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Ausgabe:

1987

Spalte:

695-697

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Josuttis, Manfred

Titel/Untertitel:

Rhetorik und Theologie in der Predigtarbeit 1987

Rezensent:

Henkys, Jürgen

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695

Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 9

696

Im Nachwort wendet sich Vf. zunächst gegen die „Schreibtischauslegung
" (137). Seiner Meinung nach wird ihr mehr Sachorientierung
und damit auch Sachlichkeit zugestanden als dem Spielen. Dieses ist
vornehmlich eine punktuelle Konzentration ganzheitlicher Ausdrucksformen
. Vf. wendet sich gegen die „Einzelauslegung" und will
biblische Inhalte in Gruppen ganzheitlich erschließen. Die Beteiligung
von Gruppen an der Bibelauslegung „übersetzt den Text notwendig
in ein Geschehen". Die biblische Botschaft muß, weil der
Kanon eine bewußte „Zusammen-Überlieferung" (139) ist, im Zusammenhanggesehen
und verstanden werden („synoptische Perspektive
"). Die Zergliederung in Leseabschnitte und Perikopen erzeugt
den Eindruck, „der kurze Abschnitt sei sozusagen der Normalzustand
des Wortes Gottes" (146). Vf. will auch die durch die theologische
Schriftauslegung errichtete und den Bibelleser entmutigende Barriere
„unerreichbarer Vorkenntnisse" (139) abbauen. Seine wenig differenzierte
, geradezu polemische Argumentation richtet sich gegen die
„philologische Exegese" (140). Sie tritt der Bewegung des Textes
„abständig gegenüber" (141). Erschließung der Bibel in Gruppen mit
Hilfe von Spielen macht es notwendig, „lebensechte Situationen
durchzuspielen". So können Texte auf ihren „Realitätsgehalt" hin
befragt werden (142). Unverständlich bleibt der Widerspruch, daß Vf.
einerseits der „sogenannten historisch-kritischen Forschung und einer
akademischen Wissenschaft" Förderung bei dem Bemühen um ein
neues Schriftverständnis abspricht (147), andererseits jedoch der
.jahrhundertelangen Arbeit der Auslegung und der systematischen
Theologie" zugesteht, für das „Verstehen der Bibel im Spiel" die
wichtige Voraussetzung der Strukturierung des biblischen und theologischen
Stoffes geleistet zu haben (152). Daß Spiel Phantasie freisetzt
(153) und Spiele besonders humane Arbeitsformen sind (154), ist
unwidersprochen und im religionspädagogischen wie im katechetischen
Reflexions- und Praxisfeld längst bewußt und geübte Praxis.
Erweiterungen in die Arbeit mit Erwachsenen hinein (z. B. Gemeindeseminare
, Bibelwochen) deuten Veränderungen in der Gemeindepraxis
an. Ihre Akzeptanz durch eine vom Vf. karikierte akademische
Theologie deutet deren hermeneutische Abstinenz an, sollte jedoch
nicht an weiteren Schritten hindern. Problematisch ist das aus dem
Zusammenhang erkennbare Postulat, das Verstehen der Bibel im
Spiel sei die dem Wahrheitsanspruch der Bibel adäquate Form ihres
Verständnisses und ihrer Auslegung. Die ist vielmehr komplementär
zu anderen Formen und allenfalls unter bestimmten Bedingungen zu
favorisieren. Für beides bleibt Vf. eine überzeugende theologische und
didaktische Begründung und Kommentierung schuldig. Die Grenze
seines Vorhabens wird durch die Spielangebote selber erkennbar:
Biblische Grundkenntnisse sind unverzichtbar. Voraussetzungen sind
ferner Sprachfähigkeit, die Bereitschaft, sich auf spielerische Prozesse
einzulassen und größere Gruppen. Vermutlich sind sie mehr für ältere
Kinder und Jugendliche geeignet als für Erwachsene. Ihre Praktikabilität
scheint auf Rüstzeiten eher gegeben zu sein als bei den kurzzeitigen
wöchentlichen Zusammenkünften. Aus den Spielen läßt sich ein
primäres Interesse an Bibelkenntnis erheben und nicht daran, die
Bedeutsamkeit der biblischen Botschaft für heutige Lebensgestaltung
und Weltverantwortung zu entdecken. Insofern bleiben die Konkretionen
in den Spielen gegenüber den prinzipiellen Explikationen im
Nachwort zurück. In einer Situation des Traditionsabbruchs, allgemeiner
Sprachlosigkeit und angesichts der Aufgabe, in der Gemeinschaft
aller Generationen Leben in der Perspektive des Glaubens zu
lernen, ergeben sich andere Fragen mit anderen Konsequenzen.

Schwerin Eckhart Schwerin

Praktische Theologie: Homiletik

Josuttis, Manfred: Rhetorik und Theologie in der Predigtarbeit.

Homiletische Studien. München: Kaiser 1985. 215 S. gr. 8'. Kart.
DM 30,-.

Manfred Josuttis hat zehn seiner homiletischen Studien aus zwanzig
Jahren zu einem Buch zusammengefaßt. So ist eine Homiletik entstanden
, die den langen Prozeß der Selbstverständigung, dem sie sich
verdankt, nicht verdeckt, vielmehr zur kritischen Einsichtnahme
offenlegt. Zugleich wirkt die Darstellung aber erstaunlich geschlossen.
Das liegt vor allem an der Konstanz von zwei Hauptanliegen des Vf.
Sie spiegeln sich im Titel seiner Sammlung. 1. Es geht ihm dauernd
um „Rhetorik und Theologie", um die grundsätzliche Klärung des
Verhältnisses, das zwischen den humanwissenschaftlichen Einsichten
und der genuin theologischen Verantwortung des Predigers (und auch
des forschenden und lehrenden Homiletikers) besteht. 2. Es geht ihm
dauernd um die „Predigtarbeit", um jenen immer wiederkehrenden
Vorgang der pfarramtlichen Praxis, den zu bedenken und zu fördern
konkretisierbare Hilfe von Seiten der Praktischen Theologie nötig ist.
Kommt 3. noch hinzu, daß die Beiträge sich zu drei Serien gruppieren
.

Die Aufsätze, die ihren Schwerpunkt im Prinzipiellen haben, stehen
am Anfang des Bandes: „Homiletik und Rhetorik" (1968), „Verkündigung
als kommunikatives und kreatorisches Geschehen"
(1972), „Dimensionen homiletischer Kompetenz" (1979). Mit der
erstgenannten Arbeit hatte josuttis einst die seiiher weil verzweigte
Diskussion über die Bedeutung der Rhetorik für die Homiletik neu
eröffnet. Heute und hintereinander gelesen zeigen die drei Studien,
wie der Vf. immer mehr nichttheologische Fragestellungen und Theorieansätze
in die homiletische Reflexion einbezieht, dabei aber den
nur der Theologie eigentümlichen Beitrag festhält bzw. durch Refor-
mulierung neu gewinnt. Das bedeutet etwa im Kompetenz-Aufsatz:
Die berufsspezifische homiletische Kompetenz, selber „eine Form
religiöser Praxis", hat für die gattungsspezifische kommunikative
Kompetenz insofern grundsätzliche Bedeutung, als jene „darin besteht
, auch angesichts der Aporetik kommunikativer Kompetenz
nicht zu schweigen" (680- M. a. W.: Predigen als ein Spezialfall von
Kommunikation kommt aufgrund der in der Predigt beanspruchten
Verheißung als Modellfall für menschliches Sprechen überhaupt in
Betracht, für das Sprechen nämlich, das in seiner Bedrohung durch
das Verstummen nicht kapituliert, sondern aller Aussichtslosigkeit
zuwider Verständigung wagt.

Die deutlicher an der Praxis orientierten Arbeiten - wenn man so
will: Beiträge zur formalen Homiletik - stehen am Ende: „Über den
Predigtanfang" (1964), „Über den Predigtaufbau" (1965), „Über den
Predigtschluß" (Erstveröffentlichung). Dazu gehört, an anderer Stelle
eingeordnet, auch noch „Über den Predigteinfall" (1970). Die Serie
reicht mit ihren ersten beiden Stücken noch in das Gödenrother Pfarramt
des Vf. zurück. Daß er sie nicht liegengelassen, sondern vervollständigt
und nunmehr auch geschlossen vorgelegt hat, ist außerordentlich
dankenswert. Persönliche Predigterfahrung, Vertrautheit
mit dem Beispielfundus gedruckter Predigten, ernstnehmendes Verweilen
beim jeweils herausgehobenden Aspekt der Predigtpraxis
und dauernde Bereitschaft zu theologischem Urteil auch im Zusammenhang
der mit dem Predigt-Machen fälligen Entscheidungen - all
das macht diese kleine Aufsatzreihe so lesenswert, für den Homiletik-
Studenten wie für den Homiletik-Lehrer. Josuttis ist wachsamer
Psychologe und Theologe in einem. Gegen den mit guten Argumenten
ausgerüsteten Widerstand des heutigen Predigerbewußtseins hält
er auch das Gerichtswort als Predigtschluß für möglich und bisweilen
für nötig. „Auch die Ansage des Gerichts zielt, wie der Zuspruch der
Gnade und wie der Appell, auf das Einverständnis des Glaubens, der
um Gottes willen leben will und der in der Furcht des Herrn die Gerichte
der Herren bekämpft." (215)

Die drei verbleibenden Studien bilden die Mitte des Buches. Sie betreffen
die „Feindbilder", „Selbstbilder" und „Idealbilder in der
Predigt". Bisher unveröffentlicht, werden sie vermutlich als der
eigentliche Forschungsbeitrag dieser Publikation weiterwirken. Gegen
wen und für wen ergreift die Predigt heute Partei? Als wen sieht
der Prediger sich selbst, als wen seine Hörer an? Josuttis spricht von
„Bildern". Das weist schon darauf hin, daß die Predigt, sofern sie