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Ausgabe:

1987

Spalte:

502

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Herrmann, Siegfried

Titel/Untertitel:

Gesammelte Studien zur Geschichte und Theologie des Alten Testaments 1987

Rezensent:

Bernhardt, Karl-Heinz

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 7

502

reiche Sachfragen, die Vf. mit gutem Recht aus seiner Sicht darstellt,
gleichwohl umstrittener sind, als seine Formulierungen es wegen der
weggelassenen Detaildiskussion und der Anmerkungen erkennen lassen
. Während der Mitforscher das in der Regel jeweils schnell erkennt,
muß der Student oder Leser aus benachbartem/fremdem Fachgebiet
dessen stets eingedenk sein. Die Bibliographie bietet immerhin den
Übergang zu detaillierterer Information.

Angesichts des umfassenden Gegenstands sowie der Knappheit der
Darstellung ist es ganz natürlich und auch unvermeidlich, daß Vf. in
Einzelfragen Anlaß zum Widerspruch bietet. Wenn hier auswahlweise
auf einzelne Punkte hingewiesen wird, so spricht das selbstverständlich
nicht gegen die Qualität seiner Arbeit.

Wenn Vf. schreibt, Midian sei „im ausgehenden 2. Jahrtausend eine
bedeutende Stadt" gewesen (40), bezieht er sich vermutlich auf
Ptol., geog. VI,7,2 und arabische Geographen; im AT spielen die
Midianiter aber ausschließlich als Stämme bzw. Sippen besonders
anläßlich periodischer Einbrüche (gazawat) in Palästina eine Rolle;
zu allen „Midian"-Problemen vgl. demnächst die ausgezeichnete
Arbeit von E. A. Knauf: Midian. Untersuchungen zur Geschichte
Palästinas und Nordarabiens am Ende des 2. Jahrtausends v. Chr. (erscheint
in „Abhandl.d. Deutschen Palästina-Vereins").

Verfasser datiert die Deboraschlacht ans Ende des 11. Jh. v. Chr.
(43-45), eine Datierung, die vermutlich entsprechende Vorschläge
von A. D. H. Mayes übernimmt. Jedoch hat auch eine frühere Datierung
(letztes Drittel des 12. Jh., allenfalls Anfang 1 I, Jh. v. Chr.) nach
wie vor gute Gründe für sich.

Die vom Verfasser wieder aufgenommene Annahme, Saul habe nur
zwei Jahre regiert (47), hat m. E. schon K.-D. Schunck: Benjamin
(BZAW 86; Berlin 1963), 108-124 mit aller wünschenswerten
Gründlichkeit widerlegt.

Daß jeder der zwölf Gaue Israels die Jerusalemer Hofhaltung (Salo-
mos) reihum in einem der zwölf Monate mit Lebensmitteln usw. zu
versorgen hatte (86. 154), ist zu mechanisch gedacht und auch ganz
unrealistisch (auch gegen M. Noth: BK/AT IX/1,66). Vielmehr hatte
sicherlich jeder Bezirk pro Monat einen seinen jeweiligen ökonomischen
Gegebenheiten entsprechenden Beitrag zu leisten (vgl.
richtig D. C. Hopkins, SBL Sem. Papers, 1983, 197). Dem Feldzug
Schoschenks ging es wohl nicht nur „lediglich um Beute" (94); er
stand sehr wahrscheinlich auch in der Tradition, nach der der jeweilige
Pharao versuchte, ägyptische Hegemonie über Palästina zu
demonstrieren.

Daß „einige israelitische Gruppen . . . schon in der Richterzeit
Dienste auf phönikischen Schiffen getan haben" (165), ist angesichts
des vermutlichen sozioökonomischen Charakters dieser Gruppen
weder wahrscheinlich noch konkret für die den Phönikern benachbarten
Stämme Asser, Naphtali und Dan zu beweisen.

Sehr zu Recht setzt Vf. für die („Einwanderung" und) Landnahme
der nachmaligen Israeliten einen langen Zeitraum an (1300-1 100 v.
Chr.); vielleicht muß dieser Zeitraum sogar noch weiter gezogen
werden. Wenn aber für diese Epoche in seiner Darstellung von ganzen
„Wanderungswellen" u. a. der „aus der Wüste kommenden Hebräer"
gesprochen wird, die (auch) Syrien-Palästina „überschwemmten"
(I6ff. 31-39), ist Vorsicht geboten. Hier muß differenziert und nicht
nur jeder Stamm bzw. jede Sippe separat untersucht werden. Auch ist
mehr als früher angenommen m. E. mit Umschichtungen und Wanderbewegungen
selbst kleiner und kleinster Gruppen späterer Israeliten
auch innerhalb Palästinas zu rechnen. In diesem Zusammenhang
ist wiederum als eines der bemerkenswerten Positiva des Buches zu
vermerken, daß Vf. mehrfach auf den auch durch die monarchische
Epoche Israels hindurch wirksamen und bleibenden Partikularismus
der Stämme und Sippen hinweist (32.47.49.59.89.92f.97.115.
121.128 u. ö.). Auch seine häufige Offenlegung ökonomischer und
soziologischer Hintergründe bei politischen, religionspolitischen und
religiösen Phänomenen der Geschichte Alt-Israels verdient nochmals
ausdrücklich erwähnt zu werden.

So begrüßenswert Rez. präzise Begriffsabgrenzungen findet, bleibt
aber doch abzuwarten, ob sich die durchgängige Verwendung von
„Hebräer" für die Gesamtheit der Israeliten im (Süd-)Reich Juda und
im (Nord-)Reich Israel sowie für die Israeliten vor der Entstehung der
Monarchie in Abgrenzung zu den „israelitischen" Bewohnern des
Nordreiches „Israel" durchsetzt.

In einem Satz: Der Vf. hat einen lesenswerten, nützlichen Abriß der
Geschichte Alt-Israels vorgelegt, der den angesprochenen Leserkreis
Tür die nächste Zeit über den aktuellen Stand der Forschung zuverlässig
und ansprechend informiert.

Rostock Hermann Michael Niemann

1 ISOT35,1986,45.

2 A History of Israel. From the Beginnings to the Bar Kochba Revolt, AD
135. London 1984.

5 Geschichte des Volkes Israel und seiner Nachbarn in Grundzügen (Grundrisse
zum AT; ATD Erg. 4/1 -2). Göttingen 1984/86.

4 Bei einer Auswahlbibliographie werden die Meinungen immer auseinandergehen
. Auf jeden Fall hätte hier aber m. E. die für die vormonarchische
Zeit nach wie vor wichtige, ausgewogene Gesamtdarstellung von R. de Vaux:
Histoireancienned' Israel. Paris 1971 Erwähnung verdient. Dasselbe gilt für die
Encyclopedia of Archaeological Excavations in the Holy Land, ed. M. Avi-
Yonah und E. Stern, Vol. I-IV, London 1975-1978.

5 Die Darstellung enthält durchaus noch mehr als das, was dem an sich
schon ausführlichen Registerauf den ersten Blick zu entnehmen ist, z. B. zu den
(fehlenden) Stichworten „Arbeitsteilung", „Auferstehung", Bauopfer", „Monokultur
", „Markt" und manchem anderen.

Thiel, Winfried: Die soziale Entwicklung Israels in vorstaatlicher
Zeit. 2„ durchges. u. ergänzte Aufl. Neukirchen-Vluyn: Neu-
kirchener Verlag 1985. 192 S. 8*. Kart. DM 32,-.

Die Neuauflage ist ein fotomechanischer Nachdruck der ersten
Auflage (1980); zur ersten Auflage s. ThLZ 107,1982,498-501.

Am Schluß des Buches findet sich eine Liste der Corrigenda.
Neuaufgenommen wurde in die Neuauflage ein umfangreicher bibliographischer
Anhang (S. 165-173), in dem Titel, die für die Thematik
relevant sind, insbesondere Werke neueren Datums, nachgetragen
wurden.

Kiel Martin Metzger

Hermann, Siegfried: Gesammelte Studien zur Geschichte und Theologie
des Alten Testaments. München: Kaiser 1986. 236 S. 8° = Theo-
logischc Bücherei, 75. Altes Testament, geb. DM 48,-.

Der jüngste Band der „Theologischen Bücherei" bietet Nachdrucke
einiger Abhandlungen und Aufsätze des Bochumer Alttestamentlers,
die in der Zusammenstellung sehr geeignet sind, die Lektüre seiner
„Geschichte Israels in alttestamentlicher Zeit" vom Jahre 1973 zu
ergänzen. Erfreulicherweise ist auch die bislang schwer zugängliche
Untersuchung über „Die Königsnovelle in Ägypten und Israel" vom
Vf. in die Sammlung aufgenommen worden (120-144). Auf zwei Erstveröffentlichungen
von „Beiträgen zur wissenschaftlichen Diskussion
", die auf schon einige Zeit zurückliegende Referate im Mitarbeiterkreis
des „Biblischen Kommentars" zurückgehen, sei besonders
verwiesen: „Bund" eine Fehlübersetzung von „berit"? Zur
Auseinandersetzung mit Ernst Kutsch (210-220); Hans Walter
Wolffs Verständnis des Buches Jona. Eine Anfrage (221-231).

K.-H.B

Judaica

Baumann, Arnulf H„ u. Ulrich Schwemer [Hg.]: Predigen in Israels
Gegenwart. Predigtmeditationen im Horizont des christlichjüdischen
Gesprächs. Hg. im Auftrag der Studienkommission „Kirche
und Judentum" der EKD. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus
Gerd Mohn 1986. IIIS. 8". Kart. DM22,80.