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Ausgabe:

1987

Spalte:

535

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Lust an der Erkenntnis: die Theologie des 20. Jahrhunderts 1987

Rezensent:

M., R.

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535

Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 7

536

theistischer Trennung und monistisch-pantheistischer Identifikation
von Schöpfung und Evolution deren „Kompatibilität" so zu begründen
, daß man sowohl dem Schöpfer als auch der Selbstorganisation
gerecht wird. Das ausgezeichnete Referat der naturphilosophischen
Themen hätte aber fruchtbarere Ansätze zu einer Lösung geboten.

Aachen Sigurd Martin Daecke

Kuschel, Karl-Josef [Hg.]: Lust an der Erkenntnis. Die Theologie des
20. Jahrhunderts. Ein Lesebuch, hg. u. eingel. München-Zürich:
Piper 1986. 506 S. 8' = Serie Piper, 646. Kart. DM 18,80.

Der Hg. dieser Textsammlung ist ausgewiesener Spezialist für
Fragen zwischen Literatur und Theologie. Sein neuestes Buch stellt
nun allerdings eine Kollektion prononciert theologischer bzw. religiöser
Texte dar. Nicht eingehalten scheint mir die selbstgewählte,
aber notwendige Relativierung des Untertitels, wenn unter „christlicher
. . . deutschsprachig-eurozentrischer . .. systematischer . . . und
akademischer" (II) Theologie des 20. Jh. auch Texte von M. Gandhi,
D. T. Suzuki undC. G. Jung subsumiert werden.

Kuschel systematisiert die vorgestellten Auszüge in sechs Bereiche.
Im Unterschied etwa zu dem vergleichbaren Buch von H.Zahrnt'
ist Kuscheis Sammlung nicht geschichtlich aufgebaut, sondern nach
Sachgesichtspunkten geordnet, die nach Kuscheis Meinung in der
theologischen Diskussion des 20. Jh. besonders virulent geworden
sind; die Spannung zwischen Anthropologie und Theologie (I), die
atheistische Herausforderung für die Theologie (II), die pluralistische
„Annäherung an Jesus" (III), der ekklesiologische Themenkreis (IV)
sowie einzelne „große" Themen, wie Gnade, Wahrheit, Tod etc. (V).
Angeschlossen sind vier „Grundentscheidungen".

Vorgestellt werden Texte von M. M. Ayoub, K. Barth, E. Bloch, D. Bon-
hoefter, M. Buber. R. Bultmann, M. Gandhi, R. Guardini, W. Jens, E. Jüngel,
C. G. Jung, E. Käsemann, W.Kasper, H. Küng, J.B.Metz, E. Moltmann-
Wendel, J. Moltmann, W. Pannenberg, K. Rahner, J. Ratzinger, R. R. Rue-
ther, E. Schillebeeckx, D. Solle, D. T. Suzuki, P. Teilhard de Chardin,
P. Tillich, W. A. Visser't Hooft, W. Weischedel, B. Welte und H. Zahrnt. Am
häufigsten kommen Barth, Rahner und Tillich zum Abdruck (je 3mal).

Ein bestechender Vorteil dieses Lesebuches ist, daß fast ausnahmslos
zusammenhängende Passagen aus Publikationen der großen
Köpfe zeitgenössischer Theologie reproduziert werden. So wird dem
Leser ermöglicht, sich ungestört einzulesen, damit auch er finde, was
Kuschel in der Theologie des 20. Jh. unterstreichen möchte: die „Lust
an der Erkenntnis".

R. M.

1 Zahrnt, H.: Gespräch über Gott. Die protestantische Theologie im
20. Jahrhundert. Ein Textbuch. München 1968.

Fischer, Kathleen R., and Thomas N. Hart: Christian Foundations. An Intro-
duction to Faith in Our Time. New York - Mahwah: Paulist Press 1986. V, 222
S. 8-. Kart. $9,95.

Lindemann. Walter: Zugang für alle Kirchenmitglieder. Die Volksausgabe
der lutherischen Bekenntnisschriften (LM 26,1987,151-153).

Marquard Odo: Die Unvermeidlichkeit der Geisteswissenschaften
(Univ. 42,1987, 18-25).

Peter, Martin, and Gabriel Widmer: On the Relation between Protestant
Theologyand Natural Science(CV 29,1986, 185-197).

Scheibe, Erhard: Gibt es eine Annäherung der Naturwissenschaften an die
Geisteswissenschaften?(Univ. 42, 1987,5-18).

Seidel, Walter [Hg.]: Offenbarung durch Bücher? Impulse zu einer „Theologie
des Lesens". Freiburg-Basel-Wien: Herder 1987. 160 S. kl. 8' = Herderbücherei
. DM 9,90.

Strolz, Walter [Hg.]: Vom alten zum neuen Adam. Urzeitmythos und Heilsgeschichte
. Mit Beiträgen von E. Brandenburger, H.-P. Müller, G. Neumann,
H. Riedlinger, P. Schäfer, R. Strubel. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1986. 223
S. 8' = Veröffentlichungen der Stiftung Oratio Dominica, 13. Kart. DM 46,-.

Stuhlmacher, Peter: Schriftauslegung für die Kirche von Morgen (PTh 76.
1987,2-21).

Systematische Theologie: Dogmatik

Joest, Wilfried: Dogmatik. 2: Der Weg Gottes mit dem Menschen.
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1986. XII, S. 343-697
8- = UTB Für Wissenschaft - Uni-Taschenbücher, 1413. Kart.
DM 28,80

Auch beim zweiten, abschließenden Band der Dogmatik von Joest
ist die faßliche, das Wesentliche klar herausstellende Darbietung hervorzuheben
, die das Werk als Lehrbuch hervorragend geeignet erscheinen
läßt. Vielleicht mehr noch als beim ersten Band ist hier auch
die behutsame, aber deutliche Kritik an einigen Stücken der dogmatischen
Tradition zu vermerken. Unzeitgemäß Gewordenes soll die
Verständlichkeit der christlichen Glaubensaussage nicht über Gebühr
belasten. Das gilt beispielsweise für die Vorstellung von Engeln und
Dämonen, oder auch die Fragen nach dem Tod wie nach der menschlichen
Schuld, die eine eher an die rationalistische Denkweise
erinnernde Antwort finden.

Nachdem der erste Band neben den Prolegomena in einem ersten
Teil die Wirklichkeit Gottes behandelt hatte (vgl. die Anzeige in
ThLZ 111, 1986, 221-223), folgt nun zunächst ein zweiter Teil über
„die Wirklichkeit des Menschen im Urteil Gottes", der in zwei Kapiteln
Anthropologie und Soteriologie abhandelt und mit einem Kapitel
zum Thema „Gesetz und Evangelium" abschließt. Zunächst wird in
die Tradition christlicher Anthropologie und ihre moderne Infragestellung
eingeführt. Die Bestimmung der Gottebenbildlichkeit soll
christologisch entfaltet werden. Gegenüber dem traditionellen Leib-
Seele-Dualismus stimmt Joest empirischen Erkenntnissen überevolu-
tive Zusammenhänge und die Bindung des psychischen an physisches
Geschehen zu. Die Unterscheidung einer unsterblichen Seele von
Leib sei eine inadäquate Aussageweise der Wahrheit, daß die Gottesbeziehung
mit dem Tod nicht enden solle. Die Sünde des Menschen
ist Feindschaft im Verhältnis zum Mitmenschen, Verschlossenheit in
der Sorge um sich selbst Gott gegenüber, Sucht nach Haben gegenüber
der nichtmenschlichen Kreatur. Auf die Frage nach dem Woher des
Bösen lasse sich keine Antwort geben, stellt Joest nach Darstellung
und Kritik von evolutionistischen und dualistischen Lösungsversuchen
fest. Der Anthropologie folgt unter dem Thema „der Freigesprochene
Gottes" die Soteriologie. Die traditionelle Rechtfertigungslehre
und moderne Anfragen an diese Lehre werden sorgfältig
dargeboten, dabei insbesondere auch die katholische Frage danach, ob
nicht die reformatorische Rechtfertigungslehre die Aufhebung des
personhaften Gegenüber des Menschen zu Gott bedeute. Diese Anfrage
wird bei den Darlegungen zur Rechtfertigung des Sünders, die
diese als ad hominem verstandene und angewandte Christologie interpretiert
, zurückgewiesen. Ein weiterer Paragraph über „Leben im
Glauben" will innerhalb dieses soteriologischen Zusammenhangs die
Fundamente der Ethik zur Sprache bringen. Die Abhandlung der
Frage nach Unterscheidung und Beziehung von Gesetz und Evangelium
beschließt diesen Teil. Dabei versucht Joest nicht nur die Tradition
verständlich zu machen, sondern geht ausführlich auf die entsprechenden
Diskussionen des 20. Jh. ein. Nicht nur die lutherische
Position, sondern gerade auch Karl Barth wie dann der Kompromißvorschlag
von Althaus werden dabei gewürdigt. In der Frage einer
Verbindung der Unterscheidung von Gesetz und Evangelium und der
sog. Zwei-Reiche-Lehre setzt sich Joest sehr deutlich von neulutherischen
Positionen ab.

Unter dem Thema „Die Verwirklichung der Menschheit Gottes"
behandelt ein dritter Teil Ekklesiologie und Eschatologie. Dabei ist
gerade in der Ekklesiologie die ökumenische Fragestellung ständig mit
präsent. Freilich grenzt sich Joest dabei scharf ab gegen ein Verständnis
der Kirche als Heilsanstalt von einem göttlich gestifteten Amt her.
Das Proprium des Amtes liege nicht in besonderen, dem Amtsträger
vorbehaltenen geistlichen Vollzügen, sondern im Verantwortungsbereich
des Dienstes in und an der Gemeinde. Die Taufe gehöre ganz
und gar in den Zusammenhang des gepredigten Evangeliums. Von da