesichts der überall steigenden Buchherstellungskosten wohl
zwecklos.

Berlin (West) Eckhard Plümacher

' Darunter, zum Beweis der Kontinuität epigraphischer Sitten (vgl. S. 42),
auch zwei moderne (in klassischer Gräzität abgefaßte) Inschriften, Nr. 14 und
40, letztere eine Ehrung des griechischen Volkes für Präsident Harry S. Tru-
man, deren historische Umstände auf S. 40ff doch wohl allzu breit dargelegt
sind.

Bereits publiziert in: Society of Biblical Litcrature. 1981 Seminar Papers,
Chico.CA 1981,39-48.

Merkwürdig ist die Auflösung des Kürzels „Nestle-Aland" auf S. 18. Danach
sind Herausgeber der 26. Aufl. „Nestle, E.; Aland, Kurt; Junack, K.et al.
epV' Vgl. noch S. 47. Das Titelblatt meines Nestle - Aland26 sieht anders aus!
Übrigens fehlt im Literaturverzeichnis (und, wenn ich recht sehe, auch sonst)
Jeder Hinweis auf das Theologische Wörterbuch zum Neuen Testament (Kittel
) Kennt Dankeresnicht?

Barth, Markus: Das Mahl des Herrn. Gemeinschaft mit Israel, mit
Christus und unter den Gästen. Neukirchen-Vluyn: Neukirchcner
Verlag 1987. VIII, 275 S. 8 Kart. DM 48,-.

Das Werk ist von einer Selbsteinschätzung getragen, die B. S. 17fso
beschreibt: „Die einstweiligen Ergebnisse meiner exegetischen Arbeit,
die in den folgenden vier Hauptteilen vorgelegt werden, weichen in
Wesentlichen Punkten ab von vielem, was in wissenschaftlichen neutestamentlichen
Wörterbüchern, Kommentaren, Theologien und
Monographien zu lesen ist." Das ist richtig. Man wird hinzufügen:
Diese Selbständigkeit - um nicht zu sagen: Eigenwilligkeit - des
Autors überrascht nicht, hat sich doch B. schon des öfteren zum
Thema in ähnlicher Weise geäußert, wobei vor allem „Das Abendmahl
. Passahmahl, Bundesmahl und Messiasmahl", ThSt 18, 1945,
Beachtung verdient. Die Position von B. ist also längst bekannt. Sie
bat in der Diskussion die Aufnahme gefunden, die sich indirekt in der
zitierten Selbstbeurteilung widerspiegelt.

Diese Kunst, mit einer These auch allein zu stehen, ja sogar abseits,
ist bei B. getragen von-mehreren Voraussetzungen: 1. B. bringt bewußt
eine systematische Auffassung in die Exegese ein: Er will in selbständiger
Weise die Theologie seines Vaters fortentwickeln (S. 1 ff u. ö.). 2.
B. ist ein engagierter Vertreter des christlich-jüdischen Gesprächs, der
die Erklärung der Rheinischen Synode von 1980 zum Verhältnis von
Christen und Juden weiterentwickeln will (S. 2l.37.50f usw.). 3. B.
vertritt eine eigene Hermeneutik, die „ein lebendiges und verständliches
Christuszeugnis" angesichts der „unsagbaren Verbrechen . ..
an Israel", der „Vorherrschaft von Hunger, Unterdrückung. Kriegsvorbereitung
in aller Welt" usw. intendiert, und der als Wahrheitsbeweis
allein das „bessere, klarere und freudigere Christuszeugnis"
anerkennt, die exegetischen Vorschläge jedoch, die „rechthaberisch
mit Bibelstellen" arbeiten und „Exegese nur als Kunst um der Kunst
willen betreiben", abqualifiziert (S. 19).

Von solchen Voraussetzungen her - zusätzlich versehen mit einem
starken Affekt gegen die Ökumene, die immer noch nicht einsehen
will, daß „heute Christen die Juden nötiger" haben „als Juden die
Kirche" (S. 51; vgl. auch S. 6-11; 50f) - wird nun das neutestament-
liche Zeugnis vom Mahl des Herrn so verstanden, daß es der Einheit
des einen Volkes Gottes aus Juden und Christen dient: Die exegetische
Arbeit über das Mahl des Herrn gerät zum gegenwärtigen
„Christuszeugnis" im oben angedeuteten Sinn.

B. baut dann seine Darstellung in vier großen Teilen auf. Er behandelt
: Die Gemeinschaft mit Israel, die Gemeinschaft mit dem Gekreuzigten
und Kommenden, die Gemeinschaft der Gäste untereinander
und das Christuszeugnis von Joh 6. Schon an diesem Aufbau erkennt
man die Dominanz des Gemeinschaftsgedankens und den Vorrang,
den Israel erhält, wie" überhaupt konsequent von Israel und seinen
Traditionen her gedacht wird. Fragestellungen, wie sie z. B. etwa
H.-J. Klauck: Herrenmahl und hellenistischer Kult, 1982, schon im
Titel anklingen läßt, werden praktisch ignoriert, wie überhaupt die
exegetische Literatur nur in sehr einseitiger und schmaler Auswahl
herangezogen ist.

Grundlegende exegetische Voraussetzung Tür solches Programm
muß es natürlich sein, daß Jesu letztes Mahl ein Passamahl war
(S. 20fT): Beim Zusammenhang zwischen Passamahl und Mahl des
Herrn geht es nicht „um eine bloß historische Frage,... es geht auch
nicht nur um ein religions-, kult-, literatur- bzw. traditionsgeschichtliches
Problem. Auf dem Spiel steht das Verhältnis zu Israel, seiner
Geschichte, seinem Gottesdienst, dazu auch die persönliche Beziehung
zwischen Christen und Juden" (S. 37). Dies wird so konkret
verstanden, daß um „der Bruderschaft mit Israel" willen unmittelbar
liturgische Konsequenzen für eine heutige Mahlfeier gezogen werden
(S.44ff).

Ist damit zugleich das Ergebnis des ersten Teiles angedeutet, so lautet
die Grundthese des zweiten Teiles: „Paulus zufolge verkündigt die
Gemeinde durch die ganze Feier des Mahls des Herrn, daß ein einziger
, Jesus Christus, für alle Menschen fürbittend eingetreten und daß
dieser Fürsprecher erhöht worden ist. Indem sie Gott am Tisch des
Herrn lobt und dankt, zeigt sie, daß jeder Jude und Heide so gut wie
jeder Christ einzig davon lebt, daß der Sohn Gottes nicht umsonst für
ihn gebetet hat und noch ständig Fürbitte leistet" (S. 85). So ist das
Mahl des Herrn „ein Gott wohlgefälliges Menschenwerk" (S. 83) und
der Streit um die Realpräsenz Christi eine „gegenstandslose Frage"
(S. 96).

Im dritten Teil steht dann die Mahlfeier als Wegzehrung für Menschen
, die unterwegs sind, also das wandernde Gottesvolk, im Zentrum
. Der von Gott erneuerte Bund verbindet alle geladenen Gäste
durch das Band der Liebe. B. weiß, daß Joh 6 seinem bisher vorgetragenen
Verständnis des Mahles am auffälligsten widerspricht. Darum
widmet er den joh Aussagen einen eigenen Teil, in dem er souverän
alle nicht atl.-jüd. „Parallelen" zurückstellt und die „bildliche"
Sprache des Textes so deutet, daß der Text in B.s Gesamtverständnis
eingeordnet wird.

Damit ist B. - wenn auch exegetisch mit sehr viel Mühe und z. T.