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Ausgabe:

1987

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 1 12. Jahrgang 1987 Nr. 7

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konnte auf die kongeniale dichterische Übertragung von Friedrich
Spitta 1898 zurückgegriffen werden.

Zwingiis Lieder in ihrem kunstvollen Strophenbau und in ihren
dem Hofweisen-Stil nahen Melodien sind Ausdruck eines hohen
sprachlichen, gedanklichen und musikalischen Niveaus. Abgesehen
von dem Kappeler Lied in seiner beigefügten zweiten schlichteren
Melodie,konnten sich diese anspruchsvollen Gesänge bei den Gemeinden
nicht durchsetzen und verschwinden seit dem 17. Jh. aus den
Schweizer Gesangbüchern wieder, wie J. berichtet. Vf. vertritt die gewagte
These, daß die Melodien dreier weiterer Psalmlieder aus dem
Konstanzer Gesangbuch von 1537 Zwingli zum Autor haben. Zwei
dieser Lieder sind von Zwingiis Freund und Amtsbruder an St. Pctri
in Zürich Leo Jud gedichtet. Der Text des dritten Liedes ist von dem
Spiritualisten Ludwig Hätzer. J. begründet seine These stilanalytisch.
Die vorliegenden Melodien weichen vom Straßburger und Wittenberger
Typus völlig ab, sind aber Zwingiis authentischen Melodien verwandt
(S. 210-214).

Zum dritten Hauptteil:

Vf. verfolgt Calvins Begegnung mit dem Psalmlied zurück bis in die
Zeit, in der er auf der Flucht von Paris 1534 nach Basel kam (S. 2170-
Er zeigt, wie Calvin nach den ersten Genfer Jahren in Straßburg
1538-1541 mit der französischen Psalmendichtung Clement Marots
und mit den Psalmliedmelodien der deutschsprachigen Kantoren
Greiter und Dachstein bekannt wird, wie er zu diesen Melodien
Psalmlieder in französischer Sprache schreibt und 1539 in Straßburg
ein Gesangbuch mit Psalmen von Marot und von sich selber ediert
(S. 21811"). Vf. schildert dann den nach Genf 1541 zurückgekehrten
Reformator, der systematisch an der Ausgabe eines vollständigen
französischen Liedpsalters arbeitet (S. 225ff)- Dabei beauftragt er
zuerst Marot, später Theodor Beza mit der vollständigen Bereimung
der 150 Psalmen, wobei er sukzessive seine eigenen Psalmlieddichtungen
durch Marotsche Psalmen ersetzt. Mit der einstimmigen Vertonung
dieser Psalmlieder werden nacheinander die Kantoren Guil-
laume Franc, Louis Bourgeois und Pierre Dagus betraut, wobei sie
Calvin an den Typus der Straßburger Melodien bindet. Die Genfer
Gesangbücher von 1542, 1543 und 1562 (hier der vollständige Liedpsalter
), die von Calvin herausgegeben und mit einem Vorwort versehen
wurden, lassen deutlich die ordnende und bestimmende Hand
des Genfer Reformators erkennen. J. macht deutlich, wie diesem von
Calvin als gemeindegemäß erkannten Schema von Psalmliedern, die
in gleicher Weise bewegt wie würdevoll sind, ein beispielloser Erfolg
im französischen und deutschen Sprachgebiet (Übertragung durch
Lobwasser 1573 ins Deutsche) beschieden war(S. 230).

Im folgenden sind sechs Psalmlieder Calvins (über Ps25, Ps 36,
Ps46, Ps91, Ps 113, Ps 138), ferner Calvins Liedbearbeitungen über
das Canticum Simeons, über die 10 Gebote und über das apostolische
Glaubensbekenntnis abgedruckt. Der französische Text Calvins ist
maßvoll an das heutige Französisch angenähert. Daneben steht die
deutsche Übersetzung in Prosa. Die Lieder und Gottesdienststücke
sind sämtlich mit Straßburger Weisen versehen. Zwei dieser von
Calvin genutzten Straßburger Melodien sind bis heute in allen
deutschsprachigen Gemeinden lebendig, nämlich die Melodien in
EKG 54 ,,Es sind doch selig alle die", die Calvin zu Ps 36 nutzte und
die Straßburger Weise zu „Aus tiefer Not" (EKG 190,2. Melodie), die
Calvin zu seinem Ps I 13 nutzte.

Das Buch ermöglicht dem Leser, sich das Lied der drei Reformatoren
vollständig singend anzueignen und sich schnell mit der Lage der
Quellen vertraut zu machen. Der Leser vermißt, daß es in diesem
Buch nicht zu einer theologischen Interpretation der Lieder der Reformatoren
kommt. Gerade die unterschiedliche Weise, in der Luther
uhd Calvin alttestamentliche Psalmen zu Gemeindeliedern der christlichen
Gemeinde gestalten, ist für den fachkundigen und für den gemeindeorientierten
Leser aufregend. Doch wie sollte ein Buch mit nur
303 Seiten so viele Erwartungen erfüllen! Es bietet ja eine Fülle von
historischen und gemeindeorientierten Informationen. Gängige Fachbezeichnungen
wichtiger Gesangbücher der Reformationszeit sollten

nicht unbedingt vermieden werden. Sie sind auch für den Laien interessant
. Warum kann nicht vom ..Klugschen Gesangbuch" 1529 und
vom „Bapstschcn Gesangbuch" 1545, an anderer Stelle vom „Geistlichen
Gesangbüchlein" Wittenberg 1524 gesprochen werden? Die
Bezeichnung „Das erste Evangelische Gesangbuch" ist doch mißverständlich
.1'

Bei der Chilfrierung der verschiedenen Melodien, die jeweils mit grölten
Buchstaben ZU einem Lutherlied abgedruckt sind, liegen einige Druckfehler
vor: Bei Nr. 25 „F.s spricht der Unweisen Mund wohl" sind 3 Melodien (A, B,
CJ abgedruckt (S. I06f). In der anschließenden Lrläuterung S. 108, zweiter
Kursiv-Absatz Zeile 3 muß es (Q statt (R) heilten. - Bei Nr. 18 „Nun freut euch,
lieben Christen gmein"' sind 4 Melodien (A, B, C, D) abgedruckt (S XI -83). In
der anschließenden Deutung S. 85, dritter Kursiv-Absatz muß es Zeile 4 (B)
statt (C) und Zeile 10 (C) statt (D) heißen. Auf S. 86 oben ist in Zeile 2 nach
„Dreiertakt" ein (D) zu ergänzen. - Bei Nr. 30 a „Aus tiefer Not" in der
4strophigen Fassung druckt J. 4 Melodien (A. B.C. D)auf S. 119-121 ab. In der
Erläuterung auf S. 124 dritter Kursiv-Absatz Zeile 7 muß das (C)durch ein (D)
ersetz) werden.

Stendal Eberhard Schmidt

' So in Luther deutsch. Die Werke Martin Luthers in neuer Auswahl für die
Gegenwart hg. von K. Aland, Bd. 6. Berlin 1952. Kein Hinweis oder Abdruck
von Liedern Luthers in: Luthers Werke in Auswahl, hg. von O. Clemen 8 Bde.,
Berlin 1912-1933; auch nicht in Martin Luther Taschenausgabe, Ausw. in 5
Bänden. Berlin 1981 II" und in Martin Luther. Studienausgabe. Berlin I979IT,
bisher 4 Bde.

2 Luthers Geistliche Lieder und Kirchengesänge, vollständige Neuedition
in Ergänzung zu Bd. 35 der Weimarer Ausgabe, bearb, von M. Jenny. Archiv
zur WA der Werke Martin Luthers. Bd. 4, Köln-Wien 1985.388.

5 Vgl. das Kapitel „Die Stellung der Reformatoren zur Musik" in
O. Söhngen: „Theologische Grundlagen der Kirchenmusik" in Leilurgia
Bd. IV.Kassel 1961, Abschnitt über Zwingli S. 19-37. überCalvin S. 38-62.

* Als Faksimile hg. und mit einem Geleitwort versehen von K. Ameln.
Kassel 1954. In RISM, Das Deutsche Kirchenlied, DKL Bd. I, Teil I, Verzeichnis
der Drucke. 1975 erscheint dieses Gesangbuch unter dem Siglum 1529"'
WitK l529;dieAufl. 1 533 unter dem Siglum l53.302 WitK 1533.

■ DKL 1524°', ErfL 1524; 1524° ErfM 1524.

6 DKL 1524'", Mi Walt 1524.

7 S. den Beitrag Luthers Gesangbuch von M.Jenny in: Leben und Werk
Martin Luthers von 1526 bis 1546. Festgabe zu seinem 500. Geburtstag. Berlin
1983, 2 Bde. (Bd. 1 S. 303-321). Vgl. auch den Abschnitt „Das zweite Wittenberger
Gemeindegesangbuch" in M. Jenny in Archiv zur WA Bd. 4 S. 36-51.

* Im Gegensatz dazu hat J. in Archiv zur WA Bd. 4 in der Abfolge der Lieder
die-weniger geordnete- Reihenfolge der Erfurter Enchiridicn von 1524 zugrunde
gelegt.

* Dieses Lied erscheint in einem Züricher Gesangbuch des Jahres 1552
(DKL I552"2 Zeh um 1552) zum ersten Mal mil der Autorenangabe von
Zwingli: Aus handschriftlichen Stimmheften des Jahres 1574 übernimmt .1.
zwei Stimmen eines Satzes (Tenor und Kontratenor), den die Ehefrau des
Autors Frau Marguerite Jenny-Loeliger vervollständigt hat (S. 194-197). J.
äußert die Meinung, daß dieser nur rudimentär erhaltene Satz auf Zwingli
zurückgehe (S. 193).

10 Vf. zitiert eine Basler Handschrift um 1530, der er die Melodien des Pestliedes
und des Kappeler Liedes (hier beide Melodien) entnahm.

11 DKL 1534'", 1538"'. I5401*'.

12 Im Archiv zur WA Bd. 4 redet Jenny S. 25fl'vom ersten Wittenberger Gemeindegesangbuch
und meint damit „Enchyridion geistlicher Gesenge und
psalmcn für die leyen" 15262, eine Parallelausgabe zu Walters Geistlichem (ie-
sangbüchlein von 1524. aber einstimmig (In DKL 1526" WitL 1526). Auf
S. 361T führt er dann das verschollene Klugsche Gesangbuch von 1529 (DKL
1529"' WitK 1529) mit seinen Nachauflagen von 1533. 1535, 1543, 1544 als
„das zweite Wittenberger Gemeindegesangbuch" ein.

Brand, Eugene L.: Die Erneuerung des Gottesdienstes. Zur liturgischen
Arbeit in den lutherischen Kirchen (LM 26, 1987, 170-172).

Heinz. Andreas: ..Es ist ein Ros entsprungen". Zur Provenienz und Textgeschichte
eines ökumenischen Weihnachtsliedes (TThZ 95. 1986.
253-281).

Hintzen. Georg: Das reformatorische Abendmahl aus katholischer Sicht.
Überlegungen zur Auslegung von UR22 (Cath. 40. 1986.203-228).