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Ausgabe:

1987

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 7

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Fürsten und Obrigkeiten (1964), Calvinistische Elemente in der kurpfä'lzischen
Kirchenordnung von 1563 (1962), Aspekte der katholischen Frömmigkeit in
Deutschland im 16. Jahrhundert (1965), Literarische* und „unliterarische"
Texte als Quellen zur Geschichte des Zeitalters der Gegenreformation (1979),
Ein landesherrliches Toleranzedikt aus dem 17. Jahrhundert. Der Gnadenbrief
Johann Philipps von Schönborn für die Stadt Kitzingen 1650 (1983).

Ich sehe zwei wichtige Aufgaben, die diese Sammlung von Arbeiten
E. W. Zeedenserfüllen kann:

1. Sie bündelt das Sachproblem der Konfessionsbildung des 16. und
17. Jh., wie es sich dem Vf. in seinen vielen sich verästelnden Aspekten
darstellt. Damit hebt sie es erneut und dringlich auf hohem Niveau
ins Bewußtsein, denn es kann nicht als erledigt gelten. Hat doch der
Vf. selbst an verschiedenen Stellen auf Anschlußprobleme und Forschungslücken
aufmerksam gemacht. Zudem gehört er zu der zahlenmäßig
nicht sehr großen Gruppe von Forschern mit persönlich
römisch-katholischem Hintergrund, die sich intensiv mit dem Calvinismus
beschäftigt haben. Keinesfalls vergessen werden darf sein
wiederholter Hinweis darauf, daß mit dem Sachproblem Konfessionsbildung
nur weiterzukommen ist, wenn in möglichst großer Breite
umfassende territoriale Studien zu den relevanten Vorgängen vorgelegt
werden.

2. Diese Sammlung dokumentiert ein bedeutendes Stück Wissenschaftsgeschichte
, indem sie die Arbeiten, die wohl am schlüssigsten
das Lebenswerk von E. W. Zeeden darstellen, zusammenstellt und
bequem überschaubar macht. Das Verdienst Zeedens ist es, den komplizierten
Vorgang der Konfessionsbildung thematisiert und gleichzeitig
methodische Einstiege aufgezeigt zu haben. Er hat sich als
Historiker vor allem mit den Kirchenordnungen und Kirchengesetzgebungsmaßnahmen
des 16. und 17. Jahrhunderts befaßt, aber auch
auf die Bedeutung der Visitationsakten für die Erfassung der konfessionsbildenden
Vorgänge aufmerksam gemacht. Damit aber hat er
auch die Methodendiskussion stark angeregt und gefördert, die sich
um den Aussagewert dieser amtlichen Dokumentationen erhoben
hat.

Das vorliegende Buch läßt auch etwas von Zeedens eigenem Weg
mit der von ihm so stark vorangetriebenen Thematik erkennen: Der
Aufsatz von 1979 enthält Reflexionen über die Aussagekraft von
Quellen minderer oder auch fehlender literarischer Qualität (S. 337).
Damit ist auch angedeutet, wieviel auf diesem Feld noch zu tun ist -
auch Zeedens hoch wichtige und unentbehrliche Arbeiten enthalten
noch manche so kaum haltbare Pauschalurteile, in denen sich jahrzehntealte
Schemata der Forschung weiterhin zu verfestigen drohen
(vgl. S. 322 die Aussage über die grundsätzliche Geringschätzung der
Meditation im protestantischen Bereich). Sie werden sich nur auflösen
lassen, wenn man Zeedens Ansätze konsequent weiter verfolgt und
verfeinert. Ist er es doch gewesen, der wohl als einer der ersten in der
jüngeren deutschsprachigen Historiographie sozial- und kulturgeschichtliche
Aspekte für die Kirchengeschichtsschreibung fruchtbar
gemacht hat.

Der Band ist in der für die Reihe gewohnten Qualität gestaltet. Zu
bedauern ist vielleicht, daß die originale Seitenzählung der Erstveröffentlichungen
nicht mitgeteilt wird, was im Interesse der Möglichkeit
des Vergleichs von Erstveröffentlichung und Neuabdruck
etwa bei künftiger Zitierung wünschenswert gewesen wäre. Die Zahl
der Druckfehler ist für den Umfang des Bandes vertretbar.

Die Sammlung von Zeedens Arbeiten erscheint in einer Forschungssituation
, die sowohl Anregung wie zusammenfassend-theore-
tische Durchdringung des Problems Konfessionsbildung nötig hat.
Dem Buch ist kritische Aufmerksamkeit zu wünschen.

Leipzig Ernst Koch

Beintker, Horst: Christologische Gedanken Luthers zum Sterben Jesu (ARG
77,1986,5-30).

McGrath, Allster E.: John Calvin and Latc Medieval Thought (ARG 77.
1986,58-78).

Kirchengeschichte: Neuzeit

Hürten, Heinz: Kurze Geschichte des deutschen Katholizismus
1800-1960. Mainz: Grünewald 1986. 280 S. 8-. Lw. DM 48,-.

Katholizismus ist nicht gleich römisch-katholische Kirche. Sogleich
in den ersten Sätzen des hier vorzustellenden Buches wird auf
diese wichtige Differenzierung ausdrücklich aufmerksam gemacht
und sie auch begründet. Es wird an eine Definition Karl Rahners
erinnert, wonach Katholizismus „die Gesamtheit all jener ,Lebensäußerungen
und Auswirkungen' der Kirche in der Gesellschaft" ist,
„die durch wechselnde Umstände bedingt sind und darum .weder zum
bleibenden Wesen der Kirche gerechnet noch als dessen notwendige
geschichtliche Ausprägung angesehen werden können'". (S. 7) Das,
worum es hier geht, ist jedoch mit dieser Definition mitnichten schon
so weit umschrieben, daß der nicht schon vorher genauer Informierte
bereits aus dem Titel schließen könnte, worum es sich handelt. Es geht
in diesem Buche nämlich keineswegs um „die Summe solcher
.Lebensäußerungen und Auswirkungen'" einer römisch-katholischen
Ortskirche in einer bestimmten Epoche ihrer Geschichte, sondern
lediglich um eine einzige ihrer Erscheinungsformen. Es geht um ein
ziemlich isoliertes „historisches Phänomen, das als solches einzigartig
ist" (ebd.), nämlich um die im 19. Jh. entstandene sog. „Katholische
Bewegung" in Deutschland, um das Phänomen der Bildung katholischer
Vereinigungen und Verbände und ihr Wirken für die Belange
der römisch-katholischen Kirche und ihren Einfluß in Gesellschaft
und Staat in den wechselnden Konstellationen deutscher Geschichte
des 19. und 20. Jh.

Zusammenbruch und Reorganisation der kirchlichen Strukturen
nach der Französischen Revolution schufen eine Ausgangslage, aus
der erste Anfänge erwuchsen, die sich schließlich auf dem Boden des
liberalen Vereinsrechtes imponierend zu entwickeln vermochten und
bald in der Zentrumspartei zu einer politischen Kraft führten, die in
der Folgezeit einen nicht zu übergehenden Faktor der deutschen Politik
bildete. Bevor der NS-Staat 1933 einen (vorläufigen) Schlußpunkt
setzte, zählte die Bewegung nicht weniger als 246 überdiözesane
Verbände (S. 250). Der Überblick endet am Vorabend des II. Vatikanischen
Konzils, „weil dessen dauerhafte Wirkung auch heute noch
nicht sicher abzuschätzen ist und der deutsche Katholizismus sich
ungefähr seit der gleichen Zeit in einem Wandlungsprozeß befindet,
der... nach Inhalt und Konsequenz noch nicht begriffen ist"
(S. 10).

Ob damit nun die ja außerordentlich wichtige Geschichte des deutschen
Verbandskatholizismus - wichtig sowohl für das Erfassen der
deutschen Geschichte allgemein wie für die der römisch-katholischen
Kirche in dieser Epoche - vorliegt, bleibe zunächst dahingestellt.
Zumindest vorläufig ist eine spürbare Lücke geschlossen worden.
Dafür gebührt dem Autor Dank und Anerkennung. Er vermittelt
Durchblicke, zeichnet Entwicklungslinien und unterrichtet auch über
wichtige Details. Eine Reihe wertvoller Einzelstudien erfährt hiermit
eine gute Auswertung und Zusammenfassung.

Daneben aber stellt sich doch sofort eine Reihe von Fragen, die sich
vor allem aus der hier verwendeten Begrifflichkeit ergeben. Der hier
stets und ständig gebrauchte Begriff „deutscher Katholizismus" fordert
zu einem kurzen Nachdenken darüber geradezu heraus. Daß die
Katholische Bewegung „von Freund und Feind als .Katholizismus'
bezeichnet wurde" (S. 9), kann doch eigentlich kaum ein hinreichender
Grund dafür sein, den Begriff in dieser überaus verengten Bedeutung
so unbesehen und ungeprüft zu übernehmen und mittels einer
solchen Publikation gleichsam neu festzuschreiben, wie es hier tatsächlich
geschieht, gleichsam als erschöpfte sich der deutsche Katholizismus
in diesem einen Phänomen, wie gewichtig es auch war und
immer noch sein mag. Wohin es führt, sich derart auf eine solche Verengung
einzulassen, zeigen Sätze wie etwa dieser: „Das .Dritte Reich'
bedeutete das Ende des deutschen Katholizismus." (S. 241) - für sich
genommen eine absurde Behauptung!