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Ausgabe:

1987

Spalte:

672-673

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Rottenwöhrer, Gerhard

Titel/Untertitel:

Der Katharismus 1987

Rezensent:

Selge, Kurt-Victor

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Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 9

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neben dem theologiegeschichtlichen Aspekt auch der philosophische
(E. Yamauchi; B. L. Blackburn) bearbeitet, vor allem aber die Wunderüberlieferung
analysiert, vornehmlich freilich unter dem Gesichtspunkt
der historischen Zuverlässigkeit. Dabei wird gerade auf die
sog. „Naturwunder" besonderes Gewicht gelegt, aber auch die problematischen
Wiederbelebungen Gestorbener mit ihrer kategorialen
Unterschiedenheit von der endzeitlichen Auferstehung von den Toten
in die Betrachtung einbezogen. Die abschließenden Überlegungen
von C. L. Blomberg machen auf einige Lücken des Bandes aufmerksam
, so auf die unzureichende Behandlung des einschlägigen rabbi-
nischen Materials. Doch hätte vor allem das Gewicht der literarischen
Frage stärker beachtet werden sollen; andererseits hätte im historischen
Feld vielleicht eine Analyse von 2Kor 12,12 und Rom 15,l8f
hilfreich sein können.

Der anregende Band, der ein interessantes Unternehmen beendet,
bietet diese Arbeiten:

W. L. Craig, The Problem of Miracles: A Historicaland Philosophical Perspective
, 9-48. - G. Maier, Zur neutestamentlichen Wunderexegese im 19.
und 20. Jahrhundert, 49-87. -E. Yamauchi, Magic or Miracle? Diseases,
Demons and Exorcisms, 89-183. - B. L. Blackburn, 'Miracle Working
9EI0I ANAPEV in Hellenism (and Hellenistic Judaism), 185-218. -
R. Bauckham, The Coin in the Fish's Mouth, 219-252. - B. C. Chilton,
Exorcism and History: Mark 1:21-28, 253-271. - P.W. Barnett, The
Feeding of the Multitude in Mark 6 / John 6, 273-293. - M.J. Harris, 'The
Dead Are Restored to Life': Miracles of Revivification in the Gospels, 295-326.
-C. L. Blomberg, The Miracles as Parables, 327-359.-G. H. Tweiftree,
'EI AE... Em EKBAAAQ TA AA/MONIA . . 361-400. - D. F. Wright,
Apologetic and Apocalyptic: The Miraculousin the Gospel of Peter, 401-418.-
S. T. Davis, The Miracle at Cana: A Philosopher's Perspective, 419-442. -
C. L. Blomberg, Concluding Reflections on Miracles and GospelPerspectives
, 443-457.

T. H.

Kirchengeschichte: Mittelalter

Paronetto, Vera: Gregorio Magno. Un maestro alle origini cristiane
d'Europa. Roma: Edizioni Studium 1985. VI, 177 S., 1 Taf. kl. 8" =
Nuova Universale Studium, 46. Kart. L. 10.000.

Die vorliegende Biographie Papst Gregors I. des Großen (590-604),
des ersten Papstes, bei dem wir nicht nur über den äußeren Lebensablauf
, sondern auch über die innere Entwicklung Zeugnisse besitzen,
erschien in der gut katholischen und doch zugleich weltoffenen Reihe
„Nuova Universale Studium" als Nummer 46. Die Vfn. ist studierte
Altertumswissenschaftlerin und hat sich mit eigener Forschungsarbeit
, Ausgaben und Darstellungen auf dem Felde der lateinischen
Spätantike hervorgetan. Ihr Buch ist infolgedessen aus den Quellen
gearbeitet und beansprucht eigenständigen wissenschaftlichen Rang.
Es gibt in der Einleitung einen Überblick über den Gang der Forschung
und benutzt kritisch die Sekundärliteratur, freilich in einer gezielten
Auswahl, die auf manche Veröffentlichungen aufmerksam
macht, welche außerhalb des Blickfelds der Fachvertreter in der DDR
liegen. Leben und Wirken Gregors werden, wie notwendig, in das allgemeinhistorische
Umfeld gerückt. Es interessiert der Mann der Kirche
, den die Zeitumstände zwangen, zum Politiker und besonders
auch zum streitbaren Kirchenpolitiker zu werden, zum Wahrer und
zugleich zum fruchtbaren Nutzer des überkommenen altrömischen
Erbes. Er wurde, weil die Zeit es erforderte, zum Agrarreformer und
entwickelte überdies eine gleichermaßen humane wie humanistische
Spiritualität. Daß die Biographin sich weithin mit dem Biographier-
ten identifiziert, wird man dem Genus Biographie zugutehalten. Die
Lesbarkeit des anregenden Buches, das leider auf ein Literaturverzeichnis
verzichtet, wird dadurch nicht beeinträchtigt. Dagegen sucht
die Einführung von Jean Leclercq, deren die Leistung der Vfn. nicht
bedurfte, Gestalt und Lehre Gregors I. allzustark zu aktualisieren.

Berlin Johannes Irmscfier

Rottenwöhrer, Gerhard: Der Katharismus. 1/1: Quellen zum Katha-
rismus. XVII, 161 S.; 1/2: Quellen zum Katharismus. Anmerkungen
. II, 468 S.; II: Der Kult, die religiöse Praxis, die Kritik an Kult
und Sakramenten der Katholischen Kirche. 1: Der Kult. XX,
447 S.; 2: Die religiöse Praxis. Die Kritik an Kult und Sakramenten
der Katholischen Kirche. S. 448-901. Bad Honnef: Bock &
Herchen 1982. 8 Kart. DM 180,-.

Das anzuzeigende Buch, das in jede mediävistische kirchengeschichtliche
Bibliothek gehört, bietet nach der Fülle von Einzeluntersuchungen
, Quelleneditionen und Gesamtdarstellungen des
Katharertums eine Art Summa und Nachschlagewerk zu den erarbeiteten
und weiterzubearbeitenden Grundlagen. Band 1,1 verzeichnet
die Quellen, gegliedert in katharische Schriften, gegnerische Schriften,
Inquisitionstexte und „Sonstiges", wobei in jeder Gruppe nach dem
geographischen Raum unterteilt wird. Zu den einzelnen Quellen werden
hier Verfasser, Zeit, Raum, Anlage, Lehrgut, „Erträge" (z. B.:
„zur Exegese") und eine kurze Wertung notiert. Der zweite Halbband
enthält in den Anmerkungen alle Belege und Ausführungen aus
Quelle und Sekundärliteratur. Der Editionsort ist dem Literaturverzeichnis
am Ende von Band 11,2 zu entnehmen. Band 11,1 und 2
stellen die Sachaussagen der Quellen und einschlägige Literaturaussagen
zu den im Titel genannten Gebieten zusammen, wobei die Anmerkungen
abschnittweise folgen. Das Ganze ist noch durch Bibelstellen
- (und „Logien-"), Personen- und Sachregister am Ende jedes
der beiden Doppelbände erschlossen. Zur zeitlichen Eingrenzung begründet
der Vf. seine Entscheidung plausibel, die Heterodoxien des
11. Jh. beiseitezulassen (1,1; S. 90: es sind keine Katharer, obwohl
z. T. „protoduahstisch" (mit C. Thouzellier, M. Lambert). Der Endpunkt
ist mit den großen Inquisitionstexten aus dem I. Viertel des
14. Jh. gegeben. Die Behandlung beschränkt sich im ganzen auf die in
Edition vorhandenen (und über die reiche Bayrische Staatsbibliothek
zugänglichen) Quellen (wenige nicht zugängliche Stücke sind 1,1,
S. 26, Anm. 24 genannt).

Zum Inhalt ist hier wenig zu sagen, weil der Vf. keine neue Synthese
geben, sondern Grundlagen und Überblick über die Gesamtsituation
der Forschung, erstmals seit Arno Borsts großer Darstellung („Die
Katharer", 1953) in deutscher Sprache, herstellen will. Die Fülle der
überlegten Bemerkungen findet sich von Fall zu Fall bei den einzelnen
Quellen und Themen, immer im Anschluß an den Bericht über die
Deutungen. Hervorzuheben ist, daß der Vf. die Quellen selbst durchgearbeitet
hat und mit seinen Angaben dem Forscher jeweils einen
bequemen Ansatz zu eigener Arbeit ermöglicht. Von Interesse ist z. B.
die Feststellung, daß der Name Patariner nur für den italienischen
Raum bezeugt sei, unrichtig aber die Behauptung, es sei die „allgemeine
Bezeichnung der Katharer dieses Raumes" (1,1; S. 15). Alle
Katharer wurden hier Patariner genannt, aber auch andere, z. B. die
Humiliaten (vgl. TRE 15, 1986, s. v. Humihaten). Der Benutzer muß
sich die eigenwillige terminologische Bildung „Diprinzipialismus"
und „Monoprinzipialismus" anstatt der eingebürgerten Bezeichnung
„radikaler" oder „gemäßigter Dualismus" (1,1; S. 17) für die beiden
bekannten Richtungen unter den Katharern merken, für die vom
Bogomilismus abgeleitete Zweiprinzipienlehre und für den die Welt
als Schöpfung eines gefallenen Engels betrachtenden Reformkatharis-
mus, wie er im späteren 12. und 13. Jh. vor allem auf italienischem
Boden auftrat. Die unschöne Wortbildung wird sich kaum einbürgern,
ist aber sinnvoll.

Der Vf. ist mit dem größten Teil dieser ziemlich gewaltigen, mehr
sozusagen „hilfswissenschaftlichen" Arbeitsleistung 1982 in München
zum Doktor der Katholischen Theologie promoviert worden. Er
hält die Arbeit für fortführungsfahig und -bedürftig, meint jedenfalls,
mit seinem Vorgehen werde „ein zutreffendes Bild des Katharismus
gewonnen, welches ihm näher kommt als jene Bilder, die seine Kritikeroder
Bewunderer bisweilen zeichnen" (1,1; S. XVI). Dem ist zuzustimmen
- nur: ob es ein Bild wird? Jedenfalls hat der Vf. eine unentbehrliche
Arbeitsgrundlage hergestellt und viele wertvolle Bemerkungen
gemacht. Mit seinem Buch in der Hand lernen künftige Forscher