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Ausgabe:

1987

Spalte:

653-657

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Introduction and commentary on Jeremiah I - XXV 1987

Rezensent:

Thiel, Winfried

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Theologische Literaturzeitung I 12. Jahrgang 1987 Nr. 9

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Geheimnis des Hinduismus zu entdecken. Vielmehr will er seine
christlichen Leser dazu bringen, das Christus-Geheimnis im Hinduismus
anzuerkennen und - in Erweiterung des Ökumenebegriffs zu
e'ner „ökumenischen Ökumene" im Dialog zwischen den Religionen
- die konvergierenden Bewegungen des Geistes zur Universalität zu
begreifen.

Das Wörtchen und zwischen Hindus und Christen kann dann nicht
länger Sünde und Heil. Finsternis und Licht, Lüge und Wahrheit trennen
, auch nicht die Überlegenheit der einen über die andere Religion
markieren. Das wäre psychologisch wie pastoral unangebracht, theologisch
würde es dem inklusiven Heilswillen Gottes entgegenstehen.
Vielmehr ist das und qualifiziert zu verstehen als Ausdruck der universalen
Idee des Christentums, die den katholischen Einschluß aller
Völker und ihrer Religionen ermöglicht. Theologisch ist daher nicht
bei der Inkarnation, sondern bei der zweiten Person der Trinität anzuätzen
. „Wenn der Mythos der Geschichte anfangt, sich des westlichen
Christentums zu bemächtigen, dann wird Jesus Christus zur
Verkörperung des größten Imperiums" (S. 85). Letztlich wird das verbindende
und, da alle Analogien versagen, zum Geheimnis, da wir
*edcr Gottes Plan noch das Geheimnis der Geschichte enträtseln
können. Wir vernehmen lediglich getrennte Melodien einer im Paradies
verlorengegangenen Partitur (S. 97).

Im letzten Kapitel beschreibt Panikkar anhand eines Aphorismus
aus den Brahma-Sutras - „brahman ist das, wovon Entstehung, Erhal-
tung und Verwandlung dieser Welt ausgehen" - den Zusammenhang
von brahman als letztlich von der Welt verschiedener Grundlage der
Welt und ishvara, dem Schöpfer und persönlichen Gott, der zugleich
verschieden von und identisch mit brahman ist. In seinem ,,christoIo-
ßischen Kommentar" zum Referat der indischen Auslegungen kommt
der Autor zum Ergebnis, daß ishvara auf das Mysterium Christi hinweist
. Brahman und ishvara sind so verschieden und identisch wie
Gott und Sohn-Logos-Christus unterschieden und eins sind. Indem
Christen so die Anwesenheit Gottes in den Religionen erkennen, verkündigen
sie das Wirken Christi in ihnen.

Wir haben es im vorliegenden Buch mit einer faszinierenden Studie
zu tun, die aus dem Bewußtsein von der Einheit der Menschheit ihren
'mpetus bezieht, die den dogmatischen Absolutheits- und Überlegenheitsanspruch
der Kirche leidenschaftlich angreift, ohne dabei synkre-
t'stisch zu werden; die ein neues Missionsverständnis aufzeigt, ohne es
explizit zum Thema zu machen, und die dem traditionell geprägten
christlichen Leser einiges zu verdauen aufgibt mit der These, daß
n>chts von der Realität, Lebenskraft und Wahrheit Christi verloren
Seht, wenn Christus nicht länger „das Monopol der Christen wäre"
(S. 22).

Zu streiten bleibt freilich mit Panikkar an dem Punkt, ob eine Sub-
sumption des Historischen in der Theologie unter das " Kosmo-Thc-
Andrische" dem christlichen Glauben gerecht werden kann und ob
W|r mit dem theologischen Ansatz bei der Inkarnation notwendig
zum Mythos Geschichte mit imperialen Ansprüchen des Christentums
gelangen oder ob sich von da aus nicht heute die Option für die
Theologie der Befreiung öffnet.

Salzgitter Kurt Dockhorn

Altes Testament

McKane, William A.: A critical and exegetical Commentary on Jeremiah
. 1: Introduction and Commentary on Jeremiah I-XX V. Edinburgh
: Clark 1986. CXXII, 658 S. 8- = The International Critical
Commentary. Lw. £ 24.95.

Nach einer Pause von 35 Jahren' meldet sich der "International
Critical Commentary" im Bereich des Alten Testaments mit dem anzeigenden
Band wieder zu Wort. Es handelt sich dabei um einen in
mancher Hinsicht ungewöhnlichen Kommentar.

Der ausführliche Band, der nur die Hälfte des Jeremiabuches betrifft
, wird durch eine umfangreiche "Introduction" eröffnet. Sie ist
aber völlig anders gestaltet, als es der Leser von sonstigen Kommentar
-Einleitungen gewohnt ist. Über Person, Lebensumstände und
Verkündigungsphasen des Propheten Jeremia fällt kein Wort. Ebenso
fehlt eine Skizze der zeitgeschichtlichen Umstände, in die das Wirken
Jeremias, aber auch das Werden des Jeremiabuches einzuordnen sind.
Das Nichtvorhandensein dieser für den Benutzer unabdinglichen Informationen
, die im ausstehenden zweiten Band nachgeholt werden
sollten, verleiht dem Kommentar etwas Schwebendes. Das Hauptinteresse
des Vf. liegt nicht auf der Einbettung der Worte und Texte in
ihren geschichtlichen Horizont, sondern auf der literarischen Frage
der Entstehung der vorliegenden Texte und des gesamten Buches.

Dementsprechend beginnt die "Introduction" mit einer Überprüfung
der Textzeugen. Von Bedeutung ist hier nur die Septuaginta,
deren kürzerem Text McKane den Vorzug vor dem längeren, sekundärer
Ausweitung verdächtigen hebräischen Text gibt. Allerdings
führt er dieses Prinzip nicht starr durch, sondern rechnet auch mit der
Möglichkeit von Kürzungen durch die griechischen Übersetzer.2

Abrupt, ohne eigentliche Vorbereitung, springt die Darstellung sodann
in das Problem der Prosareden des Jeremiabuches hinein. Zwischen
der Scylla einer redaktionsgeschichtlichen Erklärung (W. Thiel)
und der Charybdis einer Zuweisung der Reden an Jeremia selbst
(H. Weippert) bahnt sich McKane seinen eigenen, wenngleich nicht
unanfechtbaren Weg. Die neue Konzeption heißt "rolling corpus".
Gemeint ist damit das langzeitige, sukzessive, kleinräumige und oft
genug zufällige Wachstum eines Grundstocks jeremianischer (jer.)
Überlieferungen bis hin zur heutigen Gestalt: "What is meant by a
rolling corpus is that small pieces of pre-existing text trigger exegesis
or commentary ... In general. the theory is bound up with the persua-
sion that the rolling corpus 'rolled' over a long period oftime and was
still rolling in the post-exilic period." (LXXXIII)

Mit diesem Interpretationsmodell reiht sich der Kommentar in den
offensichtlich zunehmenden Trend zur einseitig literarkritischen
Beurteilung der Entstehung biblischer Bücher ein. Übergreifende
Kompositionsprinzipien, theologische Grundkonzeptionen und
schichtenspezifische Merkmale, wie sie der redaktionskritische Ansatz
registriert und auswertet, vermag McKane im Jeremiabuch nicht
zu erkennen. Freilich gerät er damit in gewisse Schwierigkeiten, wenn
er bestimmte Wachstumsformen des Textes mehr oder weniger zustimmend
darstellt: "the 'kerncl' idea" (ein vorgegebenes Textstratum
als Kern für nachfolgende Ausweitung), "the 'reservoir' idea"
(bestimmte Texte als Ausgangspunkte für sekundäre Formulierungen
an anderen Stellen) und "the idea of'generation' and 'triggering""
(poetische Texte schaffen sekundäre Prosa oder auch Poesie; prosaische
Texte rufen sekundäre Prosa hervor). McKane betont hierzu
wiederholt, daß es sich nicht um redaktionelle Techniken handelt,
sondern um Wirkungsweisen des "rolling corpus", was schwerlich
überzeugt. Erst recht gilt das für die Erklärung, die seit S. Mowinckel
als charakteristisch erkannte Einleitungsformel (Mowinckel: der
Quelle C, Thiel: derdeutcronomistischen Redaktion D)übe keine originäre
redaktionelle Funjetion aus, sondern sei "attributable to a
superficial kind of editorial superintendence exercised over the corpus
of the bookof Jeremiah .. ."(LXXXV)5

In einem Abschnitt "Historical problems" gibt McKane Rechenschaft
über die Gründe seiner übergroßen Zurückhaltung gegenüber
historischen Aussagen. Sie liegen in der Unsicherheit, die Texte und
ihre Entwicklungsstufen auch nur einigermaßen sicher zu datieren:
"This stepping out from the inner world of the corpus of the book of
Jeremiah into the particulars of external history has appeared to me
as the most problematic aspect of my entire investigation."
(LXXXIX) Ein derartiges offenes Eingeständnis der Verlegenheit
gegenüber einer Vermittlung der schwierigen Textverhältnisse mit der
Zeitgeschichte liest man mit Sympathie. Ist derGrund dafür aber vielleicht
in der Konzeption des "rolling corpus" zu suchen, in der alles
zu verschwimmen droht? Dennoch, die Nötigung zu einer solchen
Selbstbeschränkung gegenüber dem zeitgeschichtlichen Hintergrund