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Ausgabe:

1987

Spalte:

581-582

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Mémorial André-Jean Festugière 1987

Rezensent:

Haendler, Gert

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581

Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 8

582

(1) die Kirchenbibliothek Lüben/Schlesien, deren Hss. großenteils
aus Leipziger Skriptorien stammen, die für Lehrer und Studenten der
Universität arbeiteten. Viele waren von dem aus Lüben gebürtigen
Leipziger Theologieprofessor und Meißener Domherrn Marcus Scul-
teti (gest. 1502) in Auftrag gegeben worden, der sie später der Pfarrkirche
St. Marien seines Heimatortes vermachte. Diese oft als libri
catenati erkennbaren Bände wurden im Jahr 1900 in die Kgl. Bibliothek
zu Berlin überführt. (2) Wie unter den Quart-Hss., so begegnen
auch in diesem Katalog eine Anzahl jener 50 Codices, die die Kgl.
Bibliothek 1907 aus der Gymnasialbibliothek Heiligenstadt im Eichsfeld
übernahm und die ursprünglich überwiegend aus der Benediktinerabtei
Gerode und der Zisterzienserabtei Reifenstein stammen. (3)
Von diesen durchweg im 15. Jh. im schlesischen, thüringischen und
sächsischen Raum entstandenen Hss. unterscheiden sich die seit 1893
aus der Sammlung Phillipps erworbenen ganz erheblich: Sie kommen
als Säkularisationsgut vor allem aus rheinischen Klöstern, z. B. in
Mainz, Bingen, Trier, Steinfeld/Eifel, Köln St. Barbara, Kamp/Niederrhein
(und Utrecht) und entstammen spätkarolingischen, romanischen
und gotischen Skriptorien.

Die dem Katalog vorangestellte Einleitung nennnt (S. 110 auch
paläographisch und kodikologisch beachtenswerte Hss. und die -
wie zu erwarten - nicht sehr zahlreichen Codices mit bemerkenswertem
Buchschmuck; sie weist auch auf manche Sermonesreihen
und Heiligenlegenden hin, die in den Repertorien nicht nachweisbar
sind. Ein Blick auf die im Register genannten Autoren mit den
meisten Eintragungen ergibt: Jakob von Jüterbörg (56 und 1),
(Ps.-)Augustin (23 und 14), Bernhard v. Clairvaux (14 und 13),
Gerson (25), Thomas v. Aquin (18 und 4), Gregor d. Gr. (17), Werner
Rolevinck (6 und 5), Hieronymus (10 und 1), Anselm (10).

Auch dieser Katalog enthält die heute üblichen Beigaben samt
Register der „Legendae Sanctorum" und der nach Repertorien identifizierten
„Versus", die dazu beitragen, daß das mit umfassenden
Kenntnissen erschlossene Hss.material dem Benutzer bestens zugänglich
wird. Der Band ist methodisch vorbildlich gearbeitet und
zeichnet sich durch eine präzise und dennoch gewandte und ansprechende
sprachliche Form aus. Die große Sorgfalt bewährt sich
nicht zuletzt bei der Fragmentenbestimmung, der Zusammenführung
zerschnittener, als Einbandmakulatur benutzter Blätter im Berliner
Hss.bestand und in reichlicher Nennung von Parallel- und Vergleichs-
Hss. in anderen Bibliotheken, wogegen Druckfehler äußerst selten
sind (Schriftraum S. 216; Schlagzeile S. 283, vgl. 279; S. 81: Fragment
eines aszetischen, nicht „asketischen" (?) Textes).

Den bereits erschienenen Bänden von G. Achten fügt sich dieser
ausgezeichnete Katalog bestens an, und man darf der weiteren Erschließung
dieses wichtigen Bestandes gute Fortschritte wünschen.

Düsseldorf Gerhard Karpp

[Festugiere, Andre-Jean:] Memorial Andre-Jean Festugiere.

Antiquite Pai'enne et Chretienne. 25 etudes reunies et publ. par
E. Lucchesi et H. D. Saflrey. Genf: Cramer 1984. XXXIV, 289 S., 1
Taf. 4* = Cahiersd'Orientalisme, 10.

Der 1982 verstorbene Pere A.-J. Festugiere sollte zum 85. Geburtstag
1983 eine Festschrift erhalten, die nun als Gedenkbuch vorliegt.
Die 25 Beiträge stammen von Georges Roux, Jean Irigoin, Stephen
G. Danitz, Georg Luck, Pierre Hadot, Jean-Pierre Mahe, Henry
Dominique Saffrey, Gerard Troupeau, Marguerite Harl, Georges
Dumezil, Ceslas Spicq, Zeph Stewart, Henry Chadwick, Jaques Fontaine
, Charles Kannengiesser, Bernhard Wyss, Joseph Paramelle,
Enzo Lucchesi, Michel Aubineau, Olof Gigon, Lucien Regnault,
Antoine Guillaumont et Micheline Albert, Pierre Petitmengin et
Bernard Flusin, Jose Grosdidier de Matons (t), Francois Halkin. Ein
Lebensbild des Verstorbenen bietet H. D. Saffrey (VII-XV); darin
steht gleich zu Beginn der Satz: «II travaillait toujours. ..». Der
Patristiker kann bei Editionen immer wieder auf den Namen Festugiere
treffen. Das Gedenkbuch bringt sein Schriftenverzeichnis mit
350 Nummern. Seine wichtigsten Arbeiten - sämtlich in Paris erschienen
-seien nachstehend genannt:

L'ideal religieux des Grecs et l'Evangile, 1932; Le monde greco-romain au
temps de Notre-Seigneur, I—II: 1935; La Philosophie de l'amour de Marsile
Ficin, 1941; La revelation d'Hermes Trismegiste, I: 1944, II: 1949, III: 1953,
IV: 1954; Corpus Hermeticum, I: 1945,11: 1945; III: 1954,1V: 1954; Antioche
pai'enne et chretienne, 1959; Les moines d'Orient, I: 1961,11: 1961,111/1: 1962,
HI/2: 1962,111/3: 1963, IV/1: 1964,IV/2: 1965; Proclus,Commentairesur le
Timee, I: 1966, 11:1967, III: 1967, IV: 1968, V: 1968; Proclus, Commentaire
sur la Republique, I—III: 1970;Collectionsgrecquesdemiracles, 1971; Erasme,
Enchiridion militis christiani, 1971; Observations stylistiques sur l'Evangile de
S.Jean, 1974; Gregoire le Grand, Dialogues, 1978; Ephese et Chalcedoine.
Actes des conciles, 1982; Sozomene, Histoire ecclesiastique, Livres I—II,
1983.

G. H.

Religionswissenschaft

Wagner, Falk: Was ist Religion? Studien zu ihrem Begriff und Thema
in Geschichte und Gegenwart. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus
Gerd Mohn 1986. 596 S. 8*. Kart. DM 98,-.

Falk Wagners Werk „Was ist Religion?" ist ein herausragendes
Ereignis in der Diskussion und in der Auseinandersetzung um den
Religionsbegriff. Es geht heute selten gewordene Wege in der Erfassung
dessen, was Religion ist, vor allem insofern, als mit aller
Konsequenz nicht nur festgestellt, sondern auch begriffen wird, was es
mit Religion auf sich hat. Falk Wagner hat den Mut zum Begriff und
sieht hierin keineswegs nur Gefahren und Abwege von der Sache der
Religion. Es geht ihm in aller Prägnanz und Konkretheit des
Begriffs um Theo-Logie, um inhaltsbezogene Gründung der Religion
in Gott, im Unbedingten, im Absoluten in seiner bewegt-trinita-
rischen Logizität. Was sonst im Gefolge einer langen Tradition der
Religionstheorie beiseitegeschoben und verdrängt wurde im subjektiven
Ausgang von einer Grundlegung von Religion im „religiösen
Bewußtsein", wird durch diesen wichtigen Neuansatz der Religionstheorie
ins Objektive gewendet und vom objektiv Absoluten her entfaltet
. Voraussetzung eines solchen Konzepts ist dabei die Möglichkeit
, das unbedingt Absolute denkend erfassen zu können, daß dieses
Absolute also logoshaft in sich gründet und sich selbst begründet
und in einem logoshaft-trinitarischen Prozeß erfaßbar wird.

Es sind mit solchem Vertrauen auf die Vernunft des Absoluten die
Grundlagen Hegeischen Systemdenkens aufgenommen und in den
Zusammenhang der gegenwärtigen Religionsdiskussion gestellt worden
. Die Begründungsversuche von Religion vom existentiell-glau-
bensmäßigen Fundament (also vom Subjekt) her, aber auch vom
objektiv-positiv Gegebenen der Offenbarung her werden so fragwürdig
, weil sie moderner Religionskritik nicht standhalten können.
Weder Rückzug ins subjektive „religiöse Bewußtsein", noch die
Umkehrung des Ansatzes in die positiv vorausgesetzte Offenbarung
halten radikaler Religionskritik stand, weil beiden von vornherein
ein Defizit systematisch-begrifflicher Plausibilität eignet.

Letztlich ist es dann doch die Wahrheitsfrage, die die Systemkonzeption
des Vf. leitet, d. h. dann aber folgerichtig, daß weder
Gefühl, noch Leben, noch Lebenswelt, noch Wille, noch andere Sachverhalte
, weder Psychologie noch Anthropologie für sich genommen
fähig sind, dem grundlegenden Wahrheitsanliegen Rechnung zu
tragen. Es reicht nicht zu, sie als Bedingung für den Religionsbegriff
anzusetzen, da stets die Gültigkeit dieser Sachverhalte vorausgesetzt
werden muß, die wiederum nur denkend erfaßt werden kann.

Nun wird bei diesem Insistieren auf die Möglichkeit, das Absolute
vernünftig-begreifend zu erfassen, sofort der Einwand provoziert
werden, daß hierbei dem Begreifen-wollen viel zu viel zugemutet
würde, und auf den sozialen Kontext verwiesen werden, daß damit
den meisten Zeitgenossen zu viel Reflexionsfähigkeit zugemutet