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Ausgabe:

1987

Spalte:

544-548

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Jenny, Markus

Titel/Untertitel:

Luther, Zwingli, Calvin in ihren Liedern 1987

Rezensent:

Schmidt, Eberhard

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Seite 1, Seite 2, Seite 3

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Theologische Literaturzeitung I 12. Jahrgang 1987 Nr. 7

544

Der Auswertung liegen die transskribierten Tonbandnachschriften
zugrunde, der Vf. zitiert daraus wichtige tinzelbeiträge im Wortlaut,
Ciliederungsprinzip der Darstellung ist die Kirchengemeindetypolo-
gie. die auch für die Auswahl bestimmend war.

Stenzel nimmt an, daß neben den Sozialisationserfahrungen der
Kirchenvorsleher das jeweilige kirchengemeindliche Umfeld als Bedingungsfaktor
der christlich-kirchlichen Bindung zu verstehen ist,
darüber berichtet er dann auch in einem ersten Teil der Darbietung
seines Materials. In den weiteren Kapiteln stellt er das erhobene
christliche Bewußtsein der Kirchenvorsteher dar, ihr Selbstverständnis
, ihre Einstellung zur Kirche als Institution und Auswirkungen der
christlich-kirchlichen Bindung im Alltag. Abschließend versucht er
eine Typologie der Kirchenvorsteher. Er unterscheidet Traditionalisten
, Neo-Pietisten, Sozial-Engagierte, Rationalisten, Pragmatiker,
der Typus Lutheraner ist lediglich durch eine Person vertreten.

Die beiden abschließenden Kapitel sind dem Vergleich zwischen
kirchlicher Norm und Realität sowie der Sichtung der Studien von
Winter und Schmied, bzw. einer kleineren Arbeit von Lück gewidmet.

Der Vf. weiß, daß seine Studie dem Anspruch von Repräsentativität
nicht genügt. Auch wenn dies einschränkend gesagt werden muß,
kann man jedoch davon ausgehen, daß 20 Leitfadeninterviews in der
Art, wie sie der Vf. durchgeführt hat, wichtige Hinweise auf verallgemeinerungsfähige
Aspekte der gegenwärtigen Situation erbringen
können. Insgesamt wird man aber doch Stenzeis Material vorsichtig
auswerten müssen, methodisch gesehen ist die Arbeit eben doch nicht
ganz auf der Höhe. Dies gilt für die Auswahl der befragten Personen
ebenso wie für die Durchführung der Interviews und dann auch für die
Auswertung. Aufgrund der kleinen Interviewzahl lassen sich Differenzierungen
nach Gemeindetypen eigentlich nicht mehr vornehmen,
zumal die Art der ausgewählten Typen wiederum nicht einem einheitlichen
Kriterium folgt. Zum Teil werden frömmigkeitsgeschichtliche
Aspekte zugrunde gelegt (pietistische Gemeinde, reformierte Gemeinde
), zum Teil sozialstrukturelle Gegebenheiten wie ländliche
Gemeinde, Großstadt und anderes. Ebenfalls gewagt ist der Typologi-
sierungsversuch im Blick auf die Kirchenvorsteher selbst. In der
Realität mögen tatsächlich derartige Gruppierungen vorkommen,
sozialwissenschaftlich genügend abgesichert ist der Typologisierungs-
versuch jedenfalls nicht.

Noch ein Wort zu den Bedingungsfaktoren nach Stenzel: Daß die
Sozialisationserfahrungen auf Aspekte des christlichen Bewußtseins-
von Einfluß sind, war zu erwarten, inzwischen gibt es genug Untersuchungen
, die das breit belegen. Ob die kirchengemeindliche Situation
mit Fug und Recht einen solchen Bedingungsfaktor darstellt, mag
bezweifelt werden, Stenzeis Ergebnisse weisen ja auch in diese Richtung
. Allenfalls handelt es sich um eine Art höchst komplexer
„intervenierender Variablen". Unter anderem wäre auch zu fragen gewesen
, warum welche Kirchenvorsteher aufgrund welcher Einflüsse
in den jeweiligen Kirchengemeinden gewählt wurden.

Einigermaßen gesicherte Ergebnisse ergeben sich also nicht von
den Differenzierungen Stenzeis her, wohl aber doch vom Gesamtmaterial
der 20 Interviews.

Stenzel kommt zur Auffassung, daß das bei den Kirchenvorstehern
vorgefundene christliche Bewußtsein keineswegs einheitlich geprägt
ist, sondern einmal taditioneller Volksfrömmigkeit entsprechen kann
(Glaube an Gott als „Residualkategorie in der Interpretation lebensgeschichtlicher
Krisenereignisse", 1350, zum anderen aber eine
orthodoxe intolerante Glaubenshaltung biblisch dogmatischer Prägung
, etwa bei den sogenannten „Neo-Pietisten". Im Blick auf die
biblischen Inhalte kommt es einerseits zu einer unkritischen Akzeptanz
, andererseits werden biblisch-dogmatische Aussagen als Problem
empfunden, bzw. von Gesprächspartnern, die Theologie studiert
haben, mittels der historisch-kritischen Forschung relativiert. Für die
alltägliche Lebenswirklichkeit spielen nach der Feststellung von
Stenzel biblisch-dogmatische Inhalte kaum eine Rolle, theologische
Kenntnisse seien bei den meisten der Befragten sowieso nicht vorhanden
(137).

Im Blick auf die Motivation zum Kirchenvorsteheramt geht aus der
Untersuchung hervor, daß sie selten durch eigene Initiative vorbereitet
wird, eine explizite Motivation liegt deshalb im allgemeinen nicht
vor, zumal auch keine klaren Vorstellungen über das Amt des
Kirchenvorstehers bestehen. Besonders wichtig für die befragten
Kirchenvorsteher ist das Verhältnis zum Gemeindepfarrer. Auf seine
Initiative geht besonders häutig die Bereitschaft, für den Kirchenvorstand
zu kandidieren, zurück. Die Kirchenvorsteher fühlen sich als
Mitarbeiter und Partner des Gemeindepfarrers, Differenzen mit dem
Pfarrer führen zu Desinteresse bzw. zur Bereitschaft, aus dem
Kirchenvorstand auszutreten (vgl. hier besonders die Zusammenfassung
2200-

Stenzel geht es in seiner Arbeit um die Verifizierung der folgenden
Hypothese: „Die Vielfalt der Einstellungen, Identifikationen und
Handlungsweisen bei Kirchenvorstehern spiegelt und manifestiert
den Pluralismus in der Volkskirche und der Gesellschaft." (II) Dies
ist in der Tat eine interessante und aufschlußreiche Vermutung. Daß
das Material deutlich die Tendenz zeigt, die Eingangsvermutung zu
bestätigen, belegt, daß die Volkskirche nach wie vor besteht, unter der
Voraussetzung, daß man unter Volkskirche eine Kirchenorganisation
begreift, die unterschiedliche Interpretationen der christlichen Tradition
zuläßt. Möglich wäre ja immerhin auch, daß gerade die Leitungsgremien
der volkskirchlichen Gemeinden inzwischen sehr homogene
Gruppen geworden sind. Dies ist offensichtlich nicht der Fall. Doch
bleibt die Frage natürlich offen, ob sich bei den Kirchenvorstehern
einfach die Volkskirche in ihrer Mehrheit widerspiegelt. Kirchenvorsteher
haben doch wohl ein deutlich höheres kirchliches Engagement
als der Durchschnitt der übrigen Kirchenmitglieder. Man müßte also
gerade noch einmal nach den Unterschieden zur Mehrheit der Mitglieder
fragen, im übrigen dann auch nach den Unterschieden zu den
Pfarrern, ihren Einstellungen und religiösen Orientierungsweisen.
Schade, daß Stenzel nur andeutungsweise die Ergebnisse seiner Studie
in eine umgreifendere Interpretation der volkskirchlichcn Situation
eingebracht hat.

Hannover Karl-Fritz Daibcr

Praktische Theologie:
Liturgiewissenschaft

Jenny, Markus: Luther - Zwingli - Calvin in ihren Liedern. Zürich:
Theologischer Verlag 1983. 303 S. gr. 8°. Lw. sfr 56.-.

Dieses Buch füllt eine Lücke auf dem Markt theologischen und gemeindechristlichen
Schrifttums, indem es erstmals die sämtlichen
Lieder der 3 Reformatoren Luther, Zwingli und Calvin mit ihren
Melodien in heute üblicher Notation, zugleich mit den vollständigen
Texten bei sparsamster Revision in moderner Orthographie anbietet.
Für die Lieder Zwingiis und Calvins existiert bisher überhaupt keine
Ausgabe, in der sowohl Texte wie Noten abgedruckt sind. Luthers
Lieder findet zwar der Leser in ihrer Mehrzahl in den kirchlich approbierten
Gesangbüchern. In den wissenschaftlichen und gemeindeorientierten
Luther-Ausgaben sind sie aber, wenn überhaupt, dann
nur in ihren Texten abgedruckt', abgesehen von der Weimarer
Luther-Ausgabe. Hier ist ein ganzer Band, WA 35, 1923, hg. und eingeleitet
von W. Lücke, H. J. Moser, O. Albrecht den Liedern Luthers
gewidmet. Freilich sind die Mängel dieses Bandes, insbesondere des
von Hans-Joachim Moser bearbeiteten hymnologisch-musikwissen-
schaftlichen Teils seit langem bekannt. Deshalb greift der hymnolo-
gisch interessierte Leser mit Informationsbedürfnis gern nach Jennys
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Archives zur WA erschienen. Dort hat der gleiche Autor eine vollständige
wissenschaftliche Neuedition von Luthers geistlichen Liedern
und Kirchengesängen mit ausführlichen Einleitungen zu allen
Gesangbuchvorreden und allen Luther-Liedern vorgelegt.2 Das hier
zu besprechende Buch bietet alle Forschungsergebnisse J.s in einer