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1987

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 8

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Denkschrift 993 berichtet von Besuchern aus Jerusalem und Karthago
(1000- Der byzantinische Kaiser bat in bestimmter Lage den
Papst. Es zeigt sich, „daß man sich des Papsttums in den verschiedensten
Gegenden dann erinnerte, wenn man in irgendwelche Schwierigkeiten
geraten war und den Spruch eines der Nachfolger Petri in die
Waagschale werfen wollte" (101). Kritik an einzelnen Päpsten wurde
abgewiesen mit dem Hinweis, „daß Gott nicht Philosophen und
Rhetoren, sondern einfache Menschen wie den Fischer Petrus erwählt
habe" (105). - Einer Untersuchung über „Wald und Waldnutzung"
folgt Beitrag 5 „Cluny und der Mönch Hildebrand (Gregor VII.)".
Hildebrand wurde demnach in jungen Jahren dem Marienkloster in
Rom übergeben, das unter cluniazensischem Einfluß stand. Insofern
„war er schon Cluniazenser, bevor er in Cluny oder einem der Cluny
zugeordneten Klöster etwas mehr als ein Jahr zubrachte" (126f).
Cluniazensische Einflüsse auf Hildebrand sind nachweisbar. In Cluny
fühlte man sich zu aktivem Einsatz verpflichtet. „Die Cluniazenser
waren eine wohlorganisierte Armee Gottes gegen den bösen
Feind ..." (141). Odo von Cluny war „eine Kämpfernatur, die alles
unnötig scheinende Gepäck abgeworfen hat.. . Ganz ähnlich könnte
man es von Gregor VII. sagen" (144). Es gibt Ähnlichkeiten, die
„einen Menschentypus und seinen geistigen Nährboden betreffen,
jenes Klima der Reform, aus dem so manche ihrer Äußerungen und
Aktionen verständlich werden" (144).

Teil II „Urkundenforschung (Frühmittelalter)" erörtert als Beitrag
6 „Adressen von Urkunden und Briefen". Bei den Kämpfen 1076
zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. war es der Papst, „der als
Erster die Gestaltung der Adresse an den König zu einem Mittel der
Auseinandersetzung gemacht hatte. Hier, wo Papst und König nebeneinander
genannt werden, lag es nahe, Grundsatzpositionen zu verkünden
" (165). - Beitrag 7 „Die Reihung der Zeugen und Konsentien-
ten" geht auf Synodalprotokolle ein. Mitunter war das Ordinations-
alter ein Reihungsprinzip, doch bleibt weithin „ein chaotisches Bild"
(176). Die Urkunden sind selten im Original erhalten, sie wurden
durch Boten zur Unterschrift weitergereicht, so daß auch Abwesende
hinterher unterschreiben konnten; es bleibt die Frage, „ob neben
wohlgeordneten Zeugenlisten ungeordnete stehen oder ob neben den
erkennbaren Prinzipien andere am Werk waren, die wir nicht kontrollieren
können ..." (181). - Der längste Beitrag 8 ist überschrieben:
„Politische" Datierungen des frühen Mittelalters (186-285). Auf der
Völkerwanderung begegneten die Germanen verschiedenen Kalendern
. Justinians Reformen waren wichtig, dann Dionysius Exiguus
und Beda, bei dem die Inkarnationsjahre „zum chronologischen
Gerüst" wurden (219). Die römische Synode 769 verzichtete auf
Kaiserjahre, bald begann man nach Papstjahren zu zählen, doch hatte
man „schon längst vor Hadrian die Jahre von Bischöfen für Datierungszwecke
verwendet, so etwa in Spanien seit 589" (299). Bald
wurden die Regierungsjahre Karls d. Gr. entscheidend. Unter Ludwig
d. Fr. wurde nach Kaiserjahren und Inkarnationsjahren gerechnet;
dabei „wird vorausgesetzt, daß die Funktionäre des Reiches mit der
Zählung nach Jahren Christi vertraut waren" (280).

Abschnitt III „Mittellatein" untersucht zunächst „Sprache und
Herkunft Johanns von Viktring". Dieser Abt des Zisterzienserklosters
Viktring in Kärnten (t zwischen 1345 und 1347) scheute sich nicht,
„zahlreiche Ausdrücke in sein Werk aufzunehmen, für die er kein
Vorbild in der patristischen Literatur, Klassik und Bibel finden
konnte" (295). Vermutlich war er „im bairisch-österreichischen
Sprachgebiet aufgewachsen" (301). Der Aufsatz „Kaiser Maximilian
I. und die Sprache" geht vor allem auf Materialien zu Maximilians
Autobiographie ein, die ein Gemisch von Latein und romanischen
Sprachen zeigen (317). Diese Sprache wurde sonst mehr
mündlich als schriftlich verwendet, sie ist ein „Zeugnis einer lebendigen
Latinität des Alltags weltlicher Kreise . .., von der wir ansonsten
wenig unterrichtet sind" (322). Zusammenfassend sagt F. über die
Personen seiner beiden letzten Aufsätze: „Stete Eile kennzeichnete
beide, den Kärnter Abt und den viele Pläne schmiedenden Kaiser.
Beiden ist gemeinsam, daß Latein für sie noch eine lebendige Sprache

war, der man sich ohne humanistische Ehrfurcht näherte." (Vorwort
)

Heinrich Fichtenau ist zu gratulieren, weil er seine Lebensernte in
so reichem Maße einbringen konnte.

Rostock Gert Haendler

Goodich, Michael: Vita Perfecta: The Ideal of Sainthood in the
Thirteenth Century. Stuttgart: Hiersemann 1982. VIII, 290 S. gr. 8*
= Monographien zur Geschichte des Mittelalters, 25. Lw.
DM 180,-.

Der Vf. will „ausgewählte Themen der Hagiographie des 13. Jh.
erörtern, wobei er sich auf die Werdejahre des Heiligen bis zur
Bekehrung oder zum Eintritt in einen Orden konzentriert" (S. VII).
Zu dem Zweck unterzieht er die Quellen für 518 nach 1215 gestorbene
und vor 1296 geborene Personen, die er aus den Acta Sanctorum
ermittelt hat, einer Rasterbefragung nach 18 Gesichtspunkten, die fast
alle äußerlich-biographischer Art sind (S. 15ff). Die Vorführung der
Ergebnisse einer quantitativen Analyse in 7 Kapiteln (Soziale Herkunft
, Kindheit, Jugend, Monastische Heilige, Mendikanten, Frauen,
nichtmonastische Laien) führt zu einem praktisch kaum benutzbaren
Verschnitt äußerlicher, oft statistisch ungenügend gesicherter und des
jeweiligen historischen Umfelds mehr oder weniger beraubter
„Fakten", deren Verallgemeinerung wenig ergibt, zumal sich auch der
allgemein religionssoziologische Horizont und die Motivation des Vf.
aus Erfahrungen der Studentenrevolte als heuristisch wenig hilfreich
zeigen, um das mindeste zu sagen. Nützlich mag allenfalls der einleitende
Uberblick über die Quellentypen aus und außerhalb von Heiligsprechungsprozessen
der Päpste sein, die bekanntlich die Kanonisa-
tion seit Alexander III. und (mehr) seit Innozenz III. monopolisierten
und damit eine Ober- und eine Unterklasse von Heiligen schufen (vgl.
E. W. Kemp, Canonization and Authority in the Western Church,
London 1948). Das Bild der Tradition hagiographischer Topoi, der
fortwirkenden Tradition der frühmittelalterlichen Adel- und Klerusheiligen
, der Familieninteressen, der in den meisten Fällen an den
strengeren Kontrollkriterien des Papsttums scheiternden örtlichen
Laienheiligen des 13. Jh. gewinnt kaum neue Züge. Die zielbewußte
Einsetzung freilich von Kanonisationen erst eines musterhaft frommen
Kaufmanns (Hompbonus von Cremona, 1199), dann mendikan-
tischer Heiliger zur Stärkung des katholischen Bewußtseins gegen die
Häresie zwischen Innozenz III. und Alexander IV. (Clara von Assisi),
wonach ab 1260/70 das Papsttum - entsprechend der nun restriktiver
gewordenen Politik gegen neue Orden - die Schleusen schließt, ist ein
zwar auch nicht ganz neues, aber denkwürdiges Faktum. Im übrigen
kann das Buch für Einzelfälle Nachschlagewert haben. Unglücklicherweise
ist es bei Erscheinen durch eine gleichzeitige ungleich
profundere monumentale Monographie überholt: Andre Vauchez, La
Saintete en Occident aux derniers siecles du Moyen äge d'apres les
proces de Canonisation et les documents hagiographiques, Rom 1981
(Bibliotheque des Ecoles Francaises d'Athenes et de Rome, 241). Über
sie ist hier nicht zu berichten. Ebenfalls 1982 erschien Donald Weinstein
/Rudolph M. Bell, Saints and Society (Chicago und London), ein
Buch, das allgemeiner ist, aber - wie auch Vauchez - brauchbarere
statistische Tabellen enthält. Detailfehler - wie der, daß Kaiixt II.
konsequent als Kalixt III. gezählt wird - brauchen hier nicht
gesammelt zu werden. Um die im wesentlichen vertane langjährige
Mühe ist der Autor zu bedauern. Vielleicht könnte sie in Einzelstudien
Frucht tragen.

Berlin (West) Kurt-Victor Selge

Frank, William A.: Duns Scotus' coneept of Willing freely: what divine
freedom beyond choice teaches us(FrS 42.1982,68-89).

Jaspert, Bernd: Weltliche Frömmigkeit im Mittelalter (EuA 62, 1986,
259-284).