Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1987

Spalte:

585-586

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Schulze-Berndt, Hermann

Titel/Untertitel:

Neue religiöse Bewegungen innerhalb und ausserhalb der Kirchen 1987

Rezensent:

Obst, Helmut

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

585

Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 8

586

zwischen kirchlicher Institution und freier Gestaltung der individuellen
Religiosität" (S. 216). Von daher gilt dann folgerichtig, daß
diese Ausdifferenzierung keineswegs als eine „tendenzielle Auflösung
der christlichen Religion erscheinen kann". Lediglich einem an der
integrativen und obligatorischen Funktion von Institutionen orientierten
Konzept mag es so scheinen, welches „die moderne Christentumsgeschichte
,unbegriffen' sich selbst überläßt". (S. 216) Für diese
jedoch ist „die Bewahrung und Erhaltung freien Subjektseins immer
schon das entscheidende Thema gewesen ... in welchen Verschlüsselungen
der religiös-dogmatischen Sprache (es) auch immer
zur Darstellung gelangt". (S. 217)

Im Grunde wird so ein „protestantisches Prinzip" zur Geltung
gebracht, welches sich grundsätzlich der modernen Religionskritik
stellt, ihr aber eine theologische Grundlage gibt. So mündet die wissenschaftlich
-strategische Absicht des Vf. darin, zu vermeiden, daß
eine philosophische Theologie in „getrennte Sparten" (S. 546) auseinanderdriftet
. „Die Berufung auf das vorausgesetzte Offenbarungshandeln
Gottes (nützt) so lange nichts, solange sie nicht dazu übergeht,
den Gedanken der göttlichen Offenbarung zu denken, was allein mit
philosophischen Mitteln möglich ist." (S. 546) Evangeliumszeugnis,
Glaubensgewißheit und Geistzeugnis sollen also „auf rationalem
Weg" in einer Theo-Logie begründet werden, die der radikalen
Religionskritik gegenüber den Schein, „eine exklusiv subjektive
Lenkung zu sein", vermeidet. . .

In einer Art Kehre des religiösen Bewußtseins zu einer Begründung
im Gedanken der Selbstexplikation des Absoluten wird das religiöse
Bewußtsein in Theo-Logie als einer Theorie des Absoluten „aufgehoben
". Alles hängt dann davon ab, ob es gelingt, daß „erstens der
Gedanke des Absoluten unabhängig von der Beziehung des religiösen
Bewußtseins als konsistent gedacht werden kann, so daß die Qualifizierung
des Absoluten, das Absolute zu sein, aus der Selbstdarstellung
des Absoluten selber verständlich wird. Diese Selbstdarstellung des
Absoluten ist zweitens so zu konzipieren, daß sie die Beziehung des
religiösen Bewußtseins zum Absoluten aufgrund von dessen Beziehbarkeit
für anderes, Welt und Mensch ermöglicht." (S. 587)

Falk Wagner hat den tragfähigen Entwurf des Systems einer solchen
synthetischen Theo-Logie vorgelegt, der in der Wahrheit seines Anliegens
und seiner Durchführung seine universale Bedeutung bewähren
wird.

Leipzig Hans Moritz

Schulze-Berndt, Hermann, Viertelhaus, Wolfram, u. Norbert Weidinger
: Neue religiöse Bewegungen innerhalb und außerhalb der
Kirchen. München: Kösel 1986. 187 S. m. Abb. 8 Kart.
DM 24,80.

Das Buch ist aus der Praxis für die Praxis, d. h. für die katholische
Jugend- und Erwachsenenarbeit geschrieben. Es will auf die Herausforderung
durch „Jugendreligionen" und neue religiöse Bewegungen
antworten, denn: „Die Fragen und ungelösten Probleme, die sich den
Kirchen stellen in der kirchlichen Jugendarbeit und darüber hinaus
im Religionsunterricht und in der Erwachsenenbildung, sind eher
grundsätzlicher und größer geworden" (S. 8). Zunächst werden
„Neue religiöse Bewegungen außerhalb der Kirchen", im wesentlichen
durch Kurzinformationen, vorgestellt (1.1-1.6). Die Auswahl
ist sehr bunt, sie reicht von den inzwischen fast klassisch zu nennenden
Jugendreligionen über das „Heimholungswerk Jesu Christi" bis
hin zu neugermanischen Kulten. Dieser Teil kann wissenschaftlich
nicht befriedigen, weist Verkürzungen auf, die zu Verzerrungen
führen, verzichtet nicht auf oberflächliche Polemik und wird dem
erklärten Ziel der Publikation, „einen Beitrag dazu [zu] leisten, von
der reinen Symptombekämpfung zur breiten Ursachenanalyse überzuleiten
" (ebd.), schwerlich gerecht. Weiterführende und neue
Aspekte ergeben sich erst in der Untersuchung von „,Neo-Religionen'
als Problem der Jugendpastoral" (1.8). Das Ergebnis der Überlegungen
ist in neun Thesen zusammengefaßt. Sie verdienen Beachtung
durch die kirchliche Jugendarbeit beider Konfessionen. Es wäre gut,
wenn sie eine über die Publikation hinausführende Verbreitung
fänden.

Im Kapitel 2 werden „Neue Formen religiösen Lebens in den
Kirchen" vorgestellt. Die Vf. wollen zeigen, „daß es auch in den
Kirchen konkrete Alternativen zu den Sekten gibt" (S. 96). Als Beispiele
werden vorgestellt: Taize, Katholisch-Charismatische Gemeindeerneuerung
, Fokolare-Bewegung, Cursillo, die Bewegung
„Kloster auf Zeit" und „Tage im Kloster", die „Initiative Kirche von
unten". Der Versuch einer Beurteilung will jeweils den Lesern die
eigene Standortfindung erleichtern.

Ob die vorgelegte Gegenüberstellung von „Neo-Religionen und
neuen Formen religiösen Lebens" in kirchlichen Gruppen (Kap. 3) in
ihrer Schwarz-Weiß-Malerei hilfreich ist, muß angefragt werden.
Dagegen dürfte sich der „Entwurf eines Wochenendseminars zum
Thema ,Neue religiöse Bewegungen innerhalb und außerhalb der
Kirchen'" (Kap. 4) mit seinem Modell eines ausgearbeiteten
„Wochenend-Programms" (Kap. 5) für die Praxis kirchlicher Arbeit
als sehr nützlich erweisen. Der Zielstellung der Publikation entspricht
die Sammlung von „Kontaktadressen zur Information und Beratung"
(Kap. 9) sowie die Literaturhinweise „zum Einsatz bei Bildungsveranstaltungen
" (Kap. 10).

Für die Jugend- und Gemeindearbeit kann das Buch wichtige
Anregungen und Hilfestellungen geben. Der Versuch einer gemeindeorientierten
Auseinandersetzung mit neuen religiösen Bewegungen
auf der Basis innerkirchlicher Selbstkritik, die eigene Angebote und
Möglichkeiten ebenso glaubhaft wie deutlich macht, ist grundsätzlich
zu begrüßen. Sachlichkeit und Genauigkeit bei der Darstellung der
Positionen anderer bleibt dabei aber ein unaufgebbares Desiderat.

Halle (Saale) Helmut Obst

Altes Testament

Albertz, Rainer: Verantwortung vor dem Schöpfer. - Die Bibel als
Anleitung für einen neuen Umgang mit unserer Umwelt. Konstanz:
Christliche Verlagsanstalt 1985.23 S. 8'= Konstanzer Theologische
Reden, 1.

Der im priesterschriftlichen Schöpfungsbericht ausgesprochene
Schöpfungsauftrag an den Menschen „Machet euch die Erde Untertan
!" (Gen 1,28) ist in den letzten Jahren in der ökologischen Debatte
in den Verdacht geraten, die ökologische Krise mit verursacht zu
haben (C. Amery, Das Ende der Vorsehung. Die gnadenlosen Folgen
des Christentums, 1974). Alttestamentier sind aus diesem Grunde
immer wieder nach dem richtigen Verständnis des alttestamentlichen
Schöpfungsglaubens gefragt worden. Der Siegener Bibelwissenschaftler
Rainer Albertz stellt sich dieser Frage und unternimmt den Versuch
, aus den Texten der biblischen Urgeschichte (Gen 1-11) Klärung
für die Bestimmung des Verhältnisses von Mensch und Umwelt zu
gewinnen. Vorliegender Publikation liegt ein Vortrag zur „Woche der
Brüderlichkeit" zugrunde. A. plädiert dafür, den akzentuierten Vers
nicht isoliert zu betrachten, sondern aus dem Zusammenhang des
gesamten priesterschriftlichen Schöpfungsberichtes heraus zu verstehen
. Darüber hinaus macht er zu Recht darauf aufmerksam, daß
Gen 1,1-2,4a nicht ohne den Blick auf den Komplex der Urgeschichte
, namentlich den jahwistischen Schöpfungsbericht (Gen
2,4b-3,24) interpretiert werden darf. Das dominium terrae des
Menschen weist diesen nach den Formulierungen von Gen 1,28 eindeutig
als „Herrscher" aus, doch wird diese Funktion mißverstanden,
wenn unberücksichtigt bleibt, daß dem altvorderorientalischen Herrscher
zugleich die Fürsorge für die von ihm Beherrschten und deren
Erhaltung aufgetragen war. Die Verpflichtung zur Erhaltung der
anvertrauten Erde bringt der jahwistische Schöpfungsbericht zum
Ausdruck, indem er erzählt, daß der Mensch nach seiner Erschaffung