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Ausgabe:

1987

Spalte:

494-496

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Titel/Untertitel:

Le siècle des lumières et la Bible 1987

Rezensent:

Reventlow, Henning

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493

Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 7

494

Schlichting, Günter: Der Schatz im Acker der Zeit. Theologica et
Ratisbonensia. Mit einem Geleitwort von Bischof Sakrausky.
Fürth: Flacius-Verlag 1986. 369 S. m. 1 Taf. 8'.

Der 1911 geborene Günter Schlichting hat als Assistent von Gerhard
Kittel 1934-36 in Tübingen am Theologischen Wörterbuch
zum NT mitgearbeitet. Als Pfarrer und Dekan der Bayerischen Landeskirche
hatte er Lehraufträge an der Pädagogischen Hochschule
Regensburg und der Gesamthochschule Bamberg. Seine Bibliographie
nennt 55 Arbeiten, dazu 23 ungedruckte Vorträge und Aufsätze.
Die Festschrift zum 75. Geburtstag bietet als I.Teil 12 Beiträge
„Theologica". In Teil A fragt Schlichting kritisch nach „Toleranz im
Lichte des Evangeliums" (I I ff); unter der Überschrift „Abendmahl
und Kirchengemeinschaft" werden die Arnoldshainer Thesen kritisiert
(I6ff); eine Untersuchung über „Paul Gerhardt als Theologe"
(30ff) führt zu dem Vorwurf, die Kirchengeschichtsschreibung habe
„die Würdigung des Berliner Kirchenkampfes einseitig zugunsten des
Großen Kurfürsten gestaltet" (45). Die Leuenberger Konkordie wird
abgelehnt (48 ff).

Drei weitere Arbeiten stehen als Teil B unter der Überschrift „Weltseligkeit
in der Kirche?" (71-114). Teil C „Leben aus dem Glauben"
thematisiert das Gebet, das Altarsakrament. Christus und das AT
(131 ff), die Propheten als Botschafter Gottes mit besonderer Berücksichtigung
des Propheten Jesaja (156ff) sowie die Abendmahlslehre
der Konkordienformel (169ff). Teil 2 „Ratisbonensia" enthält neun
Arbeiten zur Kirchengeschichte Regensburgs. Schwerpunkte sind die
Reformation, die Konkordienformel, das Gymnasium, die Diakonie
und die Neupfarrkirche. Das Vorwort hebt hervor, „daß die Regensburger
evangelische Gemeinde durch Jahrhunderte die einzig überregional
bedeutende auf altbayerischem Siedlungsgebiet war". Bischof
Sakrausky bescheinigt ihr ein „lutherisches Eigenleben im Dennoch
des Gegenübers zu den katholischen Mächten eines römischen
Bischofs und eines katholischen Herzogs seit der Einführung der
Reformation 1542" (7).

O. H.

Bibelwissenschaft

Erasmus von Rotterdam: Novum Instrumentum Basel 1516. Faksimile
-Neudruck mit einer historischen, textkritischen und bibliographischen
Einleitung von H. Holeczck. Stuttgart - Bad Canstatt:
frommann-holzboog 1986. XLI.675 S. gr. 8'. Lw. DM 320,-.

Im März 1516 veröffentlichte Erasmus von Rotterdam nach langer
Vorbercitungszeit das „Novum Instrumentum Omne". Dem griechischen
und lateinischen Text des Neuen Testaments schickte er
einen Widmungsbrief an Papst Leo X .. eine Ermahnung (Paraclesis).
eine Anweisung (Mcthodus) und eine Apologie der Edition voraus.
Nach dem Tcxttcil widmete Erasmus mehr als ein Drittel des Foliobandes
den ins einzelne gehenden Erläuterungen seiner lateinischen
Übersetzung (Annotationes). Die Bedeutung dieser großartigen editorischen
Leistung haben Zeitgenossen wie Nachwelt anerkannt. Der
griechische Text diente in der reformatorischen wie in der nachrefor-
matorischen Zeit als Grundlage der Übersetzung des Neuen Testaments
in die Volkssprache. Bis ins letzte Viertel des 19. Jh. hinein lag
der Text des Erasmus aller wissenschaftlichen Auslegung des Neuen
Testaments zugrunde. Sowohl wegen des Platzes des Novum Instrumentum
im Werk des Erasmus wie in der abendländischen Gcistes-
geschichte ist dieser Faksimiledruck sehr zu begrüßen.

Allerdings mag die Einleitung weniger zu befriedigen. Der Hg.
beschäftigt sich beinahe ausschließlich mit dem griechischen und
lateinischen Bibeltext, ohne inhaltlich aufdie anderen Teile, die Erasmus
offenbar schräm Herzen lagen, einzugehen. Zudem beschränkt er
sich auf die Entstehungsgeschichte, so daß weder die weiteren Auflagen
des Novum Instrumentum (ab 1519 „Novum Tcstamentum"),
noch die Aufnahme bei den Zeitgenossen noch die Wirkungsgc-
schichtc zur Sprache kommen. Schwerer wiegt, daß der Hg. von der

Ausarbeitung einer ersten lateinischen Neuübersetzung des Neuen
Testaments durch Erasmus in den Jahren 1505/1506 spricht. Anscheinend
konnte er die jüngste Spezialuntersuchung zu dieser Frage,
nämlich Andrew J. Brown, The date of Erasmus' Latin translation of
the New Testament, in: Transactions of the Cambridge Bibliographi-
cal Society 8, 1984, 351-380, nicht mehr einsehen. Brown weist überzeugend
nach, daß Erasmus' lateinische Übersetzungsarbeiten zum
Neuen Testament erst nach 1514 entstanden sind. Abgesehen von
Ungenauigkeiten im Text (zum Beispiel muß es S. XXV statt Franziskanerkloster
richtig Dominikanerkloster Basel heißen) und im Literaturverzeichnis
(zum Beispiel S. XXXVIII statt Boyer richtig Bouver)
sind zwei Druckfehler besonders störend: Ammanuensis (S. XXVII)
und die gleich zweifache Zitation des Anfangs des Johannesevangeliums
mit „In prineipium erat. .." (S. XXXV).

Amsterdam Ulrich Gäbler

Beiaval, Yvon, et Dominique Bourel [Ed.]: La siecle des Lumieres et

la Bible. Paris: Beauchesne 1986. 869 S. m. Abb. gr. 8' = Bible de
Tous les Temps, 7. ffr480.-.

Mit diesem umfangreichen Sammelwerk erscheint der zweite einer
auf insgesamt acht Bände geplanten Reihe, die sich ein recht umfassendes
Ziel gesetzt hat: „die Augen zu öffnen über den Ort, den
Platz, den Gebrauch der Bibel in der abendländischen Gesellschaft,
von Christus bis zu unseren Tagen: wie die Bibel entdeckt, in die
Hand genommen, ins Werk gesetzt, gelesen, meditiert, gelebt wird:
wie die Bibel ein Ferment wird für Gesellschaften und Kulturen", (aus
der Gesamtübersicht, 5). Der vorliegende Band beschäftigt sich mit
der Rolle der Bibel im 18. Jh., dem Jahrhundert der Aufklärung. Er
enthält insgesamt 44 Beiträge in französischer Sprache; soweit es sich
nicht, wie die Mehrheit, um Originalaufsätze frankophoner Autoren
handelt, sind sie ins Französische übersetzt. Man möchte wünschen,
daß bei den Spezialisten Für das 18. Jh., an die sich dieses Werk von
hohem wissenschaftlichen Niveau wendet, keine Sprachbarriere
seiner Verwendung im Wege steht, denn es ist von hervorragenden
Kennern geschrieben und informiert in vielfältiger Weise.

Ein Übergewicht der französischen Szene in den Beiträgen ist sicher
verständlich: grundsätzlich nimmt der Band jedoch die westlichen
Kulturen (teilweise sogar noch weitere Gebiete) insgesamt in den
Blick.

Ein erster Hauptabschnitt „Das Buch und seine Verbreitung"
berichtet in vier Beiträgen über die Verbreitung der Bibel in Frankreich
(A. Sauvy, 27-46), über die erstaunlich große Anzahl von
Bibeln und Bibelteilen im Besitz von deutschen Protestanten, auch auf
dem Lande (E. Francois, 47-58), dann, schon exegesebezogencr, über
Psalmenübersetzungen und Psalmenkommentare in Frankreich
(B. Chedozeau, 59-72), sowie über die zahlreichen zeitgenössischen
katholischen Bibclausgaben, die dort auf lateinisch und französisch
erschienen (F. Dupuigrcnet. 73-91).

Der folgende Hauptabschnitt „Das Buch und die Wissenschaft"
enthält fünf Essays über die Anfänge der Bibelkritik im 18. Jh. Der
erste, über das Bibelstudium bei italienischen Juden (U. Piperno,
93-102), läßt einen Blick tun in eine reiche traditionsgebundene literarische
Tätigkeit hinter den Ghettomauern. M. Hadas-Lcbel möchte
einen französischen Textkritiker, den Oratorianer C. F. Houbigant
(1686-1784). Verfasser der vierbändigen Biblia Hebraica cum notis
criticis et versione latina ad notas criticas facta (1743-1754). dem
Vergessen entreißen (103-1 12). Der folgende Vortrag von A.-R. Lö-
wenbrück über J.D.Michaelis (113-128) wurde auf deutsch in
Wolfenbüttel gehalten (vgl. Bibliographie. Nr. 372). M.-E. Boismard
handelt über die synoptische Hypothese von J. J. Griesbach
(1745-1812) (129-137). Unter den Gegnern der Bibel, die B. E.
Schwarzbach (139-166) Revue passieren läßt, nimmt Voltaire einen
bedeutenden Platz ein. Schwarzbach möchte aber auch zeigen, daß
kritische Beobachtungen zur Bibel vielfach auf die Wortsinn(pcsat)-
Excgese jüdischer Fxegcten des Mittelalters zurückgehen (vermittelt