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Ausgabe:

1987

Spalte:

30-31

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Dauer, Anton

Titel/Untertitel:

Johannes und Lukas 1987

Rezensent:

Sellin, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 1

30

Form die heutigen Problemfelder (Bevölkerungs-, Ressourcen-,
Heterologie-, Humangenetik-, Gentechnologie- und Verantwortlichkeitsfragen
) anreißen. Der Alttestamentier E. Zenger befaßt sich
in Abschnitt II anhand der Priesterschrift mit dem „Geheimnis der
Schöpfung als ethischer Vor-Gabe an Juden und Christen" (36-60)
und zieht daraus Folgerungen für eine biblisch inspirierte Ethik („Um
den Schöpfergott als .Liebhaber des Lebens' zu bezeugen, müssen
Juden und Christen den ihnen . .. überkommenen besonderen Schöpfungsauftrag
des siebten Tages begreifen und leben"; denn „der
am siebten Tag . .. gefeierte Kult ist die Zusammenfassung und Heilung
des Ethischen", 57). Abschnitt III beginnt mit einem Aufsatz von
E. Levinas, jüd. Prof. für Philosophie: „Vom Beten ohne zu bitten.
Anmerkung zu einer Modalität des Jüdischen" (62-70), an den sich
zwei sehr instruktive Beiträge von M. Wyschogrod („Zugang zu einer
biblischen Ethik im gegenwärtigen Judentum". 71-85) und E. Fak-
kenheim („Die menschheitliche Verantwortung für die Schöpfung.
Zur Aktualität der Thora nach Auschwitz", 86-1 12) anschließen.
Wyschogrod stellt sich im Blick auf die heutige Situation Israels die
Frage, „wie Macht innerhalb moralischer Grenzen ausgeübt werden
kann" (81), und fordert, „die ganze jüdische Ethik", deren Macht „in
der Treue zur Bibel gründet", ins Spiel zu bringen und „die Erinnerung
an die Machtlosigkeit und an das Leiden der Machtlosen" nicht
aus dem jüdischen Bewußtsein zu verdrängen (85). Nach Fackenheim
verbindet das Zeugesein für den Universalismus der Gottebenbildlichkeit
Juden und Christen.

Höchste Pflicht nach Auschwitz ist darum „das Zeugen für das
Leben" (1 12).

Im Abschnitt IV schreibt J. Tischner, kath. Prof. für Philosophie in
Krakau, über „Ethik der Solidarität" (114-127) und R. Schaeffler
(Bochum) über „Wege zum Heil für eine schuldverstrickte Welt"
(128-150), wobei die christliche Botschaft von der Rechtfertigung des
Sünders als „ein biblischer Beitrag zu einer Ethik der Menschheit"
gewertet und die protestantische Lehre vom dreifachen Gebrauch des
Gesetzes positiv ins Spiel gebracht wird. Im Abschnitt V wird aus den
gebotenen Situationsanalysen und ethischen Erwägungen folgendes
Fazit für Christen und Juden gezogen: „Nicht neuzeitliche Toleranz,
nicht strategische Erwägungen, sondern das gemeinsame Ja zum Willen
(iottes verbindet uns miteinander UND trennt uns voneinander
wegen der grundverschiedenen Auslegung des göttlichen Willens"
(160). Die Würde der Gottebenbild lieh keil, die „radikale Bindung der
Existenz an Gott" und „sich selbst verleugnende Verantwortung für
die Welt" (166) bedeutet, konstituiert nach jüdischem und nach
christlichem Verständnis das Menschsein und verlangt den Einsat/
des Lebens, damit der andere nicht leiden muß, ist also Berufung zu
Zeugnis und Dienst. Als „konsenslähig unter Juden und Christen"
wird die „fällige Entscheidung für den .dritten Weg' der Hoffnung als
Alternative zu der doppelten Aporie von Resignation und Utopie""
proklamiert, der die ..Grundlage der Ethik für eine Menschheit" angesichts
unserer prekären Lage sein könnte (180). Zur „Konkretion der
ethischen Aufgaben" werden 5 „entwicklungsfähige Modelle" angeboten
: „für den Weltwiderspruch das Modell .Märtyrertum'. zur
Weltgestaltung das dreifache Modell .Kunst-Sakramcnt-Naturrccht'
und zur Weltübergabe das Modell .Sabbat'" (I 85).

Den beiden Herausgebern ist dafür zu danken, daß sie durch Einführung
. Abdruck und Auswertung der Einzclbciträge die in Simpel-
veld und Aachen von Juden und Christen geäußerten Gedanken über
die gemeinsame Verantwortung für die Schöpfung und das Überleben
der Menschheit einem weiten Leserkreis zugänglich gemacht haben.
Vieles, was in den Beiträgen zur Sprache kommt, verdient Beachtung
und Nachdenken, ganz besonders das, was E. Fackenheim ausgeführt
hat. Daß für Christen und Juden heute das Hauptproblem in der „Not
um die Konkretion" (181) besteht, wird niemand bestreiten. Die angebotenen
..Modelle" können darum auch nur als gut gemeinte Not-
Lösungen angesehen werden, die im Blick auf Tradition und Situation
kritisch zu hinterfragen sind.

Berlin Günther Baunibach

Beentjes, Pancratius C: Some Misplaeed Words in the Hebrew Manuscript
C. of the Book of Ben Sira (Bibl 67,1986,397-401)

Van der Horst. Pieter W.: The Role of Women in the Testament of Job
(NedThT40,1986,273-289)

Neues Testament

Dauer, Anton: Johannes und Lukas. Untersuchungen zu den johan-
neisch-lukanischen Parallelperikopen Joh 4,46-54/Lk 7,1-10 -
Joh 12,1-8/Lk 7,36-50; 10,38-42 - Joh 20,19-29/Lk 24,36-49.
Würzburg: Echter 1984. 505 S. gr. 8' = Forschungen zur Bibel,
50. Kart. DM 56,-.

D.. Verfasser des Buches „Die Passionsgeschichte im Johannesevangelium
" (1972) hat hier seine damals an Joh 18 u. 19 gewonnene
These über das Verhältnis von Joh zu den Synoptikern durch eine
minutiöse Untersuchung dreier joh.-luk. Parallelperikopen auf eine
breitere Basis gestellt.

In den je einer Parallelperikope gewidmeten drei Kapiteln wird jeweils
(I) der sprachlich-inhaltliche Befund vorgestellt, (2) ein Literaturüberblick
geboten (außer im 3. Kapitel; diese aulblähenden Meinungsaufzählungen
sind allerdings bei der ohnehin extensiven Lit.-
Verarbeitung in den Anm. überflüssig und wenig hilfreich), (3) die joh.
Fassung, (4) die luk. Fassung traditions-redaktionskritisch analysiert
und (5) eine literarkritisch-traditionsgeschichtliche Folgerung gezogen
. Das alles wird sehr genau, übersichtlich und methodisch einleuchtend
durchgeführt.

In allen drei Fällen kommt D. zu dem Ergebnis: Die Verwandtschaft
lasse sich am besten so erklären, daß die jeweils vorjohan-
neischen Fassungen (die möglicherweise einer durchgehenden erzählenden
Quelle angehörten) mündliche Weiterbildungen der in den
Synoptikern bereits fixierten Traditionen darstellten, wobei aber
zugleich die inzwischen fixierten Synoptiker-Fassungen einen Einfluß
auf die Gestaltung in der vorjohanneischen Quelle gehabt hätten.
Nicht der Evangelist Joh, sondern die vorjohanneische Quelle habe
also das kanonische Lk-Ev. gekannt und setze auch das Mt-Ev.
voraus. In allen drei Fällen wird das durch den versuchten Nachweis
begründet, daß die vorjohanneische Fassung bereits redaktionelle
Elemente der Lk- bzw. der Mt-Fassung enthalte. - Während die
Nachweise für vorjohanneischen Ursprung der Verwandtschaft mit
den Lk-Pcrikopen überzeugen (im Fall von Joh 20,19-29 könnte man
allerdings auch an die kirchliche Redaktion einer Grundschrift
denken), halte ich die These von der Benutzung des fertigen Lk-Ev.
bzw. Mt-Ev. durch die Joh-Quelle für unwahrscheinlich (diese kann
nur älter als Lk und Mt sein) und ihre Begründung im einzelnen für
nicht überzeugend.

a) Die Q-Fassung der Perikope vom ..Hauptmann zu Kafarnaum"
rekonstruiert D.. was den Erzählrahmen betrifft, nach Lk 7.1-10
anstatt nach Mt 8.5-13. Da die vorjohanneische Fassung aber in der
Struktur Mt 8,5-13 entspricht, sei sie von der redaktionell gestrafften
Mt-Form abhängig. Zu Unrecht bestreitet D. (gegen Busse), daß die
doppelte Gesandtschaft in Lk 7.3 ff auf Lukas zurückgeht. Zumindest
die erste in V. 3-6a ist ganz lukanisch motiviert: Die Beziehung eines
Heiden zu Jesus wird durch Anhänger des Heilsvolkcs vermittelt und
durch eine soziale Tat gerechtfertigt (vgl. Apg 10.2). Auch hat D.
Mühe, vorlukanische Stilelemente in V. 3-6a zu finden:

In V. 3a sei lediglich der Zusatz ..(Älteste) der Juden" lukanisch,
..der Rest des Halbvcrscs wird aus Q stammen" (113 - ohne Begründung
). Die Konstruktion mit axios sei für Lk ungewöhnlich. In
der Tat - nur ist sie für das gesamte NT ungewöhnlich (Latinismen
begegnen aber auch sonst in Lk/Apg - vgl. Bl.-D.-Rehkopf, §5).
agapao hielt selbst Jeremias für lukanisch. Den Singular to ethnos (auf
das Heilsvolk bezogen) kennt nur Lukas (Lk 23,2; Apg 10,22:
24,2.10). porcuesthai (luk. Vorzugswort) begegnet zweimal in Apg