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Ausgabe:

1987

Spalte:

741-744

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Holladay, William L.: Jeremiah 1.

Titel/Untertitel:

Chapters 1 - 25 1987

Rezensent:

Thiel, Winfried

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Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 10

742

solche Spiritualisierung nicht angesichts der Botschaft des AT zu einseitig
?

Die harten und unbequemen Gotteserfahrungen in 1 /2Sam lassen
s>ch in der Tat schwer in unsere gängigen Moralvorstellungen integrieren
, weil Jahwe sich diesem Kodex nicht unterzieht. Übrigens
auch der Gott des NT nicht, wie z. B. die NT-Stellen zeigen, die
Gordon 147 redlicherweise zitiert. Insofern steht also das Verständnis
"ergänzen Bibel auf dem Spiel. Die biblischen Aussagen (und besonders
deutlich die alttestamentlichen) zwingen zur Hinterfragung
unseres eigenen Gottesverständnisses, das sich immer wieder als von
bürgerlichen Moralvorstcllungen umklammert erweist.

Ein Testfall sind auch die Aussagen über den von Jahwe (!) gesandten
bösen Geist. Mit Recht weist Gordon auf den befremdlichen Tatbestand
hin, daß bei Sauls Tötungsabsicht gegen David (18,10)
dasselbe Vokabular wie beim Jahwe-Geist an Richter und Propheten
begegnet (,y//i. nb'). Doch bei der Kommentierung von 16,14 entgeht
Gordon der Versuchung zur Verharmlosung der biblischen Aussage
m- E. nicht.

Die harten Aussagen in I /2Sam bleiben wohl weiterhin eine von
unserer Zeit noch nicht ausgeschöpfte Hilfe, daß so richtige Sätze wie
der folgende nicht zur platten Erbaulichkeit verkommen: David ist "a
very flawed human being, as dependent upon divine merey as any
other, and ostensibly more than most, who fills the pages of Samuel"
(49).

Liestal bei Basel Edgar Kellenberger

Holladay, William L.: Jeremiah 1. A Commentary on the Book ofthe
Prophet Jeremiah Chapters 1-25, ed. by P. D. Hanson. Philadelphia
, PA: Fortress Press 1986. XXII, 682 S. gr. 8" = Hermeneia- A
critical and historical Commentary on the Bible.

W. L. Holladay hat sich durch zahlreiche Arbeiten als ausgezeichneter
Kenner des Jeremiabuches und seiner Probleme ausgewiesen
(vgl. ThLZ 101, 1976, 25-27: 105, 1980, 1040. Bekannt ist auch die
'hm eigene, sehr stark durch rhetorisch-strukturelle Beobachtungen
geprägte Interpretationsweise.

Einleitung zum Kommentar, volle Bibliographie und Register sind
ftr den ausstehenden zweiten Band aufgespart. Zur ersten Information
des Benutzers sind dem vorliegenden Band eine Liste der oft
2,tiertcn Werke und eine Skizze der Wirkungsphasen Jeremias ("A
Chronology of Jeremiah's Career") vorangestellt. Letztere entstammt
e'ner separaten Veröffentlichung des Vf. (Int. 37. 1983. 146-159) und
g'bt seine derzeit gültige Auffassung wieder. Dabei erhält er seine
(unwahrscheinliche) Vorstellung aufrecht, das Jahr 627 v.Chr.
(•*er 1,2) bezeichne den Zeitpunkt der Geburt Jeremias, nicht den
seiner Berufung. Weiterhin vermutet H. eine regelmäßige, alle 7 Jahre
stattfindende Verlesung des deuteronomischen Gesetzes (615, 608,
601, 594, 587 v.Chr.). Damit sind nicht nur wichtige Ecksteine der
Verkündigung Jeremias markiert. Vor allem gibt diese - von keinem
Text explizit bestätigte - Hypothese H. die Möglichkeit, die umstrittenen
Prosatexte im deuteronomistischen (dtr.) Stil ohne besondere
Probleme dem Propheten selbst zuzuschreiben: "It is my proposal. . .
that several of the parade examples of Deuteronomistic prose in the
°ook are Jrm's (= Jeremiah's) various counterproclamations at those
times when Deuteronomy was recited." (I 0 Damit ist die Nötigung zu
'iterarkritischer oder redaktionsgeschichtlicher Differenzierung von
Vornherein weitgehend abgewehrt.

Als Berufungsjahr Jeremias schlägt H. 615 vor und rechnet damit,
daß der junge Prophet bis 609 die Politik Josias zur Wiedervereinigung
mit dem ehemaligen Nordreich propagandistisch unterstützte
(Niederschlag in Kap. 2-3:30-31). Die Tempelrede (7.1 -12/26) aus
dem Jahre 609 stellt einen Ruf zur Umkehr dar, ebenso die sog. Ur-
rolle von 605. deren Inhalt H. genau zu bestimmen vermag. Sie wurde
nicht 604. sondern (mit LXX) erst 601 verbrannt. Die zweite Rolle
enthielt auch die seit 605 verkündigten Worte sowie eine Neuinterpretation
der älteren Sprüche. Etwa in diese Zeit (601 /600) datiert H.
auch die ersten „Konfessionen", während die späteren in die Zeit
nach 594 gehören, wobei Jeremia die früheren Texte durch Zusätze
ergänzte. Die Rede 11,1-17 beurteilt H. als die prophetische "coun-
terproclamation" zur Verlesung des Deuteronomiums im Herbst 594.
In die Zeit der Belagerung Jerusalems 588/87 gehören die Zeichenhandlungen
des Ackerkaufs (32,1-15) und die Anfertigung einer
neuen Rolle mit Zukunftsverheißungen (Kap. 30-31 *). in der der
Prophet ältere Worte für Nordisrael mit neuen Sprüchen für Juda
aktualisierte. Auf die kurz nach dem Fall Jerusalems (!) erfolgte
Gesetzesverlesung im Herbst 587 reagierte Jeremia mit dem Wort
vom „neuen Bund" (31,31-34). Nach Ägypten verbracht, starb Jeremia
dort mit etwa 40 Jahren.

Die Kommentierung, in zwei Kolumnen gedruckt, ist klar und
übersichtlich gegliedert. Der Aufbau ähnelt dem des „Biblischen
Kommentars", von dem ja einige Bände in englischer Übersetzung in
der Reihe „Hermeneia" erschienen sind. Jedem Abschnitt sind
spezielle Literaturangaben vorangestellt, die noch in sich gegliedert
sind. Weitere Literaturbezüge sind in den Anmerkungsapparat verwiesen
und belasten die eigentliche Textinterpretation nicht. Die
Übersetzung hält sich eng an den hebräischen Wortlaut und ist nach
der Einschätzung des Vf. daher "sometimes excessively wooden"
(XII). Der Übersetzung ist die Textkritik in der Parallelkolumne
gegenübergestellt, was für den Benutzer außerordentlich bequem ist.
Komplizierteren Perikopen werden "Preliminary Observations" vorausgeschickt
, ansonsten gehören "Structure", "Form", "Setting".
"Interpretation" und "Aim" zu den ständigen Gliederungselementen.

Einige knappe Exkurse sind an passender Stelle in die Kommentie'
rung eingefügt. Der erste beschäftigt sich zu 1, 15f mit dem „Feind aus
dem Norden", für den bei H.s Spätdatierung der Berufung Jeremias
nur die Babylonier in Betracht kommen. Zu 6,29a wird die Metallurgie
von Blei und Silber im Altertum beschrieben. Allzu kurz fällt der
Exkurs "The Theology of Symbolic Actions" zu 13,1 -12a« aus.

Die zusammengesetzte Form der Überschrift (1.1-3) veranlaßt H.
zu der Annahme, daß sie in drei Stufen entstand (V. 2 + V. 3 + V. I,
eine Reihenfolge, die wenig einleuchtet und Textveränderungen voraussetzt
). Den Berufungsbericht 1,4-19 beurteilt er, abgesehen von
einigen Erweiterungen, als eine Einheit, die allerdings stufenweise aus
Jeremias Hand hervorgegangen ist. Das Visionspaar V. 11-14 gehört
als weiteres Zeichen mit zur Berufungssituation, während V. 15-16
im Jahre 605 und V. 17-19 um 594 hinzugefügt wurden. In 15a.16a
liege übrigens ein älteres Wort über das Nordreich vor. das 605 in eine
Ankündigung des Feindes aus dem Norden uminterpretiert wurde -
eine schwer nachzuvollziehende, da kaum zureichend begründete
Annahme, der auch der Wortlaut von V. 14 entgegensteht. In der
Berufung zum Propheten „für die Nationen" und in der Differenz des
Wortlauts von V. 5 und 10 sieht H. keine Schwierigkeiten. Die offensichtlichen
Spannungen im Text werden phantasievoll überbrückt, so
daß dann doch das Bild einer „Einheit letzter Hand" entsteht. Die
Vorstellung des seine eigenen Sprüche erweiternden, aktualisierenden
und explizierenden Propheten bleibt Tür den ganzen Kommentar
bestimmend.

In der Sequenz 2,1-4,4 erkennt H. dementsprechend einen älteren
Kern jeremianischer (jer.) Sprüche an das Nordreich (2.4-9:
3.1-2.4-5.12.14-15.18bß. 19.21 a.22-23.24-25*: 4.1-2). eine Erweiterung
mit Umadressierung an Jerusalem und Juda beim Diktat der
ersten Rolle (2.1-3.10-25.29-37; 3,13.21b; 4,3-4) und weitere jer.
Zusätze in der zweiten Rolle (2.26-28: 3.3.20). Nachjer. Erweiterungen
liegen nur in 3,6-11.16— 18ba vor. Die Tempelrede umfaßte
ursprünglich nur 7.2(LXX).3-12 und wurde beim Diktat der zweiten
Rolle um V. 13-15 ergänzt, worin sich der Umschlag vom Umkehrappell
zur Gerichtsverkündigung spiegelt. Daß V. 12 jemals einen
originalen Abschluß darstellte, scheint allerdings schwer vorstellbar.
Im Aufbau der Rede lehnte sich Jeremia an die vorgegebene Form des
"covenantal speech" an. Die folgenden Einheiten des Kap. 7 sind
unterschiedlich zu datieren: 7.16—'20 in die Zeit unmittelbar nach