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Ausgabe:

1987

Spalte:

531-533

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Glaube und Geschichte 1987

Rezensent:

Jacob, Friedrich

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Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 7

532

zeigen die Zunahme und Aktualisierung katholischer Marienverehrung
.

Jena Horst Beintker

Systematische Theologie: Allgemeines

Stadelmann, Helge [Hg.]: Glaube und Geschichte. Heilsgeschichte als
Thema der Theologie. Gießen-Basel: Brunnen Verlag; Wuppertal:
Brockhaus 1986. VIII, 402 S. 8* = Monographien und Studienbücher
. Kart. DM 29,80.

Anzuzeigen ist ein Sammelband, der die auf der 4. Theologischen
Studienkonferenz des Arbeitskreises für Evangelikaie Theologie 1985
in Tübingen gehaltenen Referate enthält. Alle behandeln sie die Thematik
der Heilsgeschichte, z. T. mit mehr systematischem und exegetischem
, z. T. mit theologischem Akzent. Dabei geht es den Veranstaltern
der Tagung und wohl auch den meisten Referenten um ein
großes gemeinsames Anliegen: „die umfassende Erneuerung der
Theologie heute" (VIII). Ziel ist die Überwindung „der in unserem
Lande so tief verwurzelten bibelkritischen Theologie".

Insbesondere soll der Auflösung der biblischen Theologie in
„Gemeindetheologien, Wortgeschehen und geschichtsloses Ke-
rygma" gewehrt werden (VII). Dafür erwartet man von der „Rückgewinnung
eines schriftgemäßen Verständnisses von Heilsgeschichte"
wesentliche Hilfe.

Das erste Hauptreferat wurde von O. Betz (bis 1982 Prof. für NT an
der Universität Tübingen) über das Thema „Die Geschichtsbezogen-
heit des Glaubens im Alten und Neuen Testament" gehalten. B. setzt
sich kritisch mit der Theologie R. Bultmanns auseinander, ein
Thema, das sich verständlicherweise durch die ganze Tagung hindurchzieht
. Der Vorwurf lautet: „Preisgabe der Geschichtsbezogen-
heit" unter dem „Eindruck der Existenzphilosophie M. Heideggers"
(5). Die Folgen sind eine dem Selbstverständnis des NT nicht gerecht
werdende Skepsis gegenüber der Geschichtsbezogenheit der Evangelien
, sowie der Verlust des Glaubenszusammenhangs mit dem AT.
Demgegenüber macht B. vor allem an Gen 15,6 deutlich, daß es
gerade im Verständnis von „Glauben" eine tiefe Übereinstimmung
von AT und NT gibt. Glaube ist immer geschichtsbezogen, nicht etwa
nur im Sinne der „punktuellen Heilstatsache" des Kreuzes (14),
sondern vor allem im Sinne der langen Geschichte Gottes mit seinem
Volk zwischen Abraham und heute. Im Alten wie im Neuen Testament
wächst der Glaube immer auch im Schauen und Bezeugen der
Taten und Wunder Gottes. In interessanten Einzelauslegungen von
Jes 52,7; 53,1; Hebr 1 1 (in Verbindung mit Jes 28,16) werden die
inneren Zusammenhänge von Altem und Neuem Testament aufgezeigt
. Ihre Bedeutung wird gerade auch im Interesse der Gemeinden
herausgestellt.

Autor des zweiten Hauptreferates ist der Hg. H. Sladelmann (Doz.
an der Freien Theologischen Akademie Gießen). Sein Thema lautet:
„Hermeneutische Erwägungen zur Heilsgeschichte". Nach allgemeinen
Erörterungen über Sinn, Berechtigung und Inhalt des „Theolo-
gumenons Heilsgeschichte" wird in Auseinandersetzung mit K. Fror,
F. Hesse und G. v. Rad die in der neueren Theologie übliche
Trennung von wirklicher Geschichte (entsprechend dem von der
Wissenschaft rekonstruierten Bild) und ihrer kerygmatischen Darstellung
im heilsgeschichtlichen Aufriß als „neudoketischer Wirklichkeitsverlust
" kritisiert, dem sich evangelikale heilsgeschichtliche
Theologie zu widersetzen habe (50). S. versteht die Universalgeschichte
als „Ort der Heilsgeschichte" (53), während er die Heilsgeschichte
selbst als „Gottes geschichtliches Offenbarungshandeln,
soweit es uns . .. durch die biblische Offenbarung erschlossen ist",
definiert (54). Dieses Grund verständnis wird dann auf die Auslegung
der Bibel angewendet. S. möchte am Literalprinzip festhalten. Maßgeblich
ist der vorliegende Text, der auch jeweils Hinweise auf seine

aktuelle Verbindlichkeit enthält. Allen biblischen Texten kommt die
„auctoritas historiae" zu, während über die „auctoritas normae"
unter Berücksichtigung des heilsgeschichtlichen Zusammenhangs
entschieden werden muß (74). Evangelikaie sollten in ihren herme-
neutischen Reflexionen „drei Grundaspekte einbeziehen": den historisch
-philologischen, den pneumatologischen und den heilsgeschichtlichen
(77).

K.-H. Michel hat den dritten Hauptvortrag gehalten über das
Thema: „Gottes Wirken in der Geschichte". Er kommt in einem ausführlichen
geistesgeschichtlichen Rückblick zu dem Ergebnis, daß die
Theologie in der Neuzeit Natur und Geschichte einer „atheistischprofanen
Betrachtung und Erklärung" (98) preisgegeben habe und so
einen „verhängnisvollen Bodenverlust" hinnehmen mußte. Auch die
geschichtstheologischen Versuche unserer Tage sind nur ein Beweis
dieses Defizits. Am Ende bleibt nur der Weg in einen „grundlosen
Atheismus oder in eine unkontrollierbare beliebige Religiosität" (98).
Im Gegensatz dazu ist der Gott der Bibel vor allem andern Gott der
Geschichte. Sein Handeln vollzieht sich in „Gnade und Gericht"
(104), in Freiheit, zielgerichtet, verhüllt und doch erkennbar (112).
Schließlich werden „drei dringliche Aufgaben" für die Theologie
formuliert (116): I. Abkehr von einem durch die Säkularisierung
bestimmten Geschichtsverständnis, das das Wirken Gottes in der
Geschichte nicht mehr erkennt und so „dem Glaubenden die Last der
Verifikation Gottes" auferlegt (117); 2. Hinwendung der Gotteslehre
zu den von heilsgeschichtlichem Denken bestimmten Aussagen der
Bibel weg von der Metaphysik (120); 3. „Renovation des Prophetenamts
" (122), das es wagt, historische Zusammenhänge im Namen
Gottes zu deuten; was freilich - so bekennt der Vf. - nicht gefordert,
sondern nur von Gott erbeten werden kann (129).

Die restlichen Referate sind in den Arbeitsgruppen gehalten
worden. G. Maier stellt das Buch Daniel als echte, „von Gott
geschenkte Prophetie des 6. Jahrhunderts v. Chr." dar. W. Bittner
befaßt sich mit dem Joh-Ev und findet in ihm „deutliche Spuren
geschichtlich-eschatologischen Denkens und Argumentierens" (173)
im Gegensatz zu der von Bultmann bestimmten Johannesauslegung.
Die Besonderheiten johanneischen Denkens sieht er im Zusammenhang
mit „priesterlichen Denkformen" und „kultisch-ekstatischen
Erfahrungen" (176). K. Welze! beschäftigt sich mit der Föderaltheologie
(von Bullinger bis J. H. May) und ihren Wirkungen auf den
Pietismus. Es folgt ein Aufsatz von V.Swaral über „Die heilsgeschichtliche
Konzeption J. Chr. K. von Hofmanns". Otto Michel
(Weltgeschichte und Heilsgeschichte bei Martin Kähler und Julius
Schniewind) würdigt das Festhalten der Hallenser Theologen an der
„Treue zur biblischen Berichterstattung", ihr Wertlegen auf die
Fakten der Heilsgeschichte (gegen die Berufung der Bultmannschule
auf M. Kähler). Es folgen R. Hille zum „Geschichtsverständnis von
Karl Heim", F. Flächiger über „Das Verständnis der Geschichte in
der dialektischen Theologie", schließlich H. Bayer und R. Yurbrough
zu „O. Cullmanns progressiv-heilsgeschichtlicher Konzeption" und
Yung-Han Kim über „Die universal-heilsgeschichtliche These der
Rahnerschule und Pannenbergs universalgeschichtliche Konzeption
".

In allen Artikeln kommt immer wieder die Tendenz zum Vorschein
, entgegen der Verbindung von historischer Kritik und existen-
tialer Interpretation die Bedeutung der historischen Fakten für den
Glauben und die Treue ihrer Überlieferung in der Bibel herauszustellen
. Dabei werden oft Denkgewohnheiten, die zum selbstverständlichen
Bestand unserer Schultheologie geworden sind, in
Frage gestellt. Das ist zweifellos nützlich, ob es immer überzeugend
ist, müßte von Fall zu Fall diskutiert werden. Auffällig ist - und wen
sollte das eigentlich wundern - daß es bei den Grundfragen nach dem
Zusammenhang von Heilsgeschichte und Weltgeschichte und dem
Verhältnis von Vernunft und Glauben bei ihrer Interpretation keine
einheitliche Auffassung gibt. An vielen Stellen sind Pannenbergs
Gedanken gegenwärtig, aber durchaus nicht immer unwidersprochen.
Man wird dem Hg. zustimmen, wenn er betont, daß es sich nicht um