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Ausgabe:

1987

Spalte:

555-557

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Heron, Alasdair I. C.

Titel/Untertitel:

Table and tradition 1987

Rezensent:

Wainwright, Geoffrey

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Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 7

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deglieder sich für solche ökumenischen Texte kaum interessieren"
(I 48). Die Bedeutung der Sechsten VV wird vor allem in dreierlei zu
sehen sein:

1. Allan Boesak forderte: „Diese VV muß Position ergreifen"
(B 238). Sie hat es getan, und zwar durch ihre energische Forderung
nach Gerechtigkeit und Frieden sowie nach deren beider unabdingbarer
Zusammengehörigkeit: „Der Baum des Friedens wurzelt
in Gerechtigkeit" (Botschaft der VV, B 11). Mit Nachdruck wurde
wiederholt (vgl. Index) darauf hingewiesen, daß Gerechtigkeit eine
neue Weltwirtschaftsordnung impliziert.

2. Die ökumenische Bewegung hat auf ihrem Weg zur Überwindung
der Spaltung der Kirche durch die Konvergenz-Erklärung
„Taufe, Eucharistie und Amt" neue Impulse bekommen. Die VV hat
den Rezeptionsprozeß dieser Erklärung durch die Kirchen wesentlich
dadurch gefördert, daß sie diese ins Blickfeld aller Kirchen gerückt
hat und ihr gottesdienstliches Leben von ihr mitbestimmt
wurde (Feier der sogenannten „Lima-Liturgie" vgl. B 20, 26, 38).
Das Konvergenzpapier bot „an vielen Stellen" einen „Grundton der
Diskussion" (B 27). Dies ist zu sehen auf dem Hintergrund der
Feststellung „einer weitverbreiteten Müdigkeit gegenüber dem sonntäglichen
Gottesdienst" (B61) und gilt trotz der auch in Van-
couver gemachten Erfahrung, daß gerade die Eucharistie „auch
heute noch ein sichtbares Zeichen (ist), daß wir keine Einheit, keine
eucharistische Gemeinschaft sind" (I 69).

3. Es war das letzte Mal, daß Philip Potter den Bericht des Generalsekretärs
erstattete. Er ist einer der wenigen, die von 1948 an die
ökumenische Bewegung kontinuierlich mitgeprägt haben, was in
Analyse und Vision der ökumenischen Bewegung in seinen theologisch
stets tief fundierten Berichten prägnanten Ausdruck fand. Für
ihn zeigt denn auch der Bericht über die VV an, „wohin wir auf
unserer Pilgerschaft als Volk Gottes in den zurückliegenden 35 turbulenten
Jahren der Weltgeschichte gelangt sind" (B 7).

Auf drei in den Berichten sich abzeichnende Tendenzen sei abschließend
hingewiesen: [. Die Frauen haben sich mit zunehmender
Bewußtheit artikuliert und „einen deutlichen Einfluß auf diese
VV ausgeübt" (B 14; vgl. Index), vor allem in der Frage der Frauen-
ordination, die in mehreren Berichten angeschnitten wird; sie sei
ein Zeichen der Würde der Frau und es dürfe nicht geschehen, „den
Preis der Einheit von den Frauen bezahlen zu lassen" (B 26). 2. Konrad
Raiser weist darauf hin, daß sich „der Stellenwert literarischer
Theologie gewandelt" habe (I 118), an vielen Stellen sei die „Forderung
nach einer neuen Form theologischer Arbeit (laut geworden),
die helfen könne, die traditionellen Dichotomien im kirchlichen und
theologischen Denken ... zu überwinden" (I 131). 3. Hans-Wolfgang
Heßler stellt in seinem Bericht über die Arbeit der Fachgruppe 8
„Glaubwürdige Kommunikation" fest, Vancouver habe Kommunikation
„zu einem ökumenischen Thema gemacht" (I 117). Sie sei
„ein Schlüsselwort auf dem Wege zu einer humanen Gesellschaft"
(I 108) und „die Voraussetzung für alle anderen Menschenrechte
schlechthin" (II 10). Er befürchtet, die neuen Informations- und
Kommunikationstechniken „werden sich in den Importländern als
ein neuer Stil von Kolonialismus erweisen" - Hintergrund für die
Forderung einer neuen Weltinformations- und Kommunikationsordnung
durch viele Länder der südlichen Hemisphäre (I 115; vgl.
B 1310- Der Fachgruppenbericht schließt mit Worten eines indonesischen
Delegierten: „Das ist wahre Kommunikation: / auf
Menschen hören/ mit Menschen leben/ für Menschenn sterben"
(B 135).

Berlin Heinz Blauen

Heron, Alasdair: Table and Tradition. Towards an Ecumenical Un-
derstanding of the Eucharist. Edinburgh: Handsei Press 1983.
XIV, 192 S. 8". Lw.£7.75.

Dieses Buch erwuchs aus einer Vorlesungsreihe, die vor Pfarrern,
dann auch vor Theologiestudenten in Schottland gehalten wurde.

Der reformierte Autor verzichtet auf wissenschaftliche Originalität
und beabsichtigt eher einen reflektierenden Beitrag in Richtung
„eines ökumenischen Verständnisses der Eucharistie".

Heron widmet reichlich ein Drittel des Werkes den einschlägigen
Texten des Neuen Testaments, was gut reformatorischer und inzwischen
auch ökumenischer Akzentsetzung entspricht. Es fällt auf,
daß intensiv auf einen lutherischen und einen katholischen Exege-
ten zurückgegriffen wird. Aus Joachim Jeremias' Arbeiten wird das
Thema Passamahl entnommen; von Johannes Betz wird die Perspektive
des Bundes entlehnt. Historisch wird das Letzte Mahl Jesu
als die Einsetzung des neuen Bundes betrachtet, welcher Jesus ist.
Das jüdische Passah gibt den Kontext für das Herrenmahl als die
kultische Anamnese einer neuen Erlösung, die jede spätere Zeit
qualifiziert und die Zukunft anbrechen läßt. Der Apostel Paulus
unterstreicht die ekklesiologische Dimension der Eucharistie und
führt eine stärkere Konzentration auf den Tod Jesu ein: "he sees it
(das Abendmahl) as a sacrifice in the sense of sharing in what has
been offered to God rather than as being itself the offering" (S. 42).
Joh 6 wird eucharistisch gedeutet, ohne daß Vers 63 dem „Realismus
" der vorangehenden Brotvermehrung und Rede Jesu widersprechen
darf. Der vierte Evangelist macht im Gegenteil die Teilhabe
an der eucharistischen Communio zum Test - wie später
Ignatius von Antiochien, ad Smyrn. 6,2 - für den Glauben an die
Fleisch werdung Christi; die Eucharistie gibt den Gläubigen an dem
„ganzen Leben" Christi teil. Heron spricht allen eucharistischen
Texten des Neuen Testaments einen eschatologischen Ausblick
zu.

"The question of the precise connexion between Jesus Christ
and the eucharistic bread and wine is not directly posed in the New
Testament" (S. 55). Nur sind nach Heron sowohl eine einfache
"material identification" als auch eine "purely symbolic Interpretation
" gleichermaßen von der neutestamentlichen Gedankenwelt
entfernt. Der Aspekt des Opfers als "an offering to God is not clearly
associated with the eucharist [in the New Testament]. The under-
standing of Jesus' death as a sacrifice to God does, however, raise
the question of whether or how far the eucharist itself also partakes
of that character" (S. 55). Heron warnt gegen die Einreihung verschiedener
Riten in die Kategorie des „Sakraments", aus Furcht,
daß eine solche Zwangsjacke ihre Eigenart beeinträchtigt oder,
schlimmer noch, die Tatsache verbirgt, daß Christus selbst das
"central mystery " ist (S. 56 und weiter 87-92).

In einem Kapitel über die alte Kirche wird auf den „Piatonismus"
hingewiesen, der der Unterscheidung Augustins zwischen „irdischem
Zeichen" und „himmlischer Realität" sowie der von Ambrosius
zwischen irdischem und himmlischem Altar zugrunde liegt. Viele
Konflikte der westlichen Kirchengeschichte basieren darauf, daß
man diese Begriffspaare in unterschiedlichen Richtungen weiterentwickelt
hat. Heron vermutet, daß eine stärker christologische
Begründung beider Begriffspaare helfen würde, diese Konflikte zu
überwinden, und daß Johannes Chrysostomos dabei dem Westen
die Richtung weisen kann: "What John Chrysostom suggests to us
is that the eucharist itself is a form by which Christ makes us partici-
pate in his unique self-offering which centres in the cross" (S. 79).

Die beiden folgenden Kapitel wenden sich je an die mittelalterliche
Theologie der Eucharistie, welche das Tridentinum nur bestätigt
habe, und an jene der Reformation, die - trotz aller Korrektur -
auch „einige der eher fragwürdigen Elemente des mittelalterlichen
Erbes" beibehalten habe. Hinter den wohlbekannten „gegensätzlichen
Gesamtansätzen", die zwischen Protestanten und Katholiken
bis heute existieren, stehe letztendlich die - zu ihrer Zeit nötige aber
immerhin einseitige - anti-arianische Betonung der Gottheit Christi.
Dabei ist es - im schlimmsten Falle - entweder der Kirche selber
überlassen, Gottesdienst darzubringen, was dann durch einen rechtlich
beauftragten Klerus abgesichert wird, oder es kommt - bei
lutherischer Reaktion - zu einem „einbahnigen" Verständnis des
Gottesdienstes als der Selbsthingabe des „allgegenwärtigen" Christus