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Ausgabe:

1987

Spalte:

515-516

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Rudolfus de Biberaco, De septem itineribus aeternitatis 1987

Rezensent:

Junghans, Helmar

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Seite 1

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515

Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 7

516

(15/16). Die Aufwertung Widukinds setzt sich fort in der Sachsengeschichte
Widukinds von Corvey und in der Chronik Thietmars von
Merseburg (18). Danach geht Freise zum Jahr 785 zurück und meint,
daß die Aussöhnung mit Widukind durchaus in das „grundlegende -
und letztlich einzig erfolgreiche - Herrschaftskonzept" der Franken
paßte. 785 sprachen „gleichberechtigte Verhandlungspartner miteinander
. . . nicht der siegreiche Herrscher mit unterworfenen Hochverrätern
" (26). Karl übernahm die Patenschart für Widukind mit
ihren Konsequenzen: „Die unter Eid gelobte Treue schützte ihrerseits
auch den Vasallen" (32). Überzeugend wird die Behauptung zurückgewiesen
, Widukind sei später zwangsweise in Klosterhaft gekommen
(35-42). Günther Körtner formuliert als Thema die Frage „Widukinds
Taufe - Ende oder Anfang?" (46-78). Daran schließt er ein
Gedicht „An Widukinds Grabe" (81) an. Körtner bringt interessante
Einzelheiten bis ins 16. Jh. Obwohl der Beitrag offenbar nicht nach
Quellen gearbeitet ist, sondern auf karger Sekundärliteratur aufbaut
(70), bringt er doch eine anregende These: Widukinds Aufwertung
steht in Parallele zu Stephan I. von Ungarn. „Wie für die Ungarn
Stephan der Heilige, der ehemalige Heide, dann aber der christliche
König voller Glanz und Ehre, diesem Bedürfnis entsprach, so geschah
es - wenn auch ein wenig unhistorisch - mit Widukind. Aus grauer
heidnischer Vorzeit kommend, hinter die nicht zurückgefragt werden
kann, führt der edle, mächtige und redliche Held, von Gott geleitet,
sein Volk in die neue Identität" (76).

Unter der Überschrift „. . . mit würcksamer Kraft ins Herz der
Nation . . ." berichtet Gerhard Kaldewei über die Restaurierung des
Aachener Festsaales im 19. Jh., den Monumentalgemälde über das
Leben Karls d. Gr. schmückten, darunter auch die Taufe Widukinds.
Alfred Rethel hatte 1852 einen Entwurf für dieses Gemälde geliefert,
das dann von einem Schüler ausgeführt wurde (82-95). Die Überschrift
ist einem Brief entnommen, den der Maler Peter Cornelius
1814 an Josef Görres geschrieben hatte, um Monumentalgemälde zu
fordern (92). Beatrix Rohkämper wendet sich Alfred Rethels Gemälde
im Detail zu (96-123). Jene Fresken wurden 1943/44 zerstört, „so
daß heute nur einige ältere Fotografien einen Eindruck des ausgeführten
Werkes vermitteln können" (110). Beide Beiträge sind anregend
für die Kunstgeschichte des 19. Jh. Leider werden zahlreiche Bilder
von Rethel durch das ganze Buch verteilt gebracht, so daß die Untersuchungen
über den historischen Vorgang um Widukind mit Bildern
aus dem 19. Jh. illustriert werden. Bei Rethel vollzieht die Taufe ein
Bischof Turpin, den die zeitgenössischen Quellen nie erwähnen.
Nützlich sind viele Hinweise auch auf lokalgeschichtliche Untersuchungen
einschließlich der Ausgrabungen in der Stiftskirche von
Enger, wo Widukinds Grab liegen könnte (Denkmalspflege und
Forschung in Westfalen I, 1979).

Rostock Gert Haendler

Biberach, Rudolf von: De Septem itineribus aeternitatis. Nachdruck
der Ausgabe von Peltier 1866 mit einer Einleitung in die lateinische
Überlieferung u. Corrigenda zum Text von M. Schmidt. Stuttgart-
Bad Cannstatt: frommann-holzboog 1985. XLVI, (93) S. gr. 8" =
Mystik in Geschichte und Gegenwart, Abt. I: Christliche Mystik, 1.

-: Die siben Strassen zu got. Revidierte hochalemannische Übertragung
nach der Handschrift Einsiedeln 278 mit hochdeutscher
Übersetzung. Synoptische Ausgabe hg. u eingel. von M. Schmidt.
Stuttgart-Bad Cannstatt: frommann-holzboog 1985. XXIX, 367 S.
gr. 8' = Mystik in Geschichte und Gegenwart. Abt. I: Christliche
Mystik, 2.

Die Reihe „Mystik in Geschichte und Gegenwart" trägt der Tatsache
Rechnung, daß in einer Zeit, in der die rationalistische Weltbetrachtung
hinterfragt wird, ein neues Interesse für Mystik erwacht,
und versucht, alle Erscheinungsformen der Mystik sowohl durch
Quellen als auch durch Darstellungen darzubieten. Eine Abteilung ist
der „Christlichen Mystik" gewidmet. Sie wird durch die vorliegenden
beiden Bände eröffnet, die sich dafür hervorragend eignen. Denn der

aus mehr als 40 Autoren der Alten Kirche und des Mittelalters systematisch
kompilierte Text stellt gewissermaßen das „erste Handbuch
der christlichen Mystik" dar (1, X). Von der großen Verbreitung
dieses Werkes zeugen 91 sorgfältig beschriebene und 18 weitere, meist
in alten Katalogen nachgewiesene Handschriften. Seine Nachwirkung
ist an Autoren von Johannes von Kastl (t nach 1426) bis zu Maximiiianus
Sandäus (1578-1658) punktuell aufgezeigt (I, XXIV-XL).
Die Hochschätzung dieser Schrift drückt sich auch darin aus, daß sie
noch bis 1866 in die Pariser Bonaventuraausgabe dem berühmten
Franziskaner Bonaventura (1221 -1274) zugerechnet wurde.

Über den Vf. Rudolf von Biberach ist nicht allzuviel bekannt. Er
lebte von etwa 1270 an, nach 1326 hören die Nachrichten über sein
Leben auf. Er war ein Zeitgenosse von Meister Eckhart (um
1260-1328) und lebte wie dieser in Straßburg (2, XI0-

Bd. 1 bietet den photomechanischen Nachdruck der Textausgabe
von 1866, dem aufgrund der hochalemannischen Übertragung des
14. Jh. zwei Seiten Corrigenda hinzugefügt sind. Auf eine Neubearbeitung
des lateinischen Textes, derauf vier Handschriften beruht, wurde
verzichtet, obgleich nun 91 Handschriften greifbar sind. Bd. 2 enthält
eine revidierte Ausgabe der von den Hgn. 1969 erstmals edierten
hochalemannischen Übersetzung - allerdings ohne den textkritischen
Apparat - mit einer hochdeutschen Übersetzung im Paralleldruck.
Die Übersetzung ist als Verstehenshilfe für die in dem mittelalterlichen
Text verhandelten Sachen ausgeführt. Grundsätzlich wird die
hochalemannische Übertragung übersetzt, aber es werden auch weitgehend
die von ihr ausgelassenen Stücke aus der lateinischen Vorlage
mit übersetzt, wenn sie nicht aus Raumgründen - allerdings gekennzeichnet
- weggelassen sind. Wenn die hochalemannische Übertragung
schwer verständlich ist, greift die Übers, auf den lateinischen
Text zurück. Einmal läßt sie eine Quellenangabe weg (2, 67, 25: libro
primo de arca Neo), wahrscheinlich weil sie nicht verifiziert werden
konnte. Aus „Domini Christi" wird „Gottes" (2, 67, 10), „intreseca"
wird einfach weggelassen (2, 67,9). Wo dagegen der sachliche Gegensatz
dem Uneingeweihten nicht gleich ins Auge fällt, hebt sie diesen
durch Worteinfügungen hervor.

Die Beispiele zeigen, daß es dieser Ausgabe nicht vorrangig darauf
ankommt, die Unterschiede zwischen der lateinischen Vorlage und
der hochalemannischen Übertragung historisch-kritisch herauszuarbeiten
, sondern den Inhalt des Werkes dem an der Mystik Interessierten
zu erschließen. Diesem Ziel dient auch die Einleitung, die
den Aufbau des Werkes mit seinen sieben Wegen (richtige Absicht,
eifriges Betrachten, Beschauen, Vollendung der Schau, Offenbarung,
innere Erfahrung Gottes und „Mitwirker Gottes") so skizziert, daß
sich der heutige Leser leichter orientieren kann (2. XV-XXVI1).
Bemerkenswert ist die letzte distinctio, weil sie verdeutlicht, daß es in
der mittelalterlichen Mystik nicht nur darum ^ing, Gott ähnlich zu
werden, sondern auch darum, am Nächsten gottähnlich zu
handeln.

Ein Verzeichnis der Bibelstellen und Quellen (zu den bevorzugten
gehören Augustinus, Bernhard von Clairvaux. Dionysius Areopagita.
Gregor der Große, Hugo und Richard von St. Victor sowie Thomas
Gallus) rundet diese Edition ab, die für eine theologiegeschichtliche
Beschäftigung das Material erschließt und heutigen Lesern den
Zugang erleichtert. Auf die angekündigte Studie über Rudolf von
Biberachs Schrift darf man gespannt sein.

Leipzig Helmar Junghans

Mitteilungen und Forschungsbeiträge der Cusanus-Gesellschaft, 17.

Mainz: Grünewald 1986. 304 S.. 6 Taf. gr. 8".

Im Unterschied zu Band 16, der über das Symposion „Der Friede
unter den Religionen nach Nikolaus von Kues" berichtet und dessen
Akten vorgelegt hat, gibt dieser Band Einblick in die Arbeit des
Trierer Cusanus-Forschungsinstituts und läßt damit deutlich werden,
wie intensiv die Handschriften-Forschung weitergetrieben wird, in