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Ausgabe:

1987

Spalte:

525-527

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Hallensleben, Barbara

Titel/Untertitel:

Communicatio 1987

Rezensent:

Rogge, Joachim

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I

525 Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 7 526

Chretien» (1941-1944) bei Betonung der Zusammengehörigkeit von
Judentum und Christentum hervor. Derartige Erkenntnisse sind
geeignet, manchen im deutschen Sprachraum üblichen Engführungen
bei der Beurteilung der Christentumsgeschichte im Blick auf Anti-
judaismus/Antisemitismus zu wehren. Auskünfte über das christliche
Verhalten zur Volksfrontpolitik gibt Konrad Feilchenfeldt. Im Saarland
existierten Gruppen mit volksfrontstrategischen Zielen (Gewerkverein
christlicher Bergarbeiter u. a.), insgesamt aber gilt: „Die Mitwirkung
deutscher Christen als Repräsentanten christlicher Institutionen
oder christlicher Politik blieb auf einzelne Persönlichkeiten ünd
in der Regel Katholiken beschränkt" (58). Einen Beitrag aus protestantischer
Feder hat Ferdinand Schlingensiepen über „Dietrich
Bonhoeffers Entscheidung gegen das Exil" beigesteuert. Ein Diskussionsbericht
markiert zusätzliche Problemfelder in der Auseinandersetzung
mit den Referaten des Symposiums.

Der Band, interdisziplinär konzipiert und interdisziplinär lesenswert
, stellt einen interessanten Beitrag zur Auflösung germano-
zentrischer Perspektiven in der Widerstandsforschung dar und strebt -
ohne bereits zu abgerundeten Interpretationsmodellen vorzustoßen -
bei aller Differenz der Perspektiven den Rückgang auf allgemein
christliche (römisch-katholische) Motive und Verhaltensweisen an,
aus deren Bestand dann die so vielfältige Empirie ihren Rahmen
gewinnen kann. Zu hoffen ist, daß die allgemeine Exilforschung an
Größe und Eigenart christlichen Exils nicht blind vorübergeht.

Leipzig Kurt Nowak

Ahlers, Rolf: TheConfession of Altona(HTR 77.1984,377-394).

Bräumcr. Hansjörg: August von Arnswaldt: der hannoversche Adel und die
lutherische Erweckungsbewegung(JGNKG 84, 1986. 51-61).

Eisenberg, Christian: Die politische Predigt Kaj Münks. Frankfurt/M. -
Bern - Cirencester/U.K.: Lang 1980. 123 S. 8' = Europäische Hochschulschriften
. Reihe XXIII: Theologie, 147. Kart, sfr 29.-.

Greschat, Martin, u. Rainer Lächele: Das Ringen der Bekennenden Kirche
um eine gemeinsame Front I936(ZKG97. 1986.373-390).

Ising. Dieter: Kampf mit den Dämonen. Blumhardt-Forschung heute
(EK 19, 1986,709-712).

Iwand. Hans Joachim: Die I. Barmer These und die Theologie Martin
Luthers(EvTh 46,1986.214-231).

Kyle, Richard: John Knox and the Purification of Religion (ARG 77, 1986,
265-280).

Langer. Jens: Tillichs Theologie im politischen Urteil (Standpunkt 14. 1986,
217-220).

Repgen. Konrad: Was ist ein Religionskricg?(ZKG 97.1986.334-349).

Rößler. Hans: Die „Euthanasie"-Diskussion in Ncuendcttclsau 1937-1939
(ZBKG 55, 1986. 199-208).

Sommer. Wolfgang: Johann Arndt und Joachim Lütkemann: zwei Klassiker
der lutherischen Erbauungsliteratur in Niedersachsen (JGNKG 84. 1986.
123-144).

Weitlauff. Manfred: Liberaler Katholizismus im 19. Jahrhundert: zu einer
Neuedition (ZKG97. 1986,237-253).

Dogmen- und Theologiegeschichte

Mallcnsleben, Barbara: Communicatin. Anthropologie und Gnadcn-
Ichrc bei Thomas de Vio Cajetan. Münster/W.: Aschcndorff 1985.
XI, 640 S. gr. 8" = Reformationsgeschichtlichc Studien und Texte.
123. Kart. DM 48,-.

l'J Ttot

Barbara Hallensieben, eine Schülerin des Herausgebers der über
profilierte katholische Theologen der Reformationszeit hervorragend
informierenden Reihe, hat lange und intensiv über Luthers großen
Gesprächspartner in Augsburg im Jahre 1518 gearbeitet. Sie schrieb
1981. zusammen mit ihrem Lehrer, den Cajctan-Artikel in der Theologischen
Realenzy kl'opädie (7. 538-546) und schon 1980 eine Untersuchung
über die Auserriandcrsetzung des Dominikaner-Generals mit
der lutherischen Büß- und Rcchtfcrtigungslehre (595).

Anthropologie und Gnadenlehre Cajetans sind nicht nebeneinander
oder nacheinander thematisiert, sondern ineinander. Gleich
eingangs erläutert die Vfn.: „Die Anthropologie als Inbegriff aller
möglichen Erkenntnisse über den Menschen bildet in dieser Arbeit
keinen unabhängigen, gleichwertigen Fragenkomplex neben der
Gnadenlehre. Sie soll vielmehr vorwiegend berücksichtigt werden
unter dem Aspekt, welchen spezifischen Beitrag Theologie zur ,Rede
zum Menschen' leisten kann. Gerade Cajetans Theologie führt uns
dabei zu einer Konvergenz von Anthropologie und Gnadenlehre,
insofern sich zeigt, daß eine nicht-theologische Anthropologie aus
sich heraus unvollendet bleibt. Auch hier gilt ,gratia perficit naturam',
die Anthropologie findet erst in der Gnadenlehre ihren Abschluß."
(10.

Das längere Zitat ist typisch für die ganze Arbeit. Die Vfn. macht
imponierende Ausflüge in die Theologie-, Frömmigkeits- und Geistesgeschichte
, die im Rahmen des Gesamtthemas einen sowjetischen
Schriftsteller (a. a. O.) so wenig auslassen wie den „Heiligen der Neuzeit
", Ignatius von Loyola (579), dessen Frömmigkeit und Theologie
gegen Ende der Arbeit mit Cajetans theologischer Leistung zusammengesehen
werden. Es ist ein Satz der „Exerzitien", der für Barbara
Hallensieben die Gnadenlehre Cajetans kurz und prägnant wie kein
anderer zusammenfaßt: „Die Liebe besteht in einer Mitteilung von
beiden Seiten her." (581) „...alle Dimensionen der göttlichen
Liebe ..." führen den Menschen hin „zur Antwort ebenso umfassender
und rückhaltloser Selbstmitteilung, die gar nicht anders denn als
Gebet ausgesprochen und damit zugleich vollzogen werden kann."
(582)

Es ist für die Arbeit der Autorin charakteristisch, daß sie - und das
nicht allein für die Kennzeichnung der Lebensleistung Cajetans -
„Theologie und Spiritualität" nahebeieinander sieht. Bei aller theologiegeschichtlichen
Gelehrsamkeit ist ein kräftiger kritischer Akzent
gegen viele Symptome neuzeitlichen Denkens unverkennbar. Der
Leitbegriff des ganzen Buches „communicatio" ist für die Vfn. bei
aller Anerkenntnis von „Grenzen und Defizite(n) der Gnadenlehre
Cajetans" (575), die auch aufgezählt werden, in der inhaltlichen
Füllung durch den Dominikanerkardinal fortgesetzt vorbildlich: „Ein
am ,Haben' orientiertes tendenziell .materialistisches' Denken begünstigt
ein äußeres Gnadenverständnis, das nach dem Modell verfügbaren
Besitzes gefaßt wird. Cajetans Sicht der Liebe als communicatio
kehrt die Blickrichtung um: Er führt ein in das Geheimnis Gottes, daß
sein Leben nur der gewinnt, der es verschenkt." (582) Das ist zuerst
auf Gott zu beziehen, „der in Jesus Christus sein Leben an die Welt
verschenkt hat".

In den oben wiedergegebenen Sätzen kulminiert der Buchinhalt,
dessen immens ausgedehnte Quellenbezogenheit eine Fundgrube
erster Ordnung ist. Insgesamt 4 Register (Verzeichnis der Bibelstellen,
der Cajetan-Schriften, der Cajetan-Kommenticrungen der Summa
Theologiae des Thomas von Aquin, der Personen, Orte und Hauptbegriffe
) erschließen das Ganze. Die Vfn. arbeitet ausgeprägt begriffsanalytisch
. Dieses Verfahren begegnet in allen 13 noch weiter untergliederten
Kapiteln.

Nach einer Einführung, die eine systematische Anordnung und
Abgrenzung von Anthropologie und Gnadcnlehre vornimmt, schildert
die Vfn. Bezug und Abgrenzung zwischen Theologie und Philosophie
bei Cajetan. Längere Passagen sind dem philosophischen
Zugang zu einer Deutung der Wirklichkeit gewidmet. Ein weiteres
Kapitel evaluiert die anthropologisch-philosophische Fragestellung
im Sinne der Gnadenlehre Cajetans. Es folgt die Darlegung der theologischen
Voraussetzungen Für Cajetan und seine Entfaltung in der Zielsetzung
einer „Theo-Iogie der Gnade". (231) Im Sinne des Themazusammenhangs
stellt Barbara Hallenslcben dann die „Anthropologie
der Gnade" vor und wählt dafür auch Begriffsmuster, die in der
evangelischen Theologie zentrale Bedeutung gewonnen und behalten
haben (der „fröhliche Wechsel" und die „Rechtfertigung des Sünders
", 345).

Was der evangelische Theologe in der Lektüre mit Spannung in