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Ausgabe:

1987

Spalte:

679

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Titel/Untertitel:

Grégoire le Grand, Homélies sur Ézéchiel. Livre I 1987

Rezensent:

Haendler, Gert

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679

Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 9

680

Mönche wirksam. An missionarischen Methoden waren die Einsiedler
weniger interessiert. Theologische Methoden und theoretische
Theologie hatten bei ihnen nur geringen Stellenwert. Doch Jesusworte
und auch Bibelzitate wurden so oft in Erinnerung gebracht, daß auch
die Analphabeten unter den Mönchen einzelne Abschnitte des NT
auswendig hersagen konnten. Mit Einzelaussagen der Bibel haben die
Anachoreten ihr Denken und Handeln konfrontiert. Der theologische
Niederschlag dieser Frömmigkeit sind die in den Apophthegmata
patrum überlieferten Aussprüche und Kurzberichte aus dem Leben
der Väter. Die Autoren zeichnen eine Frömmigkeit der Anachoreten,
die wenig innere Beziehung zu den intellektuellen Problemen der
Alexandriner hatte. Für die ägyptischen Mönche hatten trotz gelegentlichen
Engagements gegen die Origenisten die damaligen theologischen
Streitigkeiten keine tiefere Bedeutung. Ohne alexandri-
nische Theologie haben sich die Einsiedler mit den Problemen ihrer
Wirklichkeit auseinandergesetzt.

Die Autoren sehen in den Apophthegmata patrum sowie in der
Lebensweise der Anachoreten eine eigenständige Ausprägung christlicher
Frömmigkeit, die im dritten und vierten Jh. von großer Ausstrahlungskraft
war. Unverkennbar ist das Bestreben der Hgg., dieses
Erbe für die Gegenwart fruchtbar zu machen.

Erlangen Ernst Lerle

Gregoire le Grand: Hornelies sur Ezechiel. Tome I (Livre I). Texte
Latin, Introduction, Traduction et Notes par Ch. Morel. Paris: Cerf
1986. 543 S. 8" = SourcesChretiennes, 327. flr2l6.-.

Die 24 Homilien Gregors zum Propheten Ezechiel sind in 2
Büchern überliefert. Buch 1 mit 12 Homilien liegt jetzt vor. Bereits im
Vorwort wird Gregors Ankündigung zu Buch 2 zitiert, er müsse nun
schweigen angesichts der Nöte, die ihn bedrängen. Hiob-Zitate kommen
ihm in den Sinn (9). Es ist offensichtlich das Ende des Jahres 593
oder der Anfang des Jahres 594; die Langobarden unter König Agilulf
rückten von Norditalien bedrohlich auf Rom vor. Unter diesem
Druck beschäftigt sich der Papst mit dem Propheten Ezechiel. Als
Leser stellt er sich wohl seine Mönche in Rom vor, - so wie einst sein
Kommentar zum Hiob in Konstantinopel für jene Mönche geschrieben
wurde, die ihn dorthin begleitet hatten (13). Die Leser müssen aufnahmebereit
sein für diese schwierigen Gedankengänge. Gregor übernimmt
Regeln der antiken Rhetorik, aber man sollte vor allem
den Reichtum seiner geistlichen Ausdrucksweise bewundern (15). Zumal
die Auslegung der Visionen des Propheten Ezechiel sind für Gregor
Anlaß, die Reichtümer des Textes aufzuspüren (16). Besonders
wichtige Themen sind die Kontemplation (24), die Frage nach dem
Bösen sowie der Blick auf Christus als unseren Heiland. Gregor
spricht über die zuvorkommende Gnade (26), aber er drängt vor allem
auf Aktivität und gute Werke (27). Der Text war 1971 im Corpus
Christianorum als Band 142 der Series Latina von Marcus Adriaen
ediert worden. Die Edition in den Sources Chretiennes übernimmt
jenen Text und nimmt nur an 3 besonders genannten Stellen Modifizierungen
vor (29). Die wichtigste Edition hatten 1705 die Mauriner
erarbeitet, der die Ausgabe von Migne in PL 76 gefolgt war. Für die
Überlieferung ist Hrabanus Maurus mit seinem Ezechielkommentar
ein wichtiger indirekter Zeuge (MPL 110). Die Bibliographie nennt
Übersetzungen in französischer, italienischer und spanischer Sprache
(33). Einer kurzen Zusammenfassung des Inhalts (35-43) folgt der
zweisprachige Text (45-541). Es soll dankbar hervorgehoben werden,
daß bei dieser Textausgabe der Umfang des Textes so eindeutig den
des Vorworts übertrifft.

Rostock Gert Haendler

Dumeige, Gervais: Nizäa II. Aus dem Franz. von E. Labonte u.
H. Bacht. Mainz: Grünewald 1985. 366 S., 1 Farbtaf. 8' = Geschichte
der ökumenischen Konzilien, IV. Lw. DM 64,-.

Innerhalb der Serie über die ökumenischen Konzile erscheint,
rechtzeitig zum 1200jährigen Jubiläum, die deutsche Bearbeitung des
Bandes zum 7. ökumenischen Konzil, dem 2. Nicaenum, das sich speziell
der Frage der Bilderverehrung gewidmet hatte. Man kann es nur
begrüßen, daß die Darstellung sich nicht auf die Schilderung des Konzils
selbst beschränkt, sondern den gesamten theologischen und historischen
Kontext umfaßt. So ist die Entwicklung der Bilderfrage von
der frühchristlichen Zeit bis zum Bilderstreit aufgezeigt (Kap. 1 u. 2),
das 2. Nicaenum (Kap. 5 u. 6) erscheint in eine Gesamtdarstellung des
Bilderstreites eingebettet (Kap. 3-8). Die Darstellung erfolgt übersichtlich
vor allem im Referat von Quellen, wobei auch die jeweiligen
politischen Verhältnisse ausgiebig gewürdigt werden. Man kann dem
Vf. gründliche Arbeit bescheinigen.

Grundsätzlich ist zu sagen, daß hier ein herkömmliches Bild entwickelt
wird, in das Ergebnisse neuerer Forschung eingetragen sind,
ohne daß dadurch das Gesamtbild wesentlich modifiziert würde. Daß
ich vieles anders sehe, habe ich andernorts (vor allem in: Der byz.
Bilderstreit, hg. v. J. Irmscher, 1978, und im TRE-Artikel Bild IV. 1)
dargelegt. Hier kann nur einiges zur Sprache kommen. Die ablehnende
Haltung der Kirche gegenüber Bildern in den ersten Jahrhunderten
wird anerkannt, doch durch allzu früh datierte Denkmäler und
ad bonam partem interpretierte Väter-Zeugnisse in Frage gestellt. Die
das Bild ablehnenden Zeugnisse gelten als Ausnahme, für die eine Begründung
gesucht wird (zu Epiphanios s. inzwischen Byzantinoslavica
47, 1986, 169-188). Daß der Bilderkult erst im 6. Jh. aufkommt und
erst im Nachhinein theologische Begründungen hervorruft, ist richtig
gesehen (S. 62), auch die sich vor allem in Wundertätigkeit und
wunderbarem Verhalten äußernde Phänomenologie der Ikone zutreffend
entwickelt (S. 65-70). Die Behandlung der Bilderfrage in der
antijüdischen Literatur seit ca. 620 (nicht erst in der 2. Jahrhunderthälfte
, wie S. 71) wird auf heftige Angriffe der Juden zurückgeführt.
Die Frage, ob nicht die sich ausbreitende Bilderverehrung eine Verteidigung
nötig machte, wird nicht gestellt.

Mit der Feststellung „Am Ende des 7. Jahrhunderts waren die Bilder
somit einfachhin Bestandteil der christlichen Welt" (S. 78) ist der
Ausgangspunkt für die Betrachtung des Bilderstreits gegeben. Dieser
Satz birgt freilich Probleme. Dürfte man in ihm unter Berücksichtigung
der bis ins 7. Jh. reichenden Zeugnisse, in denen Bilder abgelehnt
werden, ein „Erst am Ende des 7. Jh." mithören, dann entsteht sofort
die Frage, ob nicht die Bilderfeindschaft in Kleinasien, gegen die sich
Germanos im frühen 8. Jh. wendet, und die kaiserlichen Maßnahmen
seit 726 die direkte Fortsetzung dieser Strömungen sind, so daß die
Bilder eben auch am Ende des 7. Jh. nicht „einfachhin Bestandteil der
christlichen Welt" waren. Ich kann nur immer wieder darauf verweisen,
daß sich die ikonoklastischen Kaiser nicht als Reformatoren fühlten, die
einen versunkenen Idealzustand wiederherstellen wollten, sondern sich
als Hüter ununterbrochener Tradition verstanden. Gab es aber diese
Tradition, dann braucht auch für den Ikonoklasmus keine heterogene
Begründung gesucht werden, wofür der Vf. wiederum die Araber, die
Juden und die Paulikianer anbietet. Und dann ist auch die (zumindest
wankende) Haltung der Bischöfe (S. 113.139-142.150.224) und der Bevölkerung
(S. 128) nicht so verwunderlich.

Es folgt die Darstellung der kaiserlichen Maßnahmen, der Reaktion
des Johannes von Damaskos, der päpstlichen Stellungnahmen, des
Konzils von 754. Wiederum werden monophysitische Neigungen zur
Erklärung der Bilderfeindlichkeit Konstantins V. herangezogen
(S. 112, doch vgl. S. III Anra. 14). Ein Satz wie: „Möglicherweise war
dieser kaiserliche Theologe guter Absicht und meinte es ehrlich"
(S. 112), erinnert stark an die alte Logik, daß Ketzer immer schlechte
Menschen sind. Wie auch hier immer wieder richtige Einsichten gebracht
, aber sofort wieder zurückgenommen werden, zeigt die Zusammenfassung
, wo es, nachdem wenige Zeilen zuvor „unsere heutige kritische
Haltung" angeführt wurde, heißt: „Bilder gab es seit je in der
Kirche. Dann aber kam ein Tag, wo bestimmte Christen bzw.
Bischöfe auf die Idee kamen, daß die Bilderverehrurujcin Rückfall in
den Götzendienst sei" (S. 269).