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Ausgabe:

1987

Spalte:

604-606

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Lebensordnungen, Urkundenforschung

Titel/Untertitel:

Mittellatein 1987

Rezensent:

Haendler, Gert

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603

Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 8

604

Det europxiske klostervxsen. Ärhus: Acta Jutlandica 1985. 119 S. m.
Abb. 8' = Acta Jutlandica, L1X Teologisk serie 13.

Diese dänische Arbeit über das „Mönchtum" ist relativ allgemeinverständlich
geschrieben, aber mit zuverlässiger Wissenschaftlichkeit.
Auch sind ja die Beitragsautoren entweder Universitätsangehörige
oder Klostermitglieder. Die Darstellung beginnt mit der Vorgeschichte
des Mönchtums, d. h. dem Eremiten- oder Anachoreten-
leben. Die Anachoreten waren schon Mönche, weil sie allein (monathos
) lebten. Oft wohnten sie auch nahe beieinander und konnten
sogar Dörfer bilden. Eine herausragende Rolle in diesem Zusammenhang
spielt der Hl. Anton (Antonius) (250-356). Antonius der Eremit,
wie er oft genannt wird, muß von einem anderen Antonius unterschieden
werden: nämlich von dem Hl. Antonius von Padua, der im
13. Jh. lebte und noch heute einer der beliebtesten katholischen
Heiligen ist. Antonius der Eremit dagegen wird als das große Vorbild
des wahren Mönchlebens dargestellt. Ausführlich wird die Frömmigkeit
im Geiste des Hl. Anton beschrieben, und man bekommt dadurch
einen guten Einblick in diese spezielle Spiritualität.

Späterhin wird Pachom (Pachomius) als hervorragende Gestalt der
Frühzeit des Klostertums vorgeführt. Seine Bedeutung ist kaum zu
überschätzen. Als er starb, war er Haupt von neun Klöstern und
7000 Mönchen und auch noch vier von Nonnenklöstern.

Ein bißchen überraschend, aber völlig korrekt, kommt dann
St. Augustin, der große Kirchenvater, in den Blick. Nach seiner
Bekehrung zum Christentum kehrte er ins nördliche Afrika zurück
und gründete dort in Hippo eine Kommunität, die er wörtlich Kloster
nannte. Später, als er Bischof war, hat er im Bischofshause mit seinen
Priestern zusammen ein monastisches Leben begonnen und hat zu
diesem Zweck eine Regula verfaßt, die später von größter Bedeutung
wurde, und das in zweifacher Hinsicht. Erstens ist die Augustinerregel
zur wichtigsten Grundentscheidung der Prälaten geworden. Wenn die
Priester eines Doms mit dem Gemeinschaftsleben begannen - was mit
der Zeit überall der Fall wurde -, ist häufig die Augustinerregel benutzt
worden. In diesem Zusammenhang hätte etwas mehr über Capi-
tularregeln geschrieben werden können, was eine interessante und
wichtige Frage von immer bestehender Aktualität ist. Zweitens ist die
Augustinerregel nach 1215 in einer anderen Weise zu größter Bedeutung
gelangt. Das 4. Laterankonzil hat die Gründung neuer kirchlicher
Orden verboten, was auch dem Hl. Dominikus Schwierigkeiten
bereitete. Als der Papst im Jahre 1216 die Ordo Praedicatorum bestätigte
, war das nur möglich, indem man einige sog. Konstitutionen
zur Augustinerregel hinzufügte.

Im nächsten Jh. wurde die Hl. Birgitta vor dieselbe Schwierigkeit
gestellt. Als Papst Urban V. im Jahre 1371 die Regula Sanctissimi
Salvatoris annahm, konnte dies wiederum auf Grundlage der Augustinerregel
geschehen. Mit der Zeit ist die Zahl solcher sekundärer
Orden erstaunlich groß geworden (nämlich 71!). Es ist auch zu
beachten, daß der junge Luther ein Augustiner-Mönch war. Er gehörte
ja zu den Augustiner-Eremiten, dem dritten der großen Bettelorden
. Natürlich wird in dieser Arbeit der Hl. Benedikt und seine
Regula ausführlich behandelt. Die Ordo Sancti Benedicti ist die erste
und in gewissem Sinne die einzige Klosterregel der westlichen Kirchen
. Aus dieser Regel sind viele andere als Reformbewegungen entstanden
: Cluniazenser, Zisterzienser, Karthäuser und Trappisten. Die
beiden ersten werden ausführlich behandelt, die zwei letzteren nicht.
Auch andere wichtige Orden werden nicht behandelt (aus Platzgründen
). Wertvoll ist eine abschließende Tabelle über das Klosterleben
des Abendlandes.

Nach den Zisterziensern werden die Franziskaner erwähnt. Hier
muß man doch eine Bemerkung prinzipieller Art machen; die Bettelorden
sind nicht Klosterorden, und ihre Mitglieder sind nicht Mönche
. Hier macht H. J. Frederiksen einen Fehler, als er von „Bettelmönchen
" und ihren Klöstern spricht. Denn das Neue an den Bettelorden
war ja, daß die Brüder (fratres genannt, oft fra abgekürzt; cf.
engl, friars!) keine Gelübde betreffs stabilitas loci abgaben. Sie sollten

sich dagegen unter den Leuten als Prediger und Seelsorger betätigen.
Ihre Gemeinschaftshäuser werden nie Klöster genannt, sondern
Konvente (cf. Sacro Convento, das Zentrum der Franziskaner in
Assisi!). Daß man im Spätmittelalter inzwischen eine falsche Terminologie
benutzte, ist eine ganz andere Sache. So wurde z. B. die Insel
in Stockholm, wo sich der Franziskanerkonvent befand, „Grämunkeholmen
" genannt („Graumöncheinsel"). Vielleicht sollte man noch
bemerken, daß z. B. in Lund eine Straße noch „Gräbrödragatan"
heißt („Graubrüderstraße") und auch anderswo der Name „Svart-
brödragatan" („Schwarzbrüderstraße") vorkommt.

Die Birgittiner werden ausführlich m einem Beitrag von Dr. Tore
Nyberg behandelt, wo auch u. a. die speziellen architektonischen
Prinzipien der Ordo Sanctissimi Salvatoris beschrieben werden.
Dieser Beitrag gehört ohne Zweifel zu den erheilendsten in diesem
Buch. Man ist auch besonders dankbar für den Aufsatz über die
Klosterspiritualität der Ostkirche, den sog. Hesychasmus. Hier öffnet
Dr. A. M. Aagaard die Türe zu einer Welt, die im Abendland weithin
unbekannt ist!

Die Kenntnis über Klosterleben und -frömmigkeit ist ja besonders
in protestantischen Ländern nicht groß. Es ist deshalb bedeutsam, daß
in unserer ökumenischen Zeit Bücher wie dieses geschrieben
werden.

Abo Bengt Ingmar Kilström

Kirchengeschichte: Mittelalter

Fichtenau, Heinrich: Beiträge zur Mediävistik. Ausgewählte Aufsätze
. 3: Lebensordnungen. Urkundenforschung. Mittellatein.
Stuttgart: Hiersemann 1986. IX, 340 S. gr. 8 Lw. DM 120,-.

2 Aufsatzbände sind in der ThLZ besprochen worden (I, 1975 in
ThLZ 101, 1976, 938-940; II, 1977 in ThLZ 103, 1978, 434f). Der
Wiener Historiker schrieb dann 2 Bände „Lebensordnungen des 10.
Jahrhunderts" (1984), die in ThLZ 111, 1986, 599-601 besprochen
wurden. Der jetzt vorliegende Band knüpft daran an; Teil I beschäftigt
sich mit den „Lebensordnungen des 10. Jahrhunderts". Er berichtet
über „Reisen und Reisende", das Sprachproblem taucht auf. Die
peregrinatio wurde als asketische Leistung verstanden, oft sah
man „das Wallfahrtsziel als Ort der Gottesnähe" (36). Wallfahrten
wurden aber auch als Bußleistungen gefordert. „Dann hatte man ihn,
der ein Ärgernis für alle Guten war, für einige Zeit los. Wenn er
wiederkam, vielleicht nach einer Lossprechung durch den Nachfolger
Petri, war Gras über die Sache gewachsen . . ." (37). Rom war lange
Zeit das wichtigste Wallfahrtsziel, „bis die Öffnung des Landweges
durch Ungarn und dann die Kreuzzugsbewegung den Pilgerströmen
eine neue Richtung wiesen" (45). Weitere Ziele waren Cluny und
Santiago de Compostela (49). Auch zur Michaelsgrotte am Monte
Gargano kamen Pilger. Zeitgenössische Reiseberichte beurteilt F.
kritisch: „In der Zeit zunehmender Provinzialisierung des Römerreiches
blieb Aetheria provinziell auch als Reisende, und Ibrahim ibn
Jakub hat sich keineswegs als Nathan der Weise verstanden. Liut-
prand, der wenig erfolgreiche Gesandte, hat sich immerhin mit seinem
Widerpart temperamentvoll auseinandergesetzt. Hier konnte es
Ansätze von Verstehen geben . . ." (79). - Der Artikel „Gentiler und
europäischer Horizont" zeigt ein vorwiegend beschränktes Interesse.
Bei Gerbert von Aurillac (Papst Silvester II.) erscheint ein „neues
Europäertum intellektueller Prägung" (86). Es gab einen gewissen
Austausch. Ein Geistlicher fand „wieder Geistliche, mit denen er sich
auf lateinisch verständigen konnte, der Mönch fand Unterkunft von
Kloster zu Kloster" (89). Es entstand jene „dünne Schicht überregionalen
Gelehrtentums, das später an den Universitäten den Ton
angab" (92).

Der dritte Beitrag berichtet „Vom Ansehen des Papsttums". Auch
in schlechten Zeiten behielt das Papsttum ein gewisses Prestige. Eine