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Ausgabe:

1987

Spalte:

739-741

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Gordon, Robert P.

Titel/Untertitel:

1 & 2 Samuel 1987

Rezensent:

Kellenberger, Edgar

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Theologische Literaturzeitung I 12. Jahrgang 1987 Nr. 10

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von ihm bisher Ausgeführten eine Zwischenbilanz. In sieben Thesen,
denen er Erläuterungen beifügt, stellt er als Ergebnis seiner Untersuchungen
heraus, daß es nicht möglich ist, ein gesamtbiblisches Konzept
einer Theologie zu erstellen, obwohl ein solches immer wieder als
dringendes Erfordernis bezeichnet worden ist. Er macht weiterhin
darauf aufmerksam, daß alle Lösungsversuche philosophische und
systematisch-theologische Voraussetzungen besitzen, durch die ihre
Ausformung wesentlich bestimmt ist. Er tritt Tür die historischkritische
Methode zur Erforschung biblischer Texte ein. Skeptisch
äußert er sich gegenüber der „Hoffnung auf die endliche Entdeckung
eines geistigen Bandes, das die vielgestaltige biblische Welt im Innersten
zusammenhält" (225). Vielmehr muß nach seiner Auffassung die
„Komplexität des Problems", die sich in vier Pluralitäten Ausdruck
verschafft (in der Pluralität der philosophischen Prämissen, der systematisch
-theologischen Prämissen, der alttestamentlichen und der neu-
testamentlichen Theologien), ernst genommen werden (215-225).

Da jedes Konzept einer gesamtbiblischen Theologie nach seiner
Meinung auf philosophischen Voraussetzungen beruht, nutzt Oeming
für die Konzipierung seines Entwurfs selber bewußt philosophische
Theorieelemente, die ihm „zur logischen Klärung der Probleme einer
gesamtbiblischen Theologie nützlich erscheinen" (226). War für
G. von Rad und viele seiner Nachfolger H.-G. Gadamer der Gewährsmann
, so ist es für unseren Autor H. Ricken und in dessen Gefolge
M. Weber. Von ihnen her versucht er, die „Konturen einer Biblischen
Theologie als wertbeziehender Exegese" nachzuzeichnen (226-241).
Leider bleiben die Ausführungen des Vf. dazu blaß und wenig überzeugend
.

Leipzig Siegfried Wagner

' Hauptprobleme der Biblischen Theologie im 20. Jahrhundert, 1983; vgl.
ThLZ 110, 1985,219-221.

1 Geht zurück auf eine von A. H. J. Gunnewcg angeregte und betreute Dissertation
, die von der Bonner Theologischen Fakultät 1984 angenommen
wurde.

Altes Testament

Gordon, Robert P.: 1 & 2 Samuel. A Commentary. Exeter: Paternoster
Press 1986. 375 S.gr. 8°.£ 12.95.

Nach den Kommentaren von Stolz, Klein (zu ISam) und McCarter
erscheint in diesem Jahrzehnt als hilfreiche Ergänzung ein vierter mittelgroßer
Kommentar zu 1 /2Sam. Der Autor, Lecturer in Divinity in
Cambridge, veröffentlichte bereits 1984 eine Einleitung zu 1 /2Sam in
der Sheffielder Reihe "OT Guides", worauf er öfters verweist. Trotzdem
ist die Einleitung in diesem Kommentar mit über 60 Seiten
(konzentriert geschrieben und mit englischer Ironie gewürzt) gut
dotiert. Da wird nicht nur die verwickelte Textgeschichte (Mt, LXX,
4QSam) umsichtig referiert. Die gleiche nüchterne Skepsis gegenüber
wissenschaftlichen Hypothesen zeigt sich noch stärker bei der
Behandlung Iiterarkritischer, übcrlieferungsgeschichtlicher und historischer
Fragen. Gordons Skepsis setzt große Fragezeichen zur Existenz
nicht nur einer zusammenhängenden Ladeerzählung, sondern
auch einer Aufstiegs- und einer Thronfolgegeschichte. Vf. entschuldigt
sich bereits im Vorwort für seine Skepsis und betont gleichzeitig
den tröstlichen Tatbestand, daß wir aus 1 /2Sam so viel verstehen und
schöpfen können, obwohl wir "next-to-nothing" über den literarischen
und redaktionellen Prozeß wissen. Auch in bezug auf Spuren
deuteronomistischer Bearbeitung ist dieser Kommentar zurückhaltend
. So werden etwa die königskritischen Partien innerhalb
lSam7-12 auf Überlegungen bereits zur Zeit der Ereignisse selbst
zurückgeführt, auch wenn die heutige Textgestalt durch spätere
Bearbeitung mitgeprägt sein mag. Vf. legt den Finger auf die "inter-
dependence of plot and narration" (ein Zug ist mit anderen in weiteren
Kapiteln verwoben). Das sonst häufig praktizierte "dismantling
and reassembling of the various components" hingegen mißachtet
dies und schafft nur neue, künstliche Probleme. So wird z. B. der sich
in Mizpa versteckende Saul (10,21 0 für Gordon am besten erklärbar
als Sauls Reaktion auf seine Designation in 9-10,16. Gordon möchte
sämtliche Berichte über Sauls Königswerdung als Auseinandersetzung
mit den Fragen jener Zeit sehen, wo man das Königtum als etwas
Neues von den Erfahrungen der Richterzeit her zu deuten und einzuordnen
versuchte. ,

Überraschenderweise legt Vf. bei der sog. Thronfolgegeschichte den
Akzent gerade anders, indem er an der Abfassung in salomonischer
Zeit erhebliche Zweifel übt, ohne jedoch die Beweggründe zur Entstehung
dieser Kapitel nennen zu können. Auch hier referiert Vf. sorgfältig
und kritisch die Ansichten der gängigen Sekundärliteratur; seine
Skepsis läßt ihn bei der Nennung seiner eigenen Sicht kaum über
Fragezeichen hinauskommen.

Die Überlieferungen über die Lade (ISam 4-7,1) hinwiederum
werden als Auseinandersetzung mit Problemen des 11. Jh. verstanden
. Dabei schließt Vf. nicht aus, daß diese Kapitel späteren Zeiten als
Lektion dienten, etwa im 8. Jh. in der Auseinandersetzung mit Einflüssen
assyrischer Religion (Schickiberger) oder auch in der Zeit des
Babylonischen Exils (Timm).

Im Anhang 2Sam 21-24 schließlich sieht Vf. eines der seltenen
Beispiele, wo eine chiastische Kompositionsstruktur (ABC/C'B'A')
wirklich einleuchtet und zum Verständnis des Textes auch etwas austrägt
.

Die eigentliche Kommentierung geht, nach kurzen Vorbemerkungen
zu den einzelnen Kapiteln, Vers für Vers vor. 55 biblische Kapitel
auf 250 Seiten zu kommentieren, setzt natürlich deutliche Grenzen.
Die übersichtliche und gut lesbare Darstellung macht es dem Leser so
bequem wie möglich (am Schluß des Buches geben 40 Seiten Anmerkungen
viele Hinweise auf Monographien und vor allem neuere Aufsätze
). Die kenntnisreiche Bearbeitung durch Gordon bringt für jeden
Benutzer des Kommentars etwas: Besprechung von Textvarianten
(LXX und Qumran), sachliche, historische und theologische Erklärungen
. Dabei können sprachliche Hinweise durchaus auch theologische
Dimension zeigen (einige Beispiele: m's in ISam 16,7 und in
der Saulüberliefcrung; r'h f in ISam I6,1.17;.vw' in ISam28,18"an
echo ofthe obedience motifofeh. 15"; r1' b1 jnj in 2Sam 11,25b.27).

Das Bemühen um ein theologisches Verständnis nimmt in diesem
Kommentar ein besonderes Gewicht ein. Bereits im Vorwort findet
sich der Hinweis, daß die Erzählungen "offen stop short just where wc
might expect a word of censurc or a moralizing tailpicce". Es wirft
jedoch ein bedenkliches Licht auf heutige Kirchlichkeit (in England
und anderswo!), wenn Gordon sich gleich darauf absichern muß, daß
Platzmangel (!) teilweise verantwortlich sei "for my following this
good cxample; but the reader may rest assured that I too am 'against*
murder, duplicity and all their evil cronies". In der Kommentierung
etwa der Bathseba-Erzählung bricht dann aber doch ein eminent
moralisierender Zug durch, welcher den biblischen Text überlastet,
bis hin zur merkwürdig verallgemeinernden (und m. E. fälschen)
Bemerkung, daß in beiden Testamenten die Reue eine notwendige
Voraussetzung der Vergebung sei (259). Schon daß Vf. sonst mit
Recht die Bedingungslosigkeit von Jahwes ewigem Bund mit David
und dessen Nachkommen betont, sollte hier zur (vom Vf. sonst reichlich
geübten) Vorsicht mahnen; und daß Davids Verhalten nach dem
Tod des Kindes (12,18 ff) nicht zum gängigen Bild eines zerknirschten
Büßers paßt, kann Vf. nicht befriedigend erklären.

Es bleibt ein Verdienst dieses Kommentars, daß er sich vornimmt,
die alttestamentlichen Texte unter Verzicht auf voreilige Christianisierung
ausreden zu lassen und gleichzeitig doch als verbindliches
Wort für Christen zu hören. So fragt z. B. ein Exkurs zum Bann nach
der Relevanz für heutige christliche Leser (1470 und kommt schließlich
recht allgemein zum Kampf gegen die „Mächte und Gewalten"
(Eph 6,12) als einem Kampf zwischen Fleisch und Geist (Gal 5,l6fl
mit Hinweisaufdie Amelekiter-Stellen Ex 17,16 und ISam 15,18). Ist