Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1987

Spalte:

665-667

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Donaldson, Terence L.

Titel/Untertitel:

Jesus on the mountain 1987

Rezensent:

Luz, Ulrich

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

665

Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 9

666

ein exegetisches Wörterbuch, und zum Glück handelt es sich hier um
einen Einzelfall.

Fraglich ist mitunter die Verteilung der Stichwörter auf einen oder
mehrere Artikel. Warum sind stauros und stauroö auf zwei Artikel
verteilt, pafakaleo und paraklesis dagegen in einem zusammengefaßt
? Episynagoge hat keinen eigenen Artikel erhalten, sondern wird
unter dem im übrigen hervorragenden Artikel über Synagoge behandelt
, obwohl episynagoge doch ein eigenes „Bedeutungsfeld" hat.

Man mag des eine oder andere vermissen: wieviel, beruht auf dem
Persönlichen Ermessen; denn Vollständigkeit wird niemand verlangen
. Daher nur ein paar Einwände: presbys hätte die Frage nach
dem Alter des Paulus erwähnen können. Zu iheodidaktos wäre ein
Hinweis auf Joh 6,45 und den Artikel didaktos nützlich gewesen;
festes hätte einen etwas ausführlicheren Artikel verdient; zu ou me
könnte Joh 4,48 eigens erwähnt sein, u. a. m. Das sind aber alles
Kleinigkeiten, die nicht einmal Schönheitsfleckchen genannt werden
sollten.

Dem letzten Heft und Band sind zwei Register beigegeben: A. Deutsehe
Stichwörter, das sämtliche Artikel der drei Bände aufnimmt, die
m't den Namen der Vff. versehen sind. Hinweise kommen unter mehr
a's einem Stichwort vor, z. B. „auf die Knie fallen" unter „auf und
«Knie", „für rein erklären" unter „rein" und „erklären". B. Namen,
d- h. sämtliche im NT vorkommende Namen in ihrer deutschen
Form; sogar die adjektivischen und adverbiellen Formen werden aufgeführt
(z. B. „aufgriechisch", „aus Jerusalem").

Die letzten Worte des letzten Artikels und des ganzen Werkes sind:
• -den Menschen ein Nutzen". Omenaccipimus.

Lagumkloster Bent Noack

Donaldson, Terence L.: Jesus on the Mountain. A Study in Matthean
Theology. Sheffield: JSOT Press 1985. XVI, 326 S. 8" = Journal for
the Study of the New Testament, Suppl. Series, 8. Kart. £ 13.50;
Lw.£ 28.50.

Dieses Buch, eine unter Leitung von R. Longenecker in Toronto
entstandene Dissertation, setzt sich zum Ziel, anhand des Berg-Motivs
einen entscheidenden Aspekt matthäischer Theologie auszuarbeiten.
Voraussetzung ist, daß Matthäus das Berg-Motiv bewußt aus der Tradition
übernommen hat und ihm einen einheitlichen Sinn gibt. Dafür
spricht das Vorkommen in Summarien (4,23-5,1; 15,29-31) und
Schlüsselperikopen (28,16-20), wo die matthäische Redaktionstätigkeit
besonders deutlich ist. Außerdem sind 4.8-10; 17,1 (9) und die
Olbergstellen für D. zentral. Methodisch kombiniert er traditionsgeschichtliche
, redaktionsgeschichtliche und kompositionskritische
Gesichtspunkte.

Die traditionsgeschichtlichen sind ihm besonders wichtig. Da er
Zeigen will, daß die matthäische Berg-Theologie tief in alttestament-
•ichen und jüdischen Zionstraditionen verwurzelt ist, stellt er einen
komprimierten und informativen Überblick über das Vorkommen
des Bergmotivs in alttestamentlichen und frühjüdischen Überlieferungen
voraus (25-83). Das wichtigste Resultat dieses lehr- und material-
feichen Abschnittes: Während Sinaitraditionen immer einen klaren
Ur>d auch isolierten Haftpunkt in der Geschichte Mose und Israels in
der Wüstenzeit hatten, begegnen wir in den Traditionen vom Berg
&on einem Motiv, das sich in der jüdischen Überlieferung sehr ausweitet
, als Ort der gegenwärtigen Offenbarung Gottes immer wieder
neue Interpretationen und Hoffnungen an sich zieht und auch zu
e|nem Konzentrationspunkt der gesamten Heilsgeschichte wird(z. B.:
Schöpfung Adams auf dem Zion. Versuchung Isaaks auf dem Zion,
•Jakobs Traum auf dem Zion etc.). Entsprechend gewinnt der Zion
enorme Bedeutung auch in der Eschatologie als Ort der Erscheinung
des Messias (4Esra 13!), der Sammlung Israels und der Völker und der
Offenbarung Gottes. Gegen Ende des 1. nachchristlichen Jh. waren
solche Hoffnungen wohl besonders verbreitet, während in späterer,
^bbinischer Zeit wiederum der Sinai als der grundlegende Bundes-
und Gesetzesberg Israels an erster Stelle steht.

Der nächste Hauptteil ist der Analyse der grundlegenden mat-
thäischen Stellen gewidmet (87-190). Hier findet der Leser sehr viele
z. T. originelle, z. T. schon bekannte, aber von D. vertiefte kompositionskritische
und redaktionsgeschichtliche Erkenntnisse: Für 4,8-10
arbeitet er sehr schön den Bezug auf 28,16-20 heraus, wo der Weg des
gehorsamen Sohnes Gottes endgültig zum Ziele kommen wird. Bei der
Bergpredigt hebt D. nicht so sehr die für ihn nur zweitrangige Sinai-
und Mosetypologie hervor, sondern den Gedanken der eschatolo-
gischen Sammlung des Gottesvolkes auf den Berg: 4,23-5,2 (4,23-25
sind mit zu berücksichtigen!) und 15,29-39 bilden eine Inklusion und
markieren den Anfang und das Ende der Sammlung des eschatolo-
gischen Gottesvolkes in Galiläa. Im Hintergrund steht weniger der
Sinai als der Gedanke der Sammlung des Gottesvolkes auf den Zion,
von wo aus die neue Thora ergeht (vgl. Jes 2,1 ff). Die Erwähnung des
Berges (aufgrund einer mündlichen Tradition wie Joh 6,3) in 15,29 ist
somit auf dem Hintergrund von Zions-Eschatologie zu interpretieren:
Das Summar 15,29-31 bildet nur die Einleitung zur Speisung des
eschatologischen Gottesvolkes Israel auf dem Berge und erinnert an
Texte wie Jes35,5f.lO; 25,6-10a; Jer31,10-14; Ez34,14.26f. Der
unverändert aus Markus übernommene Berg der Verklärung
(Mt 17,1) läßt sich nicht eindeutig einem bestimmten Hintergrund
zuordnen: Wichtig sind für D. in der ganzen Perikope die Anspielungen
auf Mose, noch wichtiger aber die Verankerung der Sohnes-
christologie im alttestamentlichen Gedanken der Inthronisation des
Gottessohn-Königs auf dem Berg Zion (Ps 2,60- Im Kontext sind die
Rückverweise auf Mt 4,8-10 (und 3,13-17!) und die Vorverweise auf
Mt 28,16-20 besonders wichtig: Aus dem leidenden Menschensohn
und seiner Parusie bei Markus ist bei Matthäus der gehorsame Gottessohn
mit seiner Auferstehung und Inthronisation geworden. Auch
24,3 und 26,30 sind bewußt auf 28,16-20 hingeordnet. In 28,16-20
sieht D. in der biblischen Zionstheologie den Hintergrund, der den
ganzen Text, auch die Einleitung zum Missionsbefehl in V. 16-18,
am besten erschließt: das Berg-Motiv, die Versammlung des eschatologischen
Gottesvolkes, die Inthronisation Jesu, das Zuströmen der
Heiden, die „neue" Thora, der „königliche" Titel „Sohn" und die
bleibende Präsenz des Erhöhten werden von hier aus verständlich.
Jes 2,2f und Ps 2,8f sind hier die entscheidenden Texte. Der Gottessohn
Jesus erfüllt also die mit dem Zion verbundenen Hoffnungen und
ersetzt den Zion als Zentrum eschatologischer Erfüllung (184f). Von
diesem christologischen Ansatz her begründet Matthäus auch die in
seiner Gemeinde längst praktizierte Heidenmission. Die Annahme
einer durch das Nein Israels nötig gewordenen Neuorientierung der
matthäischen Gemeinde hin zur Heidenmission ist nach D. nicht nötig.

Donaldsons Buch ist sorgfältig gearbeitet, konzentriert geschrieben
und enthält eine Vielzahl lehrreicher exegetischer Thesen. Es gehört
zu den interessantesten Matthäusmonographien, die ich in den letzten
Jahren gelesen habe. Seine Thesen haben eine erhebliche Relevanz
die für Biblische Theologie im ganzen und stellen einen hochinteressanten
Versuch dar, in der schwierigen Alternative zwischen einer
matthäischen Theologie des Gerichtes über Israel und einer matthäischen
Theologie der Kirche als universal gewordenes Volk Israel
zu vermitteln. Mich haben die Resultate, die D. auf synchroner Ebene
erzielt hat, im allgemeinen überzeugt, also der Nachweis, daß das
Bergmotiv in ein sorgfältig komponiertes Erzählungsgefüge hineingehört
. Noch nicht so recht überzeugt bin ich von der fundamentalen
Bedeutung der Zionstheologie für Matthäus, obwohl auch hier D.
wichtige Beobachtungen beisteuert. Wir stehen hier vor einem grundsätzlichen
Problem der traditionsgeschichtlich orientierten Exegese:
Was an - durch biblische Textbezüge nicht direkt aufweisbaren -
Erinnerungen an biblische Traditionen war dem Verfasser bewußt?
Was haben - vielleicht ohne den Verfasser - die Leser assoziiert? Wie
sind dominante Traditionen - für D. die Zionstradition - und untergeordnete
Traditionen - für D. die Mosetradition - methodisch zu
unterscheiden? Kurz: Methodisch unklar bleibt die Frage der Kontrollierbarkeit
solcher traditionsgeschichtlich orientierter Exegesen.

Dazu kommen Sachfragen im ganzen und im einzelnen. Beispiele: