Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1987

Spalte:

673-674

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Pietas et societas 1987

Rezensent:

Moeller, Bernd

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

673

Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 9

674

nicht nur die Quellen, sondern auch die dazu bis etwa 1980 vorliegende
Literatur in ihren Details kennen, die sonst, z. T. aus sprachlichen
Gründen, partiell ignoriert wird. Es gebührt ihm also aufrich-
t'ge Anerkennung für eine Leistung, die die Katharerforschung up to
date bringt und selbständig fördert.

Verständlich und unschädlich ist es, daß ein Manuskript dieser
Natur und dieses Umfangs nur als Typoskript gedruckt wurde. Nützlich
wäre es, wenn man in 1,1 zu jeder Quelle den Seitenverweis zum
Belegapparat in 1,2 bekommen hätte. Man muß ihn selbst eintragen,
urn das ständig erforderliche Nachschlagen zu erleichtern. Weniger zu
billigen ist das freilich solide durchgeführte Lumbeck-Klebeverfahren
der Broschur. Wie lange wird es bei dem unablässig erforderlichen
Quernachschlagen dauern, bis der Band auseinanderfällt, und wie
lange wird ein erneutes Kleben der Einzelblätter durch den Buchbinder
halten? Eine anastatische Neuveröffentlichung in gebundenen
Lagen schiene wünschenswert.

Berlin (West) Kurt-Victor Selge

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Sessions, Kyle C, and Phillip N. Bebb [Ed.]: Pietas et Societas. New
Trends in Reformation Social History. Essays in Memory of Harold
■I. Grimm. Kirksville, MO: Sixteenth Century Journal Publ. 1985.
XIX, 224 S. m. 20 Abb. gr. 8- = Sixteenth Century Essays & Studies,
IV.

Das Buch vereinigt 14 Beiträge amerikanischer Reformationshistoriker
zur Ehrung eines ihrer Schulhäupter, des 1983 verstorbenen Professors
der Ohio State University Harold J. Grimm, dessen von Phillip
N. Bebb entworfenes wissenschaftliches Porträt (Reformation History
and Social History: The Contribution of Harold J. Grimm, S. 1-10)
den Band eröffnet. Grimm hat sich vor allem durch sein Bemühen,
Theologie- und Sozialgeschichte der Reformation zusammen zu
sehen und aufeinander zu beziehen, um die Forschung verdient ge-
niacht; er hat über 40 Doktoranden betreut. Nach dem zweiten Weltkrieg
war er einige Jahre lang amerikanischer Redakteur des „Archivs
fär Reformationsgeschichte" und damit einer der Begründer der
Kooperation zwischen der amerikanischen und der europäischen, zu-
ntal deutschen Reformationsforschung, die heute in Blüte steht.

Von diesen Perspektiven vermittelt der Band, dessen durchweg sehr
knappe Beiträge sich ausschließlich auf Deutschland beziehen, an
einigen Stellen einen Eindruck. Zu nennen ist vor allem der kundige
Aufsatz von H. C. Eric Midelforl (Toward a Social History of Ideas in
the German Reformation, S. 11-21), der für eine Zusammenführung
der beiden reformationsgeschichtlichen Forschungsrichtungen der
fetzten Jahrzehnte plädiert - derjenigen, die Luthers Sache mit der
spätmittelalterlichen Theologie, und derjenigen, die sie mit der zeitgenössischen
Gesellschaft in Verbindung bringt. Beachtenswerte Forschungsbeiträge
liefern Lawrence P. Buck (The Reformation, Purga-
tc,ry, and Perpetual Rents in the Revolt of 1525 at Frankfurt am Main,
5- 23-33), der die Beschwerdeartikel der Stadt Frankfurt von 1525,
die sich gegen den Rentenkauf der Kirche wenden, mit der Polemik
feformatorischer Prediger gegen das Fegefeuer zusammenbringt, und
■James M. Kittelson (Visitations and Populär Religious Culture:
Further Reports from Strasbourg, S. 89-101), der die Visitationen der
Straßburger Dörfer seit den 1580er Jahren, in der Aera Pappus, untersucht
und die negativen Urteile über die dabei vorgefundenen kirchlich
-religiösen Zustände relativiert, schließlich Robert Kolb ("Peri-
lous Events and Troublesome Disturbances". The Role of Contro-
versy in the Tradition of Luther to Lutheran Orthodoxy, S. 181 -201),
der den Einflüssen Luthers auf die Streitigkeiten der lutherischen
Frühorthodoxie nachgeht.

Die übrigen Beiträge des Bandes sind eher konventionell: Thomas

Saflcy, Protestantism, Divorcc, and the Brcaking of the Modern Family,
S. 35-56;Grethe Jacobsen, Women, Marriage, and Magisterial Reform: The
Case of Malmo, Denmark, S. 57-77; Merry E. Wiesner, Making Ends Meet:

The Working Poor in Early Modern Europa S. 79-88; Richard CCole,
Pamphlet Woodcuts in the Communication Process of Reformation Germany,
S. 103-122; Kyle C. Sessions, Luther in Music and Verse, S. 123-139;
Johnathan W. Zophy, We must have Dear Ladies: Martin Luther and
Women, S. 141-150; Susan C. Karant-Nunn, Martin Luther and the City
of Zwickau, S. 151-161; William J. W r i g h t, Philip of Hesse's Vision of Protestant
Unity and the MarburgColloquy, S. 163-179; Bodo Nisehan, Reformation
or Deformation? Lutheran and Reformed Views of Martin Luther in
Brandenburg^ "Second Reformation", S. 203-215.

Göttingen Bernd Moeller

Oberman, Heiko A.: Die Reformation. Von Wittenberg nach Genf.
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1986. 310 S. gr. 8 DM
39,80.

In dem Bd. legt Oberman die wichtigsten Aufsätze zur Reformationsgeschichte
aus seiner Tübinger Zeit von 1966 bis 1984, historisch
-chronologisch geordnet und sprachlich teilweise überarbeitet,
vor. Entsprechend den Forschungsinteressen in den 18 Jahren liegt
der Schwerpunkt auf Luther und der durch ihn geprägten Reformation
:

[. Werden und Wertung der Reformation: Thesen und Tatsachen (15-31); II.
Die Bedeutung der Mystik von Meister Eckart bis Martin Luther (32-44); III.
Simul gemitus et raptus: Luther und die Mystik (45-89); IV. Wir sein pettler.
Hoc est verum. Bund und Gnade in der Theologie des Mittelalters und der
Reformation (90-112); V.Wittenbergs Zweifrontenkrieg gegen Prierias und
Eck. Hintergrund und Entscheidungen des Jahres 1518 (113-143); VI. Tumul-
tus rusticorum: Vom .Klosterkrieg' zum Fürstensieg. Der deutsche Bauernkrieg
aus der Nähe betrachtet (144-161); VII. Martin Luther: Vorläufer der Reformation
(162-188); VIII. Martin Luther: Zwischen Mittelalter und Neuzeit
(189-207).

Zwei Beiträge betreffen das Augsburger Bekenntnis von 1530 bzw. die altgläubige
Erwiderung sowie je eins die Reformation Zwingiis, die Theologie
Calvins und die Reformationstypen in Wittenberg, Zürich und Genf als Entwicklungsphasen
der reformatorischen Epoche: IX. Vom Protest zum Bekenntnis
. Die Confessio Augustana: Kritischer Maßstab wahrer Ökumene
(208-222); X. Dichtung und Wahrheit. Das Wesen der Reformation aus der
Sicht der Confutatio (223-237); XI. Zwingiis Reformation zwischen Erfolg und
Scheitern: Zürichs Beitrag zur Weltgeschichte (238-252); XII. Die „Extra"-
Dimension der Theologie Calvins (253-282); XIII. Eine Epoche - Drei Reformationen
(283-299).

Obermans Aufsätze haben längst Eingang gefunden in die reformationsgeschichtliche
Forschung. Die Sammlung der weitverstreuten
Arbeiten, die vom Verleger angeregt worden ist und hier in hervorragender
Gestalt (gut lesbarer Druck, Veröffentlichungsnachweis:
300f, Personenregister: 302-308, Index verborum latinorum: 309f)
dargeboten wird, dokumentiert die besondere Begabung des Autors
(Ideenreichtum, einprägsame Formulierungen, Konzentration auf die
Theologie- und Geistesgeschichte). Die Neigung zur klaren Profilierung
der Problemstellung, mitunter auch zur plakativen Kennzeichnung
(z. B. Luther als Vorläufer der Reformation), zur Typisierung
und Bezifferung (1.-3. Reformation) vermittelt der Forschung viele
Anregungen, rückt aber auch die Grenze so mancher faszinierenden
Formulierung oder These Obermans in den Blick. Autor und Verlag
können des Dankes der Interessierten sicher sein, daß diese Beiträge
zur Reformationsgeschichte nun leicht zugänglich sind.

S. B.

Kirchengeschichte: Neuzeit

Duchhardt, Heinz [Hg.]: Der Exodus der Hugenotten. Die Aufhebung
des Edikts von Nantes 1685 als europäisches Ereignis. Köln-Wien:
Böhlau 1985. VII, 205 S. gr. 8" = Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte
, 24. Lw. DM 48,-.

Im Rahmen des Gedenkjahres 1985 fand am 24. und 25. Juni in
Bayreuth ein Kolloquium statt, dessen wissenschaftlicher Ertrag in
dem vorliegenden Band dokumentiert ist. Er enthält den Text von 9