Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1987

Spalte:

670-671

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

The miracles of Jesus 1987

Rezensent:

Holtz, Traugott

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

669

Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 9

670

Lieu, Judith: The Second and Third Epistles of John: History and
Background. Ed. by J. Riehes. Edinburgh: Clark 1986. X, 264 S. 8*
= Studies of the New Testament and lts World. Lw. £ 12.95.

Diese im Jahr 1980 von der Universität Birmingham als theologische
Dissertation angenommene Untersuchung kann für sich in Anspruch
nehmen, die erste englischsprachige größere Arbeit über den 2.
ur>d 3. Johannesbrief zu sein. Die Vfn. stellt sich die Aufgabe, Ursprung
und Sinn der Übernahme dieser beiden Briefe in den neutesta-
mentlichen Kanon zu erfragen. Sie beginnt im ersten Kapitel mit einer
Darstellung der frühchristlichen Zeugnisse ("Acceptance into the
Canon", S. 5-36) und legt einleuchtend dar, daß die patristische Be-
Zeugung des 1 und 2Joh im ganzen umfassender ist als die des 3Joh.
Mag man auch zu den Ausführungen im einzelnen (etwa zur Interpretation
der einschlägigen Zeilen des Canon Muratori: S. 23) verschiedener
Meinung sein und hätte man die Bedeutung der schwächeren
Bezeugung des 3Joh gern weiter diskutiert gesehen (zweifellos spielt
hierbei auch die Tatsache eine Rolle, daß sich der 3Joh für Zitierungen
weniger eignete als die beiden anderen Johannesbriefe), so handelt
K sich doch um eine eindringende Analyse, die bis in die lateinische
Textüberlieferung hineinführt (S. 23 ff).

Dem Problem "Letters of Epistles" geht die Vfn. im zweiten Kapi-
tel nach (S. 37-51). Der Vergleich mit profanen Papyri läßt die Eigen-
art des 2 und 3Joh näher bestimmen. Parallelen finden sich in den
antiken Freundschaftsbriefen. Besonders die im 3Joh ausgesprochenen
„Empfehlungen" lassen sich aus einem nichtchristlichen Hintergrund
erklären. Gleiches gilt für die ausgeführte Adresse in 3Joh 1, für
^e sich in den Fayum-Papyri eine wichtige Analogie findet (S. 47).
Allerdings zeigt der Schluß des 3Joh (V. 15), daß das Gewicht der
säkularen Parallelen für die Auslegung begrenzt ist und theologische
'"halte die entscheidenden Funktionsträger sind. Auch der ausführ-
'iche Gruß des 2Joh ist ja theologisch gefüllt. Nach dem Gesagten ist
die im Anschluß an A. Dcißmann formulierte Frage, ob es sich um
Episteln oder um wirkliche Briefe handelt (S. 49), nicht allein aufgrund
der Anklänge an säkulare Briefformularc zu beantworten.
Unter Berücksichtigung der inhaltlichen Aussagen kommt die Vfn. zu
dem Ergebnis, daß der 3Joh als echter Brief zu bezeichnen ist. Dagegen
gilt für den 2Joh: "2Joh is morc consciously construeted than
3Joh and. in a sense, more artificial; even if a letter, it is more than just
a|etter"(S. 51).

Da die Vfn. die These, dcr2Joh sei ein fiktives Schreiben, nicht aufgreift
(mit guten, wenn auch nicht genannten Gründen; denn diese
These hat nach R. Bultmann kaum noch Anhänger gefunden), kann
sie sogleich sich dem Abfassungsproblem stellen. Das dritte Kapitel
('The Letters of the 'Presbyter'", S. 52-124) widmet sich dieser
Frage. Die Vfn. führt die gängigen, wie sie feststellt, nicht gänzlich
"^erzeugenden Erklärungen vor und behandelt hier zum ersten Mal
das Verhältnis des Presbyters zur Presbytertradition des Papias
'S- 5 5 ff). Das Verständnis von 6 npeaßuzEpoi; {2Joh I; 3Joh 1) als eines
Titels grenzt sie mit den Worten ein: "the title remains oblique and we
^nnot use it to interpret the Epistles" (S. 64).

Es schließt sich eine knappe, aber gehaltvolle Exegese des 2 und
3Joh an (S. 65-124). Die Vfn. weist die Gemeinsamkeit der theolo-
BSChen Strukturen der beiden Briefe und ihre Eigenständigkeit im ein-
Zelnen nach. Sie vermutet, daß 2Joh Sprache und Vorstellungswelt
des 1 Joh und des JohEv fortbildet (S. 76.78 u. ö.). Folgerichtig vertritt
s'e die Ansicht, daß 2Joh 7 (tpxö/icvov) die Parallelaussage von
'Joh 4,2 (iXtjXvddta) oder die volkstümliche Messiaserwartung von
J°h 6,14 par reflektiert (S. 86). NichPzur Diskussion gestellt wird in
dieserr, Zusammenhang die offenkundig praktizierte Voraussetzung,
das Verhältnis von JohEv und 1 -3Joh sei als chronologische Folge zu
bestimmen, und diese Schriften seien literarisch voneinander abhän-
&g(vgl. auch S. 216 Anm. 1 14), und auch nicht die apostolische Verfasserschaft
, die Vfn. jedenfalls als "starting point" ihrer Untersuchung
in Einklang mit der kirchlichen Tradition ins Feld geführt
hat (S. 2-5). Sie kommt jedoch im Unterschied zur Position des

Irenäus, der die johanneischen Schriften dem Apostel Johannes zuschrieb
und als einheitliche Größe im antignostischen Kampf verwenden
konnte (haer III 16,8), zu dem Urteil: "The signs of change and
development indicate passage of time and differences of authorship"
(S. 1230.

Zum frühchristlichen Hintergrund verweist die Vfn. im vierten
Kapitel ("If anyone comes . ..", S. 125-165) auf "Christian prea-
chers", die von Gemeinde zu Gemeinde reisen und ebenso wie die
daneben benutzte .johanneische Tradition" die Entstehung der
Johannesbriefe beeinflußt haben. Sie sind Repräsentanten des Charis-
matikertums, das auch in der Didache im Auftreten von Propheten
und Lehrern bezeugt wird (S. 125ff). Sind sie im 2Joh der johanneischen
Gemeindetradition konfrontiert, so zeigt sich auch im 3Joh
in der Kontroverse zwischen dem Presbyter und Diotrephes der
Gegensatz von Gemeinde und Charismatikertum (S. 135). Jedoch
wird die Ansicht, der Presbyter selbst zähle zu den wandernden Charismatikern
und habe sich gegen eine institutionalisierte Kirche zur
Wehr gesetzt, von der Vfn. abgelehnt (S. 141.) Während die Bezeugung
der falschen Lehre im 2Joh nicht zu einer "single identifiable
heresy" führt (S. 149), steht der Presbyter auch im übrigen in einem
kirchlichen Kontext, so daß der 3Joh als "the 'foundation document'
of the Community", vermutlich des Gaius bezeichnet werden kann
(S. 164). Die Vfn. meint nunmehr, den Presbyter auch nicht mit dem
Augenzeugen und Apostel Johannes identifizieren zu können (S. 153
bis 157), aber sie unterläßt eine nähere Einordnung, so daß manche
Urteile in der Schwebe bleiben.

Im fünften Kapitel ("The Johannine 'Gospel'?", S. 166-216)
wendet sich die Vfn. noch einmal der Frage nach dem Verhältnis der
Johannesbriefe zum vierten Evangelium zu. Sie untersucht die
Themenkreise Tradition und Geist, Gemeinde in Geschichte und
Welt, der Glaubende und die Gemeinde, die Bedeutung Jesu. Richtig
erkennt sie, daß das JohEv christozentrisch ausgerichtet ist und solche
Christozentrik die eben genannten Themenkreise umspannt, aber in
den Briefen nicht verarbeitet worden ist (S. 206). Diese Erkenntnis hat
zur Folge, daß die Vfn. die oben vertretene Position zurücknimmt und
nun nicht mehr von einer chronologischen Folgeordnung JohEv -
IJoh sprechen möchte (S. 207), obwohl auch das Folgende nicht ausschließt
, daß der 2 und 3Joh das vierte Evangelium voraussetzen
(S. 216). Eher scheint die johanneische Gemeinde der Urgrund der
johanneischen Literatur zu sein (S. 210). Diese Vermutung läßt
weitere Fragen offen, nicht zuletzt das Problem der johanneischen
Schule und ihrer Tradition.

Man hätte der Vfn. mehr Skepsis gegenüber ihren eigenen skeptischen
Urteilen gewünscht. Rebus sie stantibus ist sie der Gefahr der
Konturenlosigkeit nicht immer entgangen, und die Ausgangsfrage
nach Sinn und Ursprung der Übernahme des 2 und 3Joh in den neu-
testamentlichen Kanon bleibt auch nach einer 21 öseitigen gedrängten
Abhandlung offen. Doch ist anzuerkennen, daß sich die Vfn. das Verdienst
erworben hat, mit dieser Untersuchung auf die in der neutesta-
mentlichen Wissenschaft oftmals zu wenig beachteten historischen
und theologischen Probleme des 2 und 3Joh aufmerksam gemacht zu
haben. Ihre fleißige Erschließung der Sekundärliteratur und die eingehende
Darstellung vieler Detailprobleme werden für die künftige
exegetische Arbeit an diesen kleinsten Schriften des Neuen Testaments
eine Hilfe sein können.

Göttingen Georg Strecker

Wenham, David, and Craig Blomberg [Ed.]: The Miracles of Jesus.

Sheffield: JSOT Press 1986. 457 S. 8" = Gospel Perspectives, 6.
Kart.£ 13.50: Lw, £ 24.50.

Mit dem vorliegenden sechsten Band der Reihe "Gospel Perspectives
" ist die 10jährige Arbeit de*s Tyndale House Gospel Research
Project abgeschlossen; geplant ist allerdings noch eine popularisierende
Veröffentlichung der Ergebnisse der bisherigen Bände. Dieser
Band behandelt in breiter Anlage die Wunder Jesu. Dabei wird