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Ausgabe:

1987

Spalte:

38-40

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Iserloh, Erwin

Titel/Untertitel:

Kirche - Ereignis und Institution 1987

Rezensent:

Lohse, Bernhard

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Theologische Literaturzeitung 1 12. Jahrgang 1987 Nr. 1

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punkte mit qumranischen Gedanken. Inwiefern die Pastoralbriefe in
dieses Drei-Etappen-Entwicklungsschema einzuordnen seien, wird
nicht erörtert.

Insgesamt kann man zu dieser Untersuchung sagen, daß sich der Vf.
zwar im Dialog mit der internationalen Paulusforschung befindet und
dabei eine erstaunliche Fülle von Literatur aus etlichen europäischen
Sprachen verarbeitet, daß seine Ausführungen aber verhältnismäßig
stark traditionellen römisch-katholischen Fragestellungen und Antworten
verhaftet sind. Wenn die paulinischc Theologie in der Weise,
wie es der Vf. sieht, Soteriologie ist, dann folgt daraus auch die Notwendigkeil
einer Hcilsanstalt zur Vermittlung des Heils. Dabei tritt
die paulinischc Auffassung der Glaubensgerechtigkeit viel zu stark in
den Hintergrund.

Berlin Joachim Rohdc

Kertelge, Karl [Hg.]: Ethik im Neuen Testament. Frciburg-Basel-
Wicn: Herder 1984. 214 S. 8° = Quaestiones Disputatae, 102. Kart.
DM 45.-.

Der Hand publiziert Vorträge, die auf der Tagung der deutschsprachigen
katholischen Neutestamentier 1983 in Luzern gehalten
worden sind; sie sind teilweise beträchtlich erweitert, teilweise aber
auch in ihrer ursprünglichen, anredenden Gestalt erhalten (so bes.
D. Zeller). Die Beiträge von Neutestamentlern werden gerahmt durch
solche von Moraltheologen. Franz Furger ..Ethische Argumentation
und neutestamentiiehe Aussagen" (13-31) besteht zunächst auf dem
fundamentalen Unterschied zwischen „Ethik" als der plausiblen Begründung
geforderten I landelns und der „Paränese" als der konkreten
Handlungsforderung. Die neutestamentiiehe Ethik präsentiert sich
/um weitaus größten feil als ..Paränese". Sie setzt aber ein Handlungsprinzip
voraus, das Furger in der Liebe findet, die in der Kraft
des (ieistes (iottes wurzelt. Indem er die Liebe in der „Ethik"
ansiedelt, will er die ..Paränese" dem De/isionismus entziehen und
rationalen Überlegungen und Güterabwägungen öffnen. Das ist
zweifellos ein beachtenswerter Versuch.

Der abschließende Aufsatz von Franz Böckle ..Moraltheologie und
Exegese heute" (197-2 10) definiert die Moraltheologic als den Ort. an
dem „die Wirklichkeit des Glaubens sich im Medium der Ethik auslegt
" (I 98). Der (IIa übe an die inkarnatorische Zuwendung (iottes zur
Welt begründet die Universalität und Rationalität christlicher Ethik
Das ethische Handeln soll die heilsam bewegende Kraft Gottes in
dieser Welt sichtbar machen und so die Gottesgestalt der Welt ofien-
legen. In der Christusgeschichle ist die liebende Zuwendung zur Welt
als das Prinzip des Handelns aufgedeckt, in tiein das wahre Humanuni
zum Zuge kommt. Auch diese Verbindung der Ethik mit einer
dynamisch verstandenen Schöpfungstheologie ist bedenkensweit Es
ist zu fragen, ob in solchem Zusammenhang nicht einmal die vorwiegend
prohibitive Gestalt der (alttestamentlich-jüdischcn-) neu-
testamentlichen Paränese reflektier) werden müßte. Das darin offenkundig
liegende Problem kommt in dem Buch nicht in den Blick.

Schon solche Rahmung der Beiträge von Neutestamentlern zeigt,
daß es insgesamt keineswegs nur um „Ethik im Neuen Testament"
gehl, sondern vielmehr um Begründung und Inhalt christlicher Ethik
überhaupt. Das ist denn auch ausdrücklich das Thema des als
Korreferat zu Furger angelegten Beitrags von Rudolf Schnackenburg
..Ethische Argumentationsmethoden und neutcstamentlich-elhische
Aussagen" (32-49). in dem nachdrücklich der eschatologische Horizont
neutestamentlich begründeter Ethik gegen die Hervorkehrung
allgemeiner Rationalität geltend gemacht wird. Auch die beiden
großen exegetischen Aufsätze von Paul Hoffmann und Gerhard
Lohfink verfolgen mit ihren scharfsinnigen Analysen zu Einzcl-
problcmcn ethisch relevanter Jesus-Überlieferung im Neuen Testament
erkennbar aktuelle Interessen. Für HolTmann ergibt sich das
bereits aus dem Titel: „Tradition und Situation. Zur .Verbindlichkeit'
des Gebotes der Feindesliebe in der synoptischen Überlieferung und

in der gegenwärtigen Friedensdiskussion" (50-1 18); er schließt mit
konkreten Sätzen zur heutigen Situation, nachdem er in subtiler
Analyse die Tradition und jeweilige Interpretation des Gebotes Jesu
im Neuen Testament herausgearbeitet hat. Lohfink bestimmt über die
Frage: „Wem gilt die Bergpredigt? Eine redaktionskritischc Untersuchung
von Mt 4,23-5,2 und 7.28P' (145-167) die Adressaten der
Weisungen Jesu: nicht die „Welt", auch nicht einfach „die Kirche",
sondern das eine Gottesvolk, das Jesus durch seine endzeitliche
Tora-Auslegung um sich sammelt und das die Ordnung der Bergpredigt
in seiner Mitte lebt (und damit der Welt ihre Alternative
darbietet).

Wilhelm Egger „Handlungsorientierte Auslegung der Antithesen
Mt 5,21-48" (119-144) demonstriert, welchen Beitrag Pragmatik
und Handlungstheorien für das Verständnis der Antithesen (im
Konzert der anderen Methoden) leisten können, und drückt die
Hoffnung aus. daß solche Betrachtungsweise auch die Möglichkeiten
heutiger Praxis der Bergpredigt Jesu fördert. Der Beitrag empfiehlt
sich durch seine verständliche Diktion und das Wissen um die
subsidiäre Funktion der in ihm traktierten Methode.

Neben der Jesus-Überlieferung wird nur das Problem „Indikativ
und Imperativ bei Paulus" (168-189) durch Jost Eckert und eine
Replik darauf von Dieter Zeller mit dem Titel „Wie imperativ ist der
Indikativ?" (190-196) behandelt. Eckert stellt am Schluß die aktuellen
Fragen nach dem Verhältnis des paulinischen Imperativs zur
jüdischen Tora sowie zur autonomen Moral des gleichsam natürlichen
Menschen. Man ist. mit Blick auf Paulus, etwas erstaunt, eine
wie geringe Rolle Begriff und Wirklichkeit der Sünde in den
Überlegungen spielt. Zcller stellt u. a. die Verschränkung des Nebeneinander
von Indikativ und Imperativ mit dem von „Schon" und
„Noch-nicht" der Heilsverwirklichung in Frage; er scheint in seinem
- freilich weitgehend nur als Anfrage formulierten - Beitrag auf eine
Verwirklichung des Indikativs in der Unausweisbarkcit des Glaubens
zu tendieren.

Das Buch ist anregend, indem es Probleme markiert. Exegetisch
wichtig sind die beiden Beiträge von HolTmann und Lohfink (dieser in
erweiterter Form schon in ThO 163. 1983. 264-284). Die Erwartungen
, die der Titel des Bandes erweckt, werden aber doch nicht
eingelöst.

Halle (Saale) Traugotl Holl/

Kirchengeschichte: Allgemeines

Iserloh. Erwin: Kirche - Ereignis und Institution. Aufsätze und Vorträge
. Bd. I: Kirchengeschichte als Theologie. VII. 520 S.. I Porträt
: Bd. 2 Geschichte und Theologie der Reformation. VII, 510 S.
Münster'W.: AschcndorlV 1985. gr. 8' = Reformationsgeschichtliche
Studien und Texte, Suppl. Bd. 3. I u. 2. Lw. zus. DM 120-

Erwin Iserloh, der 1985 sein 70. Lebensjahr vollende) hat. hat hier
in zwei umfangreichen Bänden zahlreiche seiner Aufsätze und Vorträge
nach einmal gesammelt vorgelegt. Zusammengestellt sind die
beiden Bände von Barbara Hallensleben. Entsprechend den Schwerpunkten
in der wissenschaftlichen Arbeit Iserlohs ist der erste Band
(= I) allgemeineren Fragen der Kirehengeschichtc als theologischer
Disziplin sowie bestimmten Problemen und Gestalten des Mittelalters
sowie des neuzeitlichen Katholizismus gewidmet, während der
zweite Band (=11) Fragen der Reformationsgesehichle sowie der
Kontroverstheologie des 16, Jh. behandelt. Die Reihenfolge der Beiträge
folgt inhaltlichen Gesichtspunkten, nicht der Entstehungszeit.
Da die einzelnen Untersuchungen in einem Zeitraum von fast vier
Jahrzehnten entstanden sind, wird der aufmerksame Leser an
manchen Stellen leichte Spannungen zwischen früheren und späteren
Auffassungen feststellen. Im ganzen ist Iserloh jedoch den schon in
seinen frühen Arbeiten vertretenen Auffassungen in bemerkenswerter
Weise voll und ganz treu geblieben.